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Die Skyline des Bankenviertels in Frankfurt am Main. Am Himmel hängen graue Wolken.

© dpa

Barnier: Brüssel soll über Bankenabwicklung entscheiden

EU-Kommissar Michel Barnier hat seine Pläne für die Bankenabwicklung vorgelegt. Ob ein Institut schließen muss, soll künftig die EU entscheiden - die Bundesregierung ist dagegen.

Es ist ein Streit mit Ansage: Seit Monaten prallen die unterschiedlichen Sichtweisen hinsichtlich weiterer Schritte auf dem Weg in eine Bankenunion aufeinander. Entsprechend laut sind die Reaktionen am Mittwoch gewesen, nachdem der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier seine Gesetzespläne für ein neues System zur Sanierung oder Schließung maroder Geldinstitute vorgestellt hat. Die härteste Kritik kommt aus der Bundesregierung sowie der deutschen Kreditwirtschaft. Beide betonen, die Bankenunion zu wollen, sehen aber in Barniers Vorschlägen eine Kompetenzüberschreitung der europäischen Ebene.

In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Pleite von Banken Auswirkungen nicht nur auf das jeweilige Land haben kann, sondern auch auf die ganze Eurozone, die mit Rettungskrediten die angeschlagenen Staatshaushalte finanzieren musste. Der EU-Gipfel im Dezember vergangenen Jahres beschloss daher, dass es nicht nur eine einheitliche Bankenaufsicht für die Eurozone braucht, sondern auch gemeinsame Strukturen zur Abwicklung von Pleitebanken. Die Aufsicht ist bereits Gesetz und soll im Sommer 2014 die Arbeit aufnehmen. Für den einheitlichen Abwicklungsmechanismus, den „Single Resolution Mechanism“ (SRM), hat Kommissar Barnier mit seinem Vorschlag nun den europäischen Gesetzgebungsprozess eingeleitet. Eine Mehrheit der EU-Staaten sowie das Europaparlament müssen noch zustimmen.

DAS ABWICKLUNGSGREMIUM

Die Brüsseler Pläne sehen eine neue Abwicklungsbehörde mit bis zu 300 Mitarbeitern vor. Ihre Aufgabe wäre es, die Notfallpläne mit den Banken auszuarbeiten und aktuell zu halten sowie im Ernstfall Gegenmaßnahmen vorzuschlagen – vom Wechsel des Managements über den Verkauf einzelner Sparten bis hin zur Schließung des Instituts. An der Spitze der Behörde stünde ein Aufsichtsgremium, das die politische Verantwortung trüge. Dorthin würde jeder Staat einen Vertreter seiner zuständigen Behörde entsenden – in Deutschland ist das die Bafin. Einen Sitz hätten auch die EZB als Aufsichtsorgan, das Probleme melden muss, sowie die EU-Kommission. Die EU-Staaten würden einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter bestimmen.

WER ENTSCHEIDET

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass sie selbst das letzte Wort in der Frage erhält, ob eine Krisenbank geschlossen wird oder nicht. Das geht der Bundesregierung zu weit. Die Brüsseler Behörde überschreite ihre Kompetenzen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Barnier argumentiert dagegen, wer die Bankenunