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Wirtschaft: Bahn stürzt in Führungskrise

Nach miserablen Zahlen berät der Aufsichtsrat heute über Konsequenzen – zwei Topmanager stehen auf der Kippe

Berlin (brö/hop). Wegen der schlechten Lage der Deutschen Bahn AG wird der Aufsichtsrat des Unternehmens am Dienstag über personelle Konsequenzen für das Management beraten. „Es geht um einiges“, hieß es am Montag in Kreisen des Kontrollgremiums. Denkbar sei die Entlassung zweier Vorstandsmitglieder, die für das neue Preissystem verantwortlich zeichnen. Bahnchef Hartmut Mehdorn selbst stehe aber nicht zur Disposition. Derweil dringen die Gewerkschaften darauf, den Staatskonzern nicht wie bislang geplant an die Börse zu bringen.

In seiner turnusgemäßen Sitzung will der Aufsichtsrat vor allem über die Ursachen des Umsatzeinbruchs im Fernverkehr in den ersten Monaten dieses Jahres beraten. Von Januar bis Ende März wies der Konzern insgesamt einen Betriebsverlust nach Zinsen von 185 Millionen Euro aus. Damit liegt das Unternehmen deutlich unter seinen eigenen Planzahlen: Eigentlich hatte die Bahn im gesamten Jahr den Verlust auf 200 Millionen Euro begrenzen wollen.

Grund für diese Misere ist vor allem die schlechte Geschäftsentwicklung im Fernverkehr. Diese Sparte allein hat nach TagesspiegelInformationen im ersten Quartal mehr als 130 Millionen Euro verloren. Dafür machen Politiker mehrerer Parteien, Fahrgast- und Umweltverbände sowie Verkehrsexperten in erster Linie das neue Preissystem verantwortlich, das seit Mitte Dezember vergangenen Jahres gilt. „Der Vorstand wird nicht darum herumkommen, über die Schuldfrage zu diskutieren“, hieß es in Unternehmenskreisen. Die Vertreter des Bundes würden „ein paar dringende Fragen“ an das Management richten und Änderungen in der Preispolitik verlangen. Der Bund fordert vom Konzern eine höhere Kundenzufriedenheit und bessere Umsatzzahlen.

Wie das „Manager Magazin“ berichtet, ist die Entlassung zweier Bahn-Manager bereits beschlossene Sache. Christoph Franz, Chef der Bahn-Konzernsparte Personenverkehr, und Hans-Gustav Koch, der Marketingvorstand dieses Ressorts, müssten gehen, berichtet das Blatt. Beide waren an Vorbereitung und Einführung des Preissystems maßgeblich beteiligt und hatten stets versichert, die Bahn damit zu einem modernen Unternehmen umzubauen und zugleich Bahnfahren für Millionen Menschen einfacher und preiswerter zu machen. Die Kunden meiden seit Einführung der neuen Tarife jedoch die Züge, vor allem im Fernverkehr, in dem die Bahn nahezu ein Monopol besitzt. Die Bahn machte für die Umsatzausfälle die flaue Konjunktur und das schlechte Wetter verantwortlich. Im Nahverkehr, für den das neue Preissystem nicht gilt, hatte es im ersten Quartal allerdings trotz schärferer Konkurrenz ein leichtes Plus gegeben, erfuhr diese Zeitung, ebenso im Bereich Güterverkehr.

Bahnchef Hartmut Mehdorn selbst muss sich indes Kreisen zufolge keine Sorgen um seinen Job machen. Für den Manager, der seit Ende 1999 den Konzern führt, gebe es derzeit keinen adäquaten Ersatz, sagte ein Insider. Zudem wolle der Eigentümer Bund eine Personaldiskussion wie im vergangenen Jahr verhindern, als die Regierung Telekom-Chef Ron Sommer wegen des Kursverfalls der Aktie schasste. Mehdorn genieße derzeit noch das Vertrauen von Kanzler Schröder.

Kritik an seiner Strategie haben dagegen erneut die Gewerkschaften geäußert. Über „Kahlschlag beim Personal, die Verbesserung des Service und den geplanten Börsengang“ wollen die Gewerkschaften heute bei einem Treffen mit Mehdorn reden, sagte Norbert Hansen, Vorsitzender der Bahn-Gewerkschaften Transnet. Das aktuelle Minus im Personenverkehr sei „beängstigend“ und eine Folge von Personalabbau und Servicemängeln. Der laut Transnet vorgesehene Abbau von weiteren 37 000 Stellen sei „nicht zu vertreten“. Zum Vorhaben, die Bahn demnächst an die Börse zu bringen, sagte Hansen, das Unternehmen dürfe nicht „zur Sanierung der Staatsfinanzen geopfert werden“. Hintergrund ist die Furcht der Gewerkschaften, bei einem Gang an die Börse politischen Einfluss auf die Konzernpolitik zu verlieren. Außerdem müsste in diesem Fall ein härterer Sanierungskurs eingeschlagen werden.

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