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Objekt der Deutschen Bahn: Arriva ist einer der großen Bahn- und Busbetreiber in Europa – hier ein Zug in Wales. Foto: Mauritius

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Wirtschaft: Bahn bereitet Bieterkampf um Arriva vor Staatskonzern will trotz hoher Schulden Milliarden für britischen Verkehrskonzern zahlen

Berlin - Die Deutsche Bahn steht kurz vor einem konkreten Angebot für den britischen Zugbetreiber Arriva. Dazu soll es in der kommenden Woche eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats geben, wie der Tagesspiegel am Freitag aus konzernnahen Kreisen erfuhr.

Berlin - Die Deutsche Bahn steht kurz vor einem konkreten Angebot für den britischen Zugbetreiber Arriva. Dazu soll es in der kommenden Woche eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats geben, wie der Tagesspiegel am Freitag aus konzernnahen Kreisen erfuhr. Dabei will sich der Vorstand des Staatskonzerns freie Hand für den Bieterkampf um das börsennotierte Unternehmen geben lassen. Der endgültige Preis, den die hoch verschuldete Bahn zahlen muss, könnte bei mehr als zwei Milliarden Euro liegen.

Die Bahn hat die Mitglieder des Aufsichtsrats in einer als vertraulich eingestuften Mail für kommenden Mittwoch zu einer Sitzung eingeladen. Einziger Tagesordnungspunkt ist das „Project Blue“, die Übernahme von Arriva. „Das Bieterverfahren beginnt jetzt“, hieß es in unternehmensnahen Kreisen. Der Vorstand werde erstmals Daten und Fakten auf den Tisch legen und erklären, was er sich von dem Zukauf verspricht und wie teuer er werden könnte. Die Bahn hat bislang nur ihr Interesse an Arriva bekundet, aber kein Angebot unterbreitet. „Wir werden nichts machen, was wirtschaftlich nicht sinnvoll ist“, hatte Vorstandschef Rüdiger Grube Ende März erklärt.

Eine mit dem Vorhaben vertraute Person sagte, vermutlich werde die Bahn zunächst nur gut eine Milliarde Euro bieten. Man wolle auf diese Weise verhindern, dass der Aktienkurs von Arriva im Zuge der Übernahmebemühungen weiter zulege. Die Papiere haben seit Jahresbeginn stark zugelegt, weil Arriva als interessantes Kaufobjekt gilt. Allein seit dem Einstieg der Bahn in das Bieterrennen ist der Kurs um 30 Prozent gestiegen. Derzeit wird das Unternehmen in London mit rund 1,7 Milliarden Euro bewertet. Als weiterer möglicher Bieter gilt Frankreichs Staatsbahn SNCF. Sie hatte Anfang März zwar Gespräche mit Arriva ohne Ergebnis abgebrochen, soll aber mittlerweile trotz milliardenschwerer Verluste wieder im Rennen sein.

Arriva gilt als interessant, weil es zum einen Marktführer in Großbritannien und zum anderen in Privatbesitz ist. Die Deutsche Bahn würde mit einem Kauf ihre Position in Europa deutlich verbessern. Bahn-Chef Grube glaubt, dass es bald nur noch fünf bis sechs große Verkehrsanbieter auf dem Kontinent geben wird. „Dann kann man theoretisch von der Insel aus durch den Kanaltunnel bis nach China durchfahren“, beschrieb ein Kenner des Projekts den strategischen Vorteil einer Übernahme.

Die Briten betreiben in zwölf Ländern Europas Busse und Bahnen. 2009 kam das Unternehmen mit rund 44 000 Beschäftigten auf mehr als drei Milliarden Euro Umsatz. In Deutschland ist Arriva einer der größten Bahn-Konkurrenten im Regionalverkehr. Vermutlich müsste die Bahn aus kartellrechtlichen Gründen Teile des Deutschland-Geschäfts von Arriva verkaufen, wenn sie zum Zuge käme.

Den Bahn-Managern ist aber klar, dass Arriva nicht zum Schnäppchenpreis zu haben sein wird. „Am Ende dürfte der Preis bei 2,1 oder 2,2 Milliarden Euro liegen“, hieß es. Damit würde die Bahn ihre Verschuldung, die sie gerade erst auf 15 Milliarden Euro gedrückt hat, wieder deutlich erhöhen. Grube hatte allerdings Ende März erklärt, dies sei angesichts der Vorteile eines Kaufs zu verschmerzen.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) steht hinter Grube. Er hatte zuletzt mehrfach unterstrichen, dass die Bahn die Chance auf Zukäufe im Ausland nutzen müsse. Man könne nicht tatenlos zusehen, wenn sich andere die Märkte aufteilten – sie dürfe aber nicht den Heimatmarkt vernachlässigen, hatte er gesagt.

In der Politik gilt der Arriva-Kauf gleichwohl als umstritten. Die FDP ist noch nicht überzeugt und verlangt, dass der Eigentümer Bund der Bahn zunächst eine Gesamtstrategie vorgeben muss, bevor sie auf Einkaufstour geht. Die Opposition lehnt den Schritt mit Verweis auf die Probleme der Bahn in den vergangenen Monaten ab. Vor allem das Desaster bei der S-Bahn Berlin und die häufigen Ausfälle von ICE-Zügen im Winter hatten das Unternehmen viel Geld gekostet und dem Image geschadet.

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