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Wirtschaft: Banker und Grüne fürchten um die Währungsunion

Nach dem Beschluss von Brüssel wird eine Verschärfung des Stabilitätspakts gefordert / Bundesrechnungshof sieht noch Sparpotenzial

Berlin (asi/fw/brö). Der Beschluss der EUFinanzminister in Brüssel gegen die Sparauflagen der Kommission hat am Dienstag eine Debatte um die Reform des Stabilitätspaktes ausgelöst. Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Antje Hermenau, forderte eine Verschärfung des europäischen Stabilitätspakts. Die Entscheidung der EU-Finanzminister, das Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich auszusetzen, sei „nur akzeptabel, wenn der Pakt jetzt verschärft wird“, sagte sie dem Tagesspiegel. Der Kurs des Euro nahm am Dienstag keinen Schaden – langfristig befürchten Experten jedoch einen Glaubwürdigleitsverlust der Gemeinschaftswährung.

Die Finanzminister der europäischen Länder forderte Hermenau auf, eine „klare und eindeutige Vereinbarung“ darüber zu treffen, ab welchem Wirtschaftswachstum die EU-Länder welche Konsolidierungsschritte einzuleiten hätten. „Nachsicht in schlechten Zeiten ist nur erlaubt, wenn in guten Zeiten hartes Sparen erzwungen wird“, forderte sie. Eine solche Vereinbarung halte sie für „zwingend, weil es ein großes Misstrauen der Menschen gibt, nämlich dass Politiker in konjunkturell guten Zeiten nicht wirklich bereit sind zu konsolidieren“.

Die Finanzminister der Europäischen Union haben sich am Dienstag gegen eine Empfehlung der EU-Kommission ausgesprochen, die Frankreich und Deutschland verstärkt zum Sparen gezwungen hätte. Demnach hätte Bundesfinanzminister Hans Eichel sechs Milliarden Euro zusätzlich einsparen müssen. Das hält Eichel für nicht machbar. Der Stabilitätspakt schreibt vor, die jährliche Neuverschuldung unter drei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu halten. Deutschland und Frankreich verstoßen seit zwei Jahren gegen die Regeln und werden auch 2004 gegen den Pakt verstoßen.

Die Entscheidung der Finanzminister vom Dienstag bezeichnete Hermenau als „Startschuss für eine Debatte, die den Stabilitätspakt besser und praktikabler machen kann“.

Mit Blick auf den Vermittlungsausschuss von Bundestag und -rat forderte die Grünen-Haushälterin: „Alle von der Regierung vorgelegten Einsparungen müssen in der Summe erbracht werden.“ Sonst könne das Versprechen von Finanzminister Hans Eichel (SPD) in Brüssel, im Jahr 2004 das strukturelle Defizit wenigstens um 0,6 Prozentpunkte zu senken, „nicht erbracht werden“. Die Kommission hatte Einsparungen von 0,8 Prozentpunkten verlangt.

Der Bundesrechnungshof attestierte Finanzminister Eichel am Dienstag, er könne mindestens drei Milliarden im Etat sparen, wenn unnötige Ausgaben gestrichen und Steuern konsequent eingetrieben würden. Kritik übte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels insbesondere daran, dass der Bund die Verwendung von Zuwendungen zu wenig prüfe. Sie fließen in einer Größenordnung von mehr als 20 Milliarden Euro zum Beispiel an Forschungsinstitute und soziale Einrichtungen. Nach Ansicht der obersten Rechnungsprüfer steckt Finanzminister Eichel mit seinem Haushalt in der Klemme. „Mit 38 Milliarden Euro an Zinsausgaben ist der Bundeshaushalt längst in die Schuldenfalle geraten“, sagte Engels.

Experten sehen nun langfristig eine Gefahr für den Euro. „Wenn das französisch-deutsche Verhalten sich als Präzedenzfall für die anderen Mitgliedstaaten der Währungsunion erweist, gibt es eine reale Gefahr für die Stabilität des Euro“, sagte Martin Hüfner, Chefvolkswirt der Hypo-Vereinsbank, dem Tagesspiegel. Würden sich die Staaten der Eurozone nicht an gemeinsame haushaltspolitische Regeln halten, würden die Investoren ihr Vertrauen in die Währung verlieren. „Wenn die Staaten weiterhin so lässig mit dem Regelwerk umgehen, dann gibt es die Gefahr, dass die Währungsunion bricht“, sagte Hüfner. Kurzfristig gebe es allerdings keine Gefahr für die Stabilität der europäischen Währung.

Udo Ludwig, Konjunkturchef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), nannte das Verhandlungsergebnis „ein Nagel zum Sarg des Stabilitätspaktes.“ Die Finanzminister und die Kommission hätten sich darauf einigen sollen, erst dann verstärkt zu sparen, wenn der Aufschwung in Deutschland an Kraft gewonnen habe. „Man hätte die Konsolidierung ab Mitte 2004 beginnen können, ohne dass der Pakt einen derartigen Schaden genommen hätte“, sagte Ludwig. Einen Verfall des Euro-Wechselkurses erwartet er vorerst nicht. „Die Märkte haben bereits einkalkuliert, dass die Politik so undiszipliniert mit den Defizitregeln umgehen würde“, sagte er. Der Euro-Referenzkurs wurde am Dienstag bei 1,1766 Dollar festgestellt, etwas niedriger als am Vortag. Genauso wie die Europäische Zentralbank stärkte auch die Bundesbank der EU-Kommission den Rücken. Die strikte Einhaltung der Haushaltsregeln seien ein Kernelement der Wirtschafts- und Währungsunion, sagte der Vizepräsident der Bundesbank, Jürgen Stark.

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