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Auf Probefahrt. Der autonome Minibus Olli drehte am Freitag auf dem Berliner Euref-Gelände seine Runden.

© Deutsche Bahn AG

Autonomes Fahren: Bahn will mit Mini-Bus "Olli" Uber Konkurrenz machen

Bahnchef Grube und Verkehrsminister Dobrindt präsentieren in Schöneberg einen selbst fahrenden Kleinbus für die Straße. Der große Praxistest findet aber nicht in Berlin, sondern einem bayerischen Kurort statt.

Der Fahrdienst Uber könnte Rüdiger Grube eigentlich herzlich egal sein, sollte man meinen. Was hat der Schienenkonzern Deutsche Bahn von der US-Firma zu befürchten, die das Beförderungsgewerbe aufmischt und Roboter-Taxis testet? Eine Menge. Denn die Bahn verlängert ihre Wertschöpfungskette gewissermaßen auf die Straße, wie Grube bei jeder sich bietenden Gelegenheit erläutert. So wird der Schienen-Monopolist eines Tages wohl auch Wettbewerber von Uber & Co – in der analogen und zunehmend in der digitalen Welt.

Am Freitag demonstrierte Grube an der Seite von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf dem Euref-Campus in Berlin-Schöneberg, wie sich die Bahn ihre Zukunft jenseits der Schiene vorstellt: Sie heißt „Olli“ und ist ein autonom fahrender Kleinbus ohne Lenkrad und Fahrer.

Den von dem amerikanischen Start-up Local Motors entwickelten Roboter-Bus wollte die Bahn 2017 gerne zwischen dem Euref-Gelände und ihrem Vorzeigebahnhof Südkreuz pendeln lassen. Eine überschaubare, anderthalb Kilometer lange Strecke. Eine Genehmigung dafür gab es allerdings nicht. Der Praxistest soll deshalb nun im bayerischen Kurort Bad Birnbach stattfinden, wie Grube und Dobrindt ankündigten. Olli, der am Freitag nicht mehr so genannt wurde, soll dann zwischen Bahnhof und Kurhaus pendeln.

Bahn-Kunden können auch Autos und Fahrräder mieten

Zumindest die kleine Runde, die Grube und Dobrindt am Freitag auf dem Euref-Campus drehten, verlief schon mal unfallfrei. Ihre Vision: Bahn-Reisende buchen in Zukunft per Smartphone-App (DB Navigator) Olli oder andere autonom fahrende Wagen, die sie vom Bahnhof nach Hause oder von A nach B bringen.

Schon heute kann man über die Bahn-App Autos mieten (Flinkster) oder Fahrräder (Call-a-bike), um von der Haustür zum Zug und zurück zu gelangen. Auch mit einem elektrischen Sammeltaxi (Clever-Shuttle), das die Bahn mitfinanziert, ist das inzwischen in Berlin, München und Leipzig möglich. Öffentlichen Verkehr dann nutzen, wenn man das Angebot braucht – so formuliert es die Bahn. Rüdiger Grube, der 2017 auch kommissarisch Technik-Vorstand der Bahn wird, spricht von „On-demand-Mobilität“, einem „neuen großen Markt für individuelle öffentliche Mobilität“, dem IÖV.

Testfahrer. Bahn-Chef Rüdiger Grube (l.) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im autonomen Bus.
Testfahrer. Bahn-Chef Rüdiger Grube (l.) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im autonomen Bus.

© AFP

In Berlin sind Probefahrten mit Olli nur auf dem halb öffentlichen Euref-Campus möglich. In den kommenden Monaten soll dort ein autonomer Buslinienbetrieb simuliert werden. Die Bahn feiert dies als „Deutschland-Premiere“, unterwegs ist Olli allerdings schon länger. Mitarbeiter des Forschungszentrums InnoZ, mit dem die Bahn den Bus gemeinsam testet, sollen das selbstfahrende Mobil nun im Alltag nutzen.

„Mit unserem Testbetrieb wollen wir demonstrieren, dass wir unser großes Know-how bereits heute mit neuen Technologien bündeln können“, sagte Grube. Die Bahn breche auf „in eine neue Welt“. „Wir sind schon lange kein reines Eisenbahnunternehmen mehr“, sagte Grube. Schiene und Straße gehörten dabei künftig noch enger zusammen. Autonomes Fahren, so habe er im Silicon Valley gelernt, werde schneller kommen als gedacht, sich in der Fläche aber langsamer als erwartet durchsetzen.

Eine Genehmigung für Berliner Straßen gibt es (noch) nicht

Die Bahn soll einmal nach dem Willen des Eigentümers das „Verkehrsmittel der Gigabit-Gesellschaft“ werden, wie Verkehrsminister Dobrindt sagte. Der autonome Kleinbus stehe „ganz in der Tradition der deutschen Bahn und ihrer Digitalisierungsstrategie“. Dies dokumentiere auch die Lackierung im ICE-Look. „Das ist kein Zufall“, sagte Dobrindt. „Das Gütesiegel wird weiterentwickelt.“

Ollis Intelligenz stammt vom IBM-Super-Computer Watson, der menschliche Sprache verstehen und analysieren kann und selbstständig in der Lage ist, Informationen aus Daten zu ziehen und Schlüsse daraus zu ziehen. Olli ist mit Watson drahtlos verbunden, der Großrechner steht in Frankfurt am Main. 30 Sensoren, Kameras und Laser sammeln die Olli-Daten, die Watson in Steuerungsbefehle für den fahrerlosen Minibus umwandelt. „Fahr mich zum Bahnhof“ – dieser Satz eines Bahn-Kunden soll in Zukunft unfallfrei zum Ziel führen.

Vorausgesetzt, der deutsche Gesetzgeber schafft die notwendigen Rahmenbedingungen. Ob Olli eine Genehmigung für Berliner Straßen bekommt, konnte die Bahn am Freitag nicht sagen. Finnland, die Schweiz und die USA sind weiter. Dort dürfen autonome Busse schon auf einigen regulären Straßen Passagiere befördern.

Die Bahn will 2017 auch in anderen Bereichen Pilotprojekte im öffentlichen Raum ausrollen - etwa mit Lkw-Kolonnen (Platooning), die die Bahn-Spedition DB Schenker zusammen mit dem Lkw-Hersteller MAN erprobt. „2018 soll ein Lkw-Platoon auf dem digitalen Testfeld Autobahn auf der A9 zwischen München und Nürnberg unterwegs sein“, teilte die Bahn mit. Anschließend sollen autonome Lkw auf dem Nürnberger Werksgelände von DB Schenker ihren Dienst tun.

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