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Landesmeiler. Mit der Übernahme ginge auch EnBWs Kernkraftwerk Philippsburg bei Karlsruhe in Landesbesitz über.

© dapd

Baden-Württemberg: Das Ländle kauft Atomkonzern zurück

Baden-Württemberg zahlt Frankreichs Stromkonzern EdF fast fünf Milliarden Euro für dessen 45 Prozent am Versorger EnBW. Was den EnBW-Kauf für Nachahmer spannend macht, ist der Umstand, dass er den Steuerzahler nicht belasten soll.

Berlin - Wirtschaftspolitiker aus Ländern und Kommunen dürften dieser Tage aufmerksam nach Stuttgart blicken, um dort ein Geschäft zu studieren, das in dieser Form wohl einmalig ist: Das Land Baden-Württemberg hat eine günstige Gelegenheit genutzt und dem französischen Stromkonzern Electricité de France (EdF) seinen Anteil an dem südwestdeutschen Energiekonzern EnBW abgekauft. Die eigens für den Zweck gegründete landeseigene Beteiligungsgesellschaft Neckarpri GmbH zahlt den Franzosen für deren 45,01 Prozent 41,50 Euro je Aktie – in der Summe 4,67 Milliarden Euro. Das teilte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) am Montag in Stuttgart mit.

EnBW entstand 1997 durch die Fusion zweier lokaler Versorger. Das Land hatte im Jahr 2000 seinen 25-Prozent-Anteil verkauft. Nun würde EnBW mit dem Land als Großaktionär fast komplett in Staatshand übergehen. Denn der zweite Großaktionär, der ebenfalls 45 Prozent hält, ist der Zweckverband der oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), der örtlichen Kommunen gehört. Kleine Anteile sind im Besitz anderer Stadtwerke, nur knapp zwei Prozent der Aktien befinden sich in Streubesitz. EnBW ist mit rund 15,5 Milliarden Euro Jahresumsatz und knapp 21 000 Mitarbeitern nach Eon, RWE und Vattenfall die Nummer vier auf dem Energiemarkt.

Der Schritt in Stuttgart passt auf den ersten Blick zu einer Entwicklung, die unter dem Stichwort „Rekommunalisierung“ seit zwei bis drei Jahren in Mode gekommen ist: Einige Länder und Gemeinden, die ihre Stadtwerke mit der Liberalisierung der Energiemärkte Anfang der 90er Jahre verkauft haben, erwerben diese nun in Teilen zurück – was in Teilen der Bevölkerung populär ist, da damit die Hoffnung auf fairere Energiepreise verbunden ist. Auch in Berlin wird dies im Zusammenhang mit der privatisierten Gasag und den Wasserbetrieben diskutiert.

Dieses Projekt im Südwesten ist nun mindestens drei Nummern größer als üblich und weckt somit noch größere Hoffnungen. So schrieb die Umweltschutzorganisation Greenpeace in einer ersten Bewertung von einer „glücklichen Befreiung aus einer atompolitischen Fesselung durch den französischen Stromkonzern“. Der Konzern erzeugt 57 Prozent des Stroms in Atomkraftwerken. Jetzt biete sich erstmals die Chance, einen der großen deutschen Energieversorger konsequent in Richtung erneuerbare Energien umzubauen, meinte Greenpeace.

Doch der erklärte Kernkraftfreund Mappus hat offenbar andere Pläne. Er will den Konzern nicht langfristig entwickeln, sondern „mittelfristig“ an der Börse verkaufen, womit EnBW unter die 30 größten notierten deutschen Unternehmen aufsteigen würde. „Unser Ziel ist, dass EnBW nach Daimler, Heidelberg Cement und SAP der vierte Dax-Konzern in Baden-Württemberg wird“, sagte er am Montag. Wann genau das sein könnte, ließ er offen. Als ausgeschlossen gilt aber, dass das noch vor der Landtagswahl am 27. März 2011 geschieht.

Was den EnBW-Kauf für Nachahmer spannend macht, ist der Umstand, dass er den Steuerzahler nicht belasten soll. Bei der Entwicklung des Modells ließ sich Mappus offenbar von der Investmentbank Morgan Stanley beraten. So will das Land bereits in der kommenden Woche eine „Baden-Württemberg-Anleihe“ in Höhe des Kaufpreises begeben, hieß es in Kreisen der Regierung. Die Zinskosten dafür sollen durch die zu erwartenden Dividendenzahlungen der EnBW mehr als ausgeglichen werden. Aus dem Investment sei folglich jedes Jahr ein Mehrwert zu erwarten, sagte Mappus. „Es ist ein guter Tag für unser Land“, bewertete er seinen Coup.

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