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Wirtschaft: Axel Höppner

Geb. 1949

Von David Ensikat

Wozu braucht ein Profi schon einen Beruf? Man muss sehen, wo man bleibt. Seine Nachbarn im ordentlichen Zehlendorf wissen bis heute nicht, was er für einer war. Seine Witwe will, dass das so bleibt. Also nennen wir ihn Axel Höppner.

Die Nachbarn denken, Axel Höppner sei im Krankenhaus gestorben. Er starb im Gefängnis. Wovon er gelebt hat, davon haben die Nachbarn keine Ahnung. Die Witwe sagt, auch sie habe von nichts gewusst.

Gehen wir ins Gefängnis, dort können wir Günther fragen.

„Na wir haben Baumärkte jemacht.“

Baumärkte gemacht?

„Ja, Baumärkte. Da haben wir’s Geld rausgeholt. Meistens im Westen. In Berlin und drumrum koofen die Leute nüscht, da kannste die Tageskasse vergessen.“

Günther hat noch ein paar Jahre abzusitzen im Tegeler Gefängnis. In Augsburg hat er mit Axel Höppner und einem Dritten vor dem Richter gestanden, denn dort haben sie im November 2000 ihren letzten Baumarkt überfallen.

Ein paar Tage lang haben sie sich auf den Parkplatz gestellt und geguckt, wann im Max-Bahr-Geschäft die Schichten wechseln und wie viele Leute dort arbeiten. Am letzten Tag warteten sie bis zum Abend. Gegen 19 Uhr 30 waren fast alle Angestellten raus. Der mit dem Tresorschlüssel musste noch drin sein, der ging immer zuletzt. Bei Max-Bahr-Baumärkten kannte Axel Höppner sich aus. Gemeinsam mit Günther zog er hinter einem Fertigteilhaus die blaue Arbeitskombination und die extra für den Überfall besorgten Schuhe an, sie zogen ihre Masken über, holten die Pistolen aus den Taschen und liefen zum Hintereingang. Die Tür hatten sie präpariert, da kamen sie schnell hinein, auf der Treppe begegneten sie den drei letzten Baumarkt-Leuten, jagten ihnen einen Riesenschrecken ein, zerrten sie in den Raum, in dem der Safe stand, ließen sich den Schlüssel geben, fesselten sie, holten das Geld heraus und verschwanden. Der Dritte hatte draußen im Auto mit einem Funkgerät gewartet. Die Verkleidung, auch die Schuhe, warfen sie weg. Die Polizei fand keine Spuren.

„Aber die Leute in der Branche machen zu viele Fehler“, erzählt Günther im Gefängnis. Der Dritte prahlte, was für ein toller Kerl er sei, dann verstritt er sich mit seiner Freundin, die schickte ihm die Polizei hinterher, die Polizei hörte sein Telefon ab, nahm ihn fest, er sang.

Im Juni 2002 wurde Axel Höppner verhaftet, im April 2003 stand er vorm Richter. So lange hat das gedauert, weil die Ermittler noch Beweise suchten für etliche sehr ähnliche Baumarktüberfälle der vergangenen Jahre. Wegen zehn wurde Axel Höppner angeklagt, fünf wurden ihm nachgewiesen. Der Richter verurteilte ihn zu zwölf Jahren Haft.

Der erinnert sich noch gut an seinen Angeklagten, selbstsicher und beherrscht, wie der vor ihm saß, unbeweglich, doch mit wachen Augen: „Der war cool. Ein richtig schwerer Junge.“ Und ein Profi: „Generalstabsmäßig hat der seine Überfälle geplant. Mit Karten aus dem Internet und Observierung. Der wusste, was er wollte.“

Er wollte leben von dem Baumarktgeld. 68530 Mark brachte allein der letzte Überfall; wenn man im Jahr zwei oder drei davon macht, geht das schon ganz gut.

Axel Höppner war keiner von den Halbseidenen, die, wenn sie mal zu Geld gekommen sind, damit gleich um sich werfen. Viel zu auffällig , so was . 12-Zimmer-Wohnung und amerikanischen Schlitten hatte er zwar mal gehabt, das hat er Günther jedenfalls erzählt, inzwischen fuhr er aber Opel und lebte mit Frau in einer ganz normalen Wohnung. Extravagant war nur der Schmuck, den er trug, goldene Ringe, goldene Ketten, möglichst groß, möglichst dick.

Günther spricht voller Hochachtung über seinen alten Freund – wie vorsichtig der war, was der alles wusste, wie der das alles plante. Allein die Sache mit den Masken: Aus Frankreich mussten die sein, nur keine Spuren, und furchterregend sollten sie aussehen, nicht so ein Kinderkram wie Weihnachtsmann- oder Bill-Clinton-Visage.

Bei einer Sache aber hört Günthers Sympathie auf: „Über Axels Stasigeschichten wolltick überhaupt nüscht wissen. Habick ihm gleich gesagt. Von Stasi haltick nehmlich janüscht.“

Stasigeschichten?

„Klar, der war Agent. Hat er auch im Knast rumerzählt. Doppelagent war der, für die Stasi und für den französischen Geheimdienst. Oder für’n BND, wat weeß denn icke.“

Hat er da nicht übertrieben? Er war doch ein Aufschneider.

