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Wirtschaft: Autoindustrie hadert mit EU-Abgasplan

Brüssel verlangt mehr Klimaschutz – die Hersteller fürchten hohe Investitionen in Sprit sparende Technik

Brüssel/Berlin - Die deutschen Autohersteller sehen die Pläne der EU-Kommission für eine Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes skeptisch. Die Ziele seien „extrem anspruchsvoll, erfordern massive Investitionen und Innovationen und stellen alle Hersteller vor enorme und extrem schwierige Herausforderungen“, sagte Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), am Mittwoch in Frankfurt am Main. Zuvor hatte die EU-Kommission in Brüssel eine entschärfte Version ihres Klimaschutzplans vorgelegt, wonach der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2012 auf 130 Gramm pro Kilometer sinken muss. Die Aktien von BMW, Daimler-Chrysler und VW standen am Mittwoch an der Börse unter Druck.

Ursprünglich hatte Umweltkommissar Stavros Dimas die Hersteller auf einen Grenzwert von 120 Gramm verpflichten wollen. Damit war er aber auf scharfen Protest der deutschen Hersteller und der Bundesregierung gestoßen. Deshalb sollen nun die bis zu dieser Marke fehlenden zehn Gramm durch mehrere Maßnahmen erreicht werden: die Anrechnung von Biosprit, sparsamere Klimaanlagen, Gangwechselanzeigen für den Fahrer oder Kontrollsysteme für den Reifendruck. Derzeit stoßen die deutschen Neuwagen durchschnittlich 172 Gramm CO2 pro Kilometer aus, EU-weit sind es 163 Gramm.

Vor allem die deutschen Hersteller stehen nun vor einer schwierigen Aufgabe. Autos von BMW kommen auf 192 Gramm CO2 je Kilometer, bei Mercedes-Benz sind es 185 Gramm, bei Audi 177 Gramm, bei VW 159 Gramm. Relativ gut stehen dagegen Hersteller wie Fiat (139 Gramm), Citroën (144 Gramm) und Renault (149 Gramm) da. VDA-Präsident Gottschalk warnte vor der „Illusion, solche Vorgaben ließen sich schnell, leicht oder kostenneutral umsetzen“. Die Brüsseler Vorgaben seien gleichbedeutend mit einem Durchschnittsverbrauch von etwa fünf Litern Sprit auf 100 Kilometern. Es sei notwendig, dass EU und Bund beim Klimaschutz auch die Industrie, Energieversorger und Haushalte berücksichtige – hier sei die CO2-Einsparung viel günstiger.

1998 hatte sich die Autobranche in einer Selbstverpflichtung zum Ziel gesetzt, den Ausstoß bis Ende 2008 auf 140 Gramm CO2 zu senken. Angesichts der Beliebtheit großer Autos habe man die Vorgabe aber verfehlt, heißt es.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) stellte ein grenzübergreifendes, gestaffeltes Vorgehen nach den jeweiligen Wagenklassen in Aussicht. Die Anforderungen seien „technisch möglich“ und „das weitreichendste Programm der Welt“, sagte er. In Deutschland habe der Eindruck für Unruhe gesorgt, es solle einheitliche Reduktionsziele für alle Fahrzeuge geben, aber „diese Absicht hatten wir nie“. Es müsse nun ein Weg gefunden werden, „der die Verlagerung von Produktion in andere Regionen der Welt verhindert“.

Umweltkommissar Dimas unterstrich, ohne den Zielwert könne die EU ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll nicht einhalten. „Die Kommission wird einen bindenden Rahmen einführen“, kündigte er an. Die EU-Gesetzgebung soll noch 2007 starten. Allerdings wird der Plan im Zusammenspiel mit dem EU-Parlament und den nationalen Regierungen vermutlich noch an einigen Punkten verändert. Ein Gesetzesvorschlag soll bis spätestens Mitte 2008 vorliegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die überarbeiteten Vorstellungen der Kommission, vor allem die Berücksichtigung des Biosprits bei der Berechnung des CO2-Ausstoßes. Umweltverbände protestierten dagegen gegen die Vorstellungen der EU. Die deutsche Politik werde zum „Lakai der Autoindustrie“, befand der ökologisch orientierte Verkehrsclub VCD mit Blick auf die Veränderung der ursprünglichen Vorhaben. Die Autoindustrie werde aus der Pflicht entlassen, konsequent auf spritsparende Technik zu setzen. Der Umweltverband BUND sprach von einem „Anschlag der Autoindustrie auf den globalen Klimaschutz“. Die Vorsitzende Angelika Zahrnt sagte: „Mit diesem weich gespülten Kompromiss wird das 120-Gramm-Ziel für 2012 nur noch auf dem Papier erreicht.“ brö/sce (HB)

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