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Vorfahrt. Volkswagen hat den US-Markt lange vernachlässigt. Jetzt dreht der Konzern auf – im September wurden dort so viele Neuwagen wie seit 40 Jahren nicht verkauft.

© picture alliance / dpa

Autoindustrie: Freie Fahrt nach Westen

Deutsche Autos verkaufen sich in den USA glänzend – der heimische Markt bricht hingegen auf das Niveau von 1991 ein. Auch die Verkäufe von Volkswagen sinken hierzulande um mehr als 20 Prozent.

Berlin - Deutsche Automanager trösten sich in diesen Tagen mit einem Blick nach Übersee. Während der deutsche Automarkt massiv schrumpft und in einigen Fabriken wegen der Absatzkrise in Südeuropa die Bänder stillstehen, leisten sich die Amerikaner noch teure Autos aus Deutschland. „Im Gesamtjahr 2012 werden wir deutlich über eine Million Neuwagen in den USA verkaufen“, freute sich am Mittwoch Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, in einer Mitteilung. „Die deutschen Automobilhersteller sind auf dem großen US-Markt mit eindrucksvollem Tempo unterwegs.“

Im September setzten die Konzerne 104 000 Neuwagen in den USA ab und steigerten damit ihren Absatz gegenüber dem Vorjahresmonat um 17,4 Prozent. Der gesamte US-Markt wuchs dank günstiger Autokredite und einer allgemein positiveren Konsumstimmung um 12,7 Prozent.

Vor allem am Beispiel Volkswagen zeigt sich, wie unterschiedlich die Situation auf den wichtigsten Automärkten der Welt derzeit ist. In den USA feiert Volkswagen den besten September seit 40 Jahren – gleichzeitig ist der Autoverkauf in Deutschland um mehr als 20 Prozent eingebrochen. Das liegt zwar auch am Generationswechsel beim wichtigsten VW-Modell, dem Golf. Doch auch Volkswagen, Europas größter Autohersteller, spürt die Folgen der Absatzkrise in den Schuldenländern. Dort schrumpfen die Neuzulassungen von Monat zu Monat im zweistelligen Prozentbereich. Bisher konnten sich die deutschen Hersteller noch auf die heimischen Autokäufer verlassen: Im Juli und August hatte der Rückgang bei den Pkw-Neuzulassungen in Deutschland erst rund fünf Prozent betragen, deutlich weniger als in den Ländern Südeuropas. Nun aber liegt im Zeitraum Januar bis September die Zahl der deutschen Neuzulassungen bei 2,36 Millionen oder schon 1,8 Prozent unter dem Stand des Vorjahres. Der deutsche Automarkt ist mit 250 000 Neuzulassungen im September auf den schwächsten Stand seit 21 Jahren gefallen. VW schnitt dabei mit einem Absatzminus von gut einem Fünftel fast doppelt so schlecht ab wie der Gesamtmarkt. Auch die Wettbewerber Opel (minus 26 Prozent), Ford (minus 22 Prozent), Fiat (minus 21 Prozent) und sogar Mercedes (minus elf Prozent) hatten allerdings mit deutlich nachlassender Nachfrage zu kämpfen. Zulegen konnten hingegen die koreanischen Marken Hyundai und Kia sowie BMW.

Grund zu ernsthafter Sorge haben die großen drei aus Deutschland – Volkswagen, BMW und Daimler – aber noch nicht. Denn nicht nur der US-Markt läuft hervorragend, auch in Asien sind deutsche Autos nach wie vor sehr gefragt. So können die Premiumhersteller Probleme in Europa bisher ausgleichen oder überkompensieren. Vom starken US-Geschäft profitieren nach VDA-Angaben auch unmittelbar die deutschen Standorte: „Ein großer Anteil unserer Exporte in die USA sind Premiumfahrzeuge, die wir hier im Inland produzieren“, erklärte Matthias Wissmann.

Davon haben Opel und Ford allerdings nichts. Beide haben deshalb die Produktion zurückgefahren. Ford will mehrere hundert Arbeitsplätze in Europa abbauen. Bei Opel ringt der Vorstand angesichts hoher Verluste mit der Gewerkschaft um ein Sanierungsmodell.

In einem Punkt gleichen sich der amerikanische und der deutsche Automarkt: Hier wie dort ködern die Hersteller die Kunden mit Preisnachlässen und günstigen Finanzierungskonditionen. Dank höherer Wiederverkaufswerte und billigem Geld könnten die Hersteller den US-Kunden die günstigsten Leasing-Angebote seit Jahren machen, sagte Jesse Toprak, Analyst von True-Car.com. Für einen Kredit mit 48 Monaten Laufzeit fielen zuletzt pro Jahr rund 3,19 Prozent Zinsen an. Wie kein anderer Hersteller macht in den USA Toyota Gebrauch von den Verkaufshilfen. Rund ein Drittel der Käufer profitierte im September von Null-Prozent-Finanzierungen. Die Monatsbilanz fiel dementsprechend aus: Die Japaner setzten die meisten Autos von allen ab: 172 000 Fahrzeuge – 41 Prozent mehr als im Vorjahr.

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