„Klar war der’n Aufschneider. Aber dit is’ amtlich! Der kannte sich doch aus mit dem ganzen Kram, mit Waffen und Abhörtechnik und so. Hatte der ja auch allet in seinem Keller.“

Und dann diese Paranoia. Günther erzählt, wie merkwürdig das war, mit Axel Höppner auf der Straße zu laufen. Andauernd musste der sich umdrehen, könnte ihm ja einer folgen.

„Abschlußbericht zum IMB-Vorgang ,Heinrich Hampel’ aus dem Operationsgebiet, Reg.Nr. IV/1585/81: Der IMB ,Heinrich Hampel’ wurde am 23.10. 1982 zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet. Die Werbung des IM erfolgte auf freiwilliger Basis… ,Heinrich Hampel’ ist am 11.3.1977 erstmals als Anbiederer in das Blickfeld des MfS geraten. Er hat wiederholt Zettel mit operativ-interessanten Informationen in seinen Reisepaß eingelegt, um im Rahmen der Grenzpassage Kontakt zu den Sicherheitsorganen der DDR zu erhalten.“

Der Bericht stammt vom 6. September 1988 und ist Teil der sehr dicken Stasi-Akte von Axel Höppner. Sechs Jahre lang hat er als IMB, „Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung“, dem DDR-Geheimdienst Informationen über westliche Fluchthilfeorganisationen geliefert, in der Stasi-Sprache: „Menschenhändlerbanden“, MHB.

Aus der Akte erfahren wir auch einiges über die Vergangenheit von Axel Höppner: 1963 Abschluss der 8. Klasse, zwei Lehren – Stahlbauschlosser und Binnenschiffer, beide ohne Abschluss, 1968/69 als Weichenreiniger bei der Deutschen Reichsbahn in West-Berlin angestellt, Bewerbung um eine Stelle bei der Transportpolizei – abgelehnt, zehn Jahre Verkäufer in einer orthopädischen Boutique, seit 1979 selbstständiger Antiquitätenhändler. Außerdem: in den sechziger Jahren Kontakte zu einem Journalisten, der dem amerikanischen Geheimdienst zuarbeitet. Diesem Journalisten berichtet Axel Höppner über linke Studenten und amerikanische Soldaten, die der Black-Panther-Bewegung nahe stehen und bekommt Geld dafür.

1977 also bot Axel Höppner der Stasi seine Dienste an – und es ist durchaus möglich, dass er es im Auftrag eines westlichen Geheimdienstes tat. Der aktenführende Stasi-Offizier zog das in Betracht, fand aber keinen Beweis dafür. Zu den Motiven seines Informanten schrieb er etwas umständlich: „Es wurde im Gespräch sichtbar, daß der IMB aufgrund von bestimmten Lebensgewohnheiten wie kein festes Arbeitsverhältnis, große persönliche Freiheit in Bezug auf die Einteilung seiner Freizeitinteressen usw., wenn er diese aufrecht erhalten will, an bestimmte materielle Zuwendungen gebunden ist, deren Erlangung in der Form der Zusammenarbeit mit dem MfS gegeben ist. Darüber hinaus wurde sichtbar, daß der IMB aufgrund persönlicher Neigungen (Abenteuerlust) stark an einer konspirativen Zusammenarbeit interessiert ist.“

Axel Höppner erwies sich als talentierter und ausgesprochen motivierter Mitarbeiter, er spionierte auftragsgemäß eine Fluchthelfergruppe in Westdeutschland aus, machte Fotos und unterbreitete Vorschläge, wie man die „Menschenhändler“ diskreditieren und ausschalten könnte. Die Auftraggeber befriedigten sein Geltungsbedürfnis – und registrierten es penibel: „Diese Charaktereigenschaft des IMB kommt auch in der Erscheinung zum Ausdruck, daß er Aufzeichnungen, die er zur Berichterstattung benötigt, teilweise auf Heimcomputerauswürfen aufzeigt, um sich mit diesen Dingen aufzuwerten und aufzuzeigen, über welche Möglichkeiten – technische Spielereien – er verfügt.“

Die DDR-Geheimdienstler zahlten zwischen 1981 und 1986 etwa 20000 Westmark an ihren Mitarbeiter, und sie fragten sich, wo er das restliche Geld zum Leben hernahm. Im Juni 1987 bat Axel Höppner seine geheimen Freunde um einen Kredit von 5000 Mark, er wolle einen Trödelladen damit eröffnen. „Aus Sicherheitsgründen“ rückte die Stasi das Geld nicht heraus, und Höppner brach daraufhin den Kontakt ab. Wahrscheinlich hatte er andere Geldquellen aufgetan.

Axel Höppner war, schon als er in Augsburg vor dem Richter stand, schwer herzkrank. Im Tegeler Gefängnis erlitt er einen Herzinfarkt, die Gefängnissanitäter waren hilflos. Der Notarzt traf nach 40 Minuten in der Zelle ein. Er stellte für die Unterlagen den Tod des Häftlings fest.

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