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Wirtschaft: Axel Springer sagt Hallo in Hollywood

LOS ANGELES .Ein Mann steht auf einer Kufe eines Hubschraubers.

LOS ANGELES .Ein Mann steht auf einer Kufe eines Hubschraubers.50 Meter unter ihm ein großes Loch.Ringsum unwirtliche Wüstenlandschaft.Nach wenigen Sekunden läßt der Mann los, stürzt sich ins schwarze Nichts.Rund 100 Meter unterhalb der Erdoberfläche zieht er an der Reißleine seines Fallschirms.Erst hier ist der Durchmesser der Öffnung so groß, daß ihn der Ruck beim Öffnen des Gleitschirms nicht mehr gegen die Wände der Kaverne schleudert.Dann setzt Stuntman Dar Robinson doch noch unversehrt auf dem Boden des tiefsten natürlichen Lochs der Erde in der mexikanischen Sierra Madre auf.

Gary Benz, Chef und Gründer von GRB Entertainment, zeigt dieses Video Besuchern in seinem Büro in Hollywood immer wieder gerne.Er stand damals mit schlotternden Knien auf dem Boden der Kaverne und hat das Abenteuer seines besten Freundes gefilmt.Gary hat gerade die Mehrheit seines Unternehmens an eine Tochtergesellschaft des deutschen Axel Springer Verlags verkauft.Er ist 46 Jahre alt und braungebrannt, so wie es sich für einen Kalifornier gehört.Mit Stunt-Filmen über seinen Freund Dar Robinson, den wohl erfolgreichsten Stuntman Hollywoods, hat er seine TV-Karriere begonnen.Heute ist GRB Marktführer im boomenden "Reality-TV", immer noch eine der umstrittensten Entwicklungen des Fernsehens.

Von GRB kommen Serien wie "Inferno", in der Feuerwehrmänner Kinder aus verheerendem Feuer retten, oder "Storm Warning", in der Naturkatastrophen ganze Landstriche dem Erdboden gleichmachen.

GRB ist jetzt ein wichtiges Standbein in der jungen TV-Strategie des Traditionsverlages Springer.Es ist nach der Akquisition der Hamburger Schwarzkopff tv der zweite Kauf, seit Vorstandschef August Fischer die Losung ausgegeben hat, Springer müsse ein bedeutender Spieler in der TV-Industrie werden.

Aber nicht nur für die Sender im Einflußbereich des Springer-Großaktionärs Kirch soll produziert werden, sondern international.Darum auch der Blick nach Hollywood.

Der Konzern ist ein Nachzügler bei den elektronischen Medien.Frühere, eher planlos anmutende Ausflüge ins TV-Geschäft waren kaum von Erfolg gekrönt.Noch immer bestimmt die Druckerschwärze das Umsatzprofil.

Die dunklen Seiten des Reality-TV sind tabu, versichert Gary Benz.Wäre der Sprung in die Höhle danebengegangen, hätte er das Material nie gezeigt.Die Archive sind voll von schiefgegangenen Stunts, doch die sollen niemals auf Sendung gehen.Polizeiverfolgungen durch US-Großstädte? Der gnadenlos aus dem Hubschrauber gefilmte finale Todesschuß? Kein Thema: "Wir machen keine Schockumentationen", sagt Benz.Er will die Wissenschaft in den Vordergrund rücken.Hier hat sich GRB als größter unabhängiger Zulieferer des US-Senders Discovery Channel Renommee erarbeitet.Weltweit laufen GRB-Stücke erfolgreich, so auch bei Pro 7 in "Welt der Wunder".Ernsthafte Themen aus Wissenschaft und Natur in ansehnliche Filme umzuwandeln, das sei das Ziel.

Doch der TV-Markt ist hart.Immer mehr kleine TV-Sender bevölkern die Szene, oft mit minimalen Budgets ausgestattet.Gleichzeitig wird es teurer, gute Rechte zu kaufen und gute Autoren zu beschäftigen.Außerdem wird die Konkurrenz größer, in Deutschland etwa hat sich das aggressiv international expandierende ZDF bereits einen Spitzenruf bei Dokumentationen aller Art erworben und vermarktet dieses Know-how international.

Benz und sein Team bringen nun ihre Springer-Erfahrung ein und die internationalen Vertriebskanäle.Der Springer-Konzern liefert Ideen und Rechte aus den Printobjekten des Hauses.Das ist das Ziel des Springer-Chefs, der neidvoll auf große Medienkonkurrenz blickt, die schon längst die internationalen Verwertungsketten lückenlos geschlossen haben: von der Printveröffentlichung bis hin zur Multimedia-Veröffentlichung.Wenn alles nichts wird? Dafür hat GRB immer noch den Giftschrank: die Alltagsdramen, die echten Leichen und die sicheren Quoten.

AXEL POSTINETT ( HB)

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