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Erst mal schauen, was es im Internet gibt. 94 Prozent der Autokäufer informieren sich online.

© Doris Spiekermann-Klaas

Autokauf: Probefahrt ins Internet

Immer mehr Neuwagen werden von Onlinevermittlern verkauft. Kunden bekommen kräftige Rabatte und das ohne zu feilschen. Der klassische Autohandel wird nervös.

Berlin - Schlussverkauf auf dem Automarkt: Mitten im Sommer können Neuwagenkäufer derzeit Rabatte in Rekordhöhe erzielen. Juni, Juli und August sind dieses Jahr besonders attraktive Monate: Knapp 13 Prozent Preisnachlass waren zuletzt durchschnittlich für ein neues Auto drin, im Internet sogar 19 Prozent.

Weil die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland sinkt und die Schuldenkrise die deutschen Hersteller nicht verschont, versuchen die Konzerne, auf allen Kanälen ins Geschäft zu kommen. Das klassische Autohaus wird dabei immer mehr zum reinen Showroom – gekauft werden fabrikneue Autos zunehmend im Internet. Onlinevermittler wie Meinauto, Autohaus24 oder Carneoo werden nach Schätzungen des Duisburger Car-Instituts 2012 rund 50 000 Neuwagen verkaufen, 15 000 mehr als im vergangenen Jahr und doppelt so viele wie 2010. Im Jahr 2015 sollen es schon 100 000 sein.

Die Angebote werden den Kunden frei Haus auf den Computer geliefert. Und auch handeln müssen sie nicht mehr: Rabatte auf den Listenpreis der Hersteller sind schon automatisch in die Online-Preise eingerechnet. Wer seinen Führerschein gerade gemacht hat oder die Automarke wechselt, bekommt extra-günstige Konditionen.

„Die Leute kaufen deshalb wahrscheinlich nicht mehr Autos, aber sie haben einen viel besseren Überblick über die Preise“, sagt Car-Leiter Ferdinand Dudenhöffer. Händler bestätigen dies. „Die Kunden sind besser informiert“, sagt Burkhard Weller, geschäftsführender Gesellschafter der Wellergruppe. Der Händler, einer der größten Deutschlands, muss knapper kalkulieren. „Unsere Marge steht unter Druck.“ Eine Zusammenarbeit mit Internetvermittlern lehnt Weller ab.

Die größere Transparenz bei den Preisen gefährdet das Geschäftsmodell des klassischen Autohandels. Gemessen an aktuell 3,1 Millionen Neuzulassungen sind 50 000 online verkaufte Autos zwar noch nicht viel. Doch die Abwanderung der Kunden ins Internet ist nachhaltig: 94 Prozent der Autokäufer informieren sich vorab online, 42 Prozent können sich auch vorstellen, ein Fahrzeug im Netz zu kaufen. Dies ergab eine Umfrage des Beratungsunternehmens Capgemini.

Bestenfalls zur Probefahrt suchen viele Kunden noch den Kontakt zum örtlichen Händler. Konfiguriert und bestellt wird das Auto zu Hause, vom Sofa oder Küchentisch aus, zur Not beim Händler in 800 Kilometern Entfernung. Das hinterlässt Spuren: Die Glaspaläste der Handelsbetriebe rechnen sich häufig nicht mehr, das schwierige Verhältnis von Herstellern und Händlern gerät weiter unter Druck, die Stammkundschaft schrumpft. Weil die Kundenbindung immer schwieriger wird, sind auch die Werkstätten immer schlechter ausgelastet. Dabei verdienen die 38 000 deutschen Kfz-Betriebe gerade im Service am leichtesten Geld.

Die Branche mit ihren 456 000 Beschäftigten steckt in einem Dilemma: „Wir haben uns die Frage zu stellen, wie wir im Autohandel beiden Ansprüchen – denen der Kunden und denen unserer Händlerkollegen – gerecht werden können“, sagte Ulrich Fromme, Vizepräsident des Autohändlerverbandes ZDK, im Mai auf dem Fabrikatshändlerkongress. Ende des Monats will der Verband einen Vorschlag veröffentlichen, wie Händler und Hersteller zusammen der Online-Offensive begegnen. „Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass die Auflagen für das klassische Autohaus immer höher werden, wenn zugleich immer mehr Kunden über andere Kanäle ihre Fahrzeuge beziehen“, hatte ZDK-Vize Fromme im Mai gesagt.

Die Autokonzerne haben den Verkaufsdruck in den vergangenen Jahren erhöht. Händlern, die viele Neuwagen verkaufen, gewähren die Hersteller größere Boni und Nachlässe. Zugleich müssen Vorführwagen vorgehalten und kostenlose Probefahrten ermöglicht werden, der Service muss perfekt sein. Bei einer Umsatzrendite von branchenweit kaum zwei Prozent bleibt vielen Händlerbetrieben gar nichts anderes übrig, als mit Internetvermittlern zu kooperieren. Nur so erreichen sie das erwünschte Volumen. Die Internetvermittler, die nur Händlerfahrzeuge und keine Reimporte verkaufen, kassieren dafür ein bis anderthalb Prozent Provision für ihre Dienste.

„Wir arbeiten mit vielen großen Handelsketten zusammen“, sagt Konstantin Sixt, Geschäftsführer von Autohaus24. „Aber wir kooperieren auch mit kleineren Betrieben.“ Der Sohn von Erich Sixt, Gründer und Chef des gleichnamigen Autovermieters, sieht sein Unternehmen, an dem der Springer-Verlag 50 Prozent hält, gleichauf mit dem Wettbewerber Meinauto, eine Beteiligung von Holtzbrinck Ventures. Meinauto will dieses Jahr 15 000 Neuwagen verkaufen – nach 10 000 im vergangenen. Autohaus24 will noch kräftiger zulegen. „Das sollten wir schaffen“, sagte Sixt dem Tagesspiegel. Profitabel arbeitet das 2009 gegründete Unternehmen mit 65 Beschäftigten (50 davon ausgebildete Autoverkäufer) noch nicht. „Seit Mai schreiben wir auf Monatsbasis schwarze Zahlen“, sagt Sixt. „Wir wollen 2012 aber mindestens eine schwarze Null schaffen.“ Um noch attraktiver zu werden, soll die Beratung ausgebaut werden. Bei der Auswahl der Händler legt Sixt Wert auf schnelle Abwicklung und guten Service. „Wir garantieren dem Kunden, dass im Prinzip alles läuft wie bei seinem Händler vor Ort.“

Die Internetvermittler profitieren von niedrigen Vertriebskosten. Sie sind nur halb so hoch wie im Autohaus. Für den Handel heißt es künftig, an der richtigen Stelle zu sparen: Der Vertrieb im stationären Handel verursacht nach Berechnungen des Car-Instituts knapp zehn Prozent der Kosten beim Verkauf eines Neuwagens – vor allem fürs Personal. Bei einem durchschnittlichen Neuwagenpreis von 25 000 Euro macht dies jährlich rund 7,9 Milliarden Euro Vertriebskosten für den deutschen Automarkt aus. Zu viel, um gegen die Online-Konkurrenz zu gewinnen.

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