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Automobilindustrie: Opel: Die das letzte Wort haben

Noch stehen sie nicht im Rampenlicht. Doch schon bald müssen die Opel-Treuhänder über Milliarden an Steuergeld entscheiden – und über die Zukunft von Opel.

Am vergangenen Freitagabend saßen die Männer, die über die Zukunft von Opel entscheiden sollen, zum Abendessen in einem Frankfurter Restaurant zusammen. Manfred Wennemer, der frühere Chef des Reifenherstellers Continental, ist einer von ihnen. Ebenso wie der FDP-Politiker Dirk Pfeil, ein Vertrauter des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Zu dem Kreis gehören auch Fred Irwin, der Chef der deutsch-amerikanischen Handelskammer und zwei GM-Manager: Enrico Digirolamo und John Smith. Letzterer führt derzeit die Verhandlungen um Opel für den GM-Konzern.

Die Herren treffen sich regelmäßig. Man tausche sich aus, diskutiere die Optionen, heißt es. "Der Redebarf ist derzeit groß", sagt einer, der die Unterhändler kennt. Schon bald muss die Gruppe entscheiden, was mit dem deutschen Autobauer Opel und seinen 25.000 Mitarbeitern geschieht. Oft ist derzeit die Rede davon, die letzte Entscheidung über den Verkauf von Opel liege in Berlin. Mal heißt es, das letzte Wort habe das Management in Detroit. Rein formal entscheiden fünf Männer aus Deutschland und den USA darüber, wie es mit Opel weiter geht.

Das Quintett um den Vorsitzenden Fred Irwin sitzt im Beirat der Treuhand-Gesellschaft, die seit dem Mai 65 Prozent an Opel hält. Derzeit wird Opel durch einen Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro am Leben gehalten. Weitere drei Milliarden sollen als Bürgschaft hinzukommen, sobald ein Vertrag zwischen GM und dem endgültigen Käufer geschlossen ist. Einem solchen Verkauf müssen vier der fünf Gremiumsmitglieder zustimmen, der Vorsitzende Irwin hat kein Stimmrecht. Zwischen Staat und GM gibt es somit stimmenmäßig ein Patt.

Offiziell sollen die beiden von der deutschen Politik entsandten Vertreter die "ökonomisch beste Lösung" für Opel suchen. Immerhin stehen Milliarden an Staatsbürgschaften auf dem Spiel. Beide pochen bislang darauf, man sei nicht weisungsgebunden. Dennoch ist unklar, wer derzeit welchen Einfluss auf die Treuhänder ausübt. Der frühere Conti-Chef Wennemer soll von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in das Gremium entsandt worden sein, verfügt aber auch über gute Kontakte ins SPD-Lager rund um Frank-Walter Steinmeier. Der FDP-Landespolitiker Pfeil gilt als Vertrauter des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. "Völlig intransparent" sei die Interessenslage der Vertreter, schimpft deshalb der Bezirksleiter der IG Metall in Frankfurt, Armin Schild. Das Gremium sei eine "Fehlkonstruktion".

Richtig wütend wurde Schild, als in der vergangenen Woche durchsickerte, Wennemer bevorzuge es, Opel in die Insolvenz gehen zu lassen statt den Hersteller an Magna zu verkaufen. Die Äußerungen des einstigen Conti-Chefs kommen einem "Rufmord" gleich, sagt er. "Wer als Vertrauensperson öffentlich solche Äußerungen macht, gehört nicht in diese Funktion." Auch in Berlin wuchs offenbar die Sorge, man könnte den Einfluss auf die Treuhänder verlieren. Die Süddeutsche Zeitung zitierte daraufhin einen Unterhändler mit dem Satz, man müsse die Gesandten "wieder einfangen".

Auch von Pfeil hieß es zwischenzeitlich, er favorisiere den Finanzinvestoren RHJ als Bieter für Opel – anders als Koch, der immer wieder deutlich gemacht hatte, dass er Staatsbürgschaften nur an den österreichisch-kanadischen Hersteller Magna vergeben will. Die Gewerkschaften wiederum argwöhnen,Wirtschaftsminister Guttenberg hintertreibe die Bemühungen um eine Rettung von Opel und würde den Autohersteller ebenfalls lieber in die Insolvenz schicken. 

Beweisen kann das niemand. Tatsächlich ist höchst unsicher, wie das Gremium am Ende entscheiden wird. Mal heißt es, die deutschen Vertreter stimmten geschlossen für Magna, mal kursieren gegenteilige Meldungen. Offiziell heißt es, die Verhandlungen seien "noch in der Schwebe", keiner der Teilnehmer habe sich festgelegt. Auch eine Probeabstimmung habe noch nicht stattgefunden. Realistisch sind derzeit vier Szenarien, wie es mit Opel weiter gehen könnte.
 
Erstens: Opel wird an Magna verkauft, wie im Mai im Kanzleramt vereinbart. Der österreichisch-kanadische Autozulieferer hat zuletzt seit Angebot aufgebessert. Statt 100 Millionen Euro will das Unternehmen nun 350 Millionen Euro als Soforthilfe einbringen. Weitere 150 Millionen sollen als zinsloser Kredit fließen und später in Eigenkapital umgewandelt werden. Die Manager von GM aber sind skeptisch. Magna verlangt offenbar Zugang zu Patenten und Entwicklungen, die sich GM innerhalb von Joint Ventures wie dem südkoreanischen Ableger GM Daewoo mit dritten Unternehmen teilt.  Das sei rechtlich nicht möglich. Außerdem fürchtet man, dass Patente nach Russland abwandern könnten. Das machte eine Einigung im Beirat schwierig.
 
Zweitens: Der Finanzinvestor RHJ erhält den Zuschlag. Regierungskreisen zufolge sind die Verhandlungen mit dem Investor fast abgeschlossen. Allerdings sind sowohl die Bundesregierung als auch die Gewerkschaften gegen den Einstieg der Brüsseler Private-Equity-Firma. Die Arbeitnehmervertreter fürchten zudem, GM werde in diesem Fall Opel nur bei RHJ parken, um das Unternehmen nach einer Frist zurückzukaufen. Dafür spricht, dass Finanzinvestoren ihre Investments nur kurz halten, um sie sodann wieder abzustoßen.

Drittens: Der wieder erstarkte GM-Konzern, der nur 40 Tage benötigte, um aus der größten Industrieinsolvenz der Geschichte zurückzukehren, kauft Opel einfach wieder zurück. Derzeit hält GM 35 Prozent an der ausgelagerten Adam Opel AG. Ganz ausschließen will das in Treuhand-Kreisen niemand. In Berlin registriert man zumindest, dass die Manager in Detroit wieder mit neuem Selbstbewusststein auftreten. GM-Unterhändler John Smith hat jedoch am Mittwoch derlei Pläne in seinem Blog dementiert. "GM strebt nicht an, die Mehrheit an Opel wiederzugewinnen, von keinem potenziellen Investor", schrieb Smith.

Viertens: Opel rutscht doch in die Insolvenz. Auszuschließen ist das nicht, auch wenn sich die Belegschaft und die Opel-Führung dagegen wehren. Denkbar ist etwa, dass die Verhandlungen so lange dauern, dass Opel das Geld ausgeht. Ursprünglich hieß es, der Überbrückungskredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro rette das Unternehmen bis September. Dank der jüngsten, guten Verkaufszahlen von Opel könnte das Geld sogar bis zum Ende des Jahres reichen.

Am kommenden Montag wollen sich die Gewerkschaftsvertreter mit dem Treuhand-Gremium treffen. Wenig später tagen die Manager von GM. Wie lange die Verhandlungen noch dauern werden, traut sich keiner mehr vorherzusagen. Womöglich, so heißt es aus Verhandlungskreisen, dauert es  noch Wochen bis die fünf Herren der Treuhand entscheiden. "Das Theater wird noch eine Weile weiter gehen."

Quelle: ZEIT ONLINE

Philip Faigle

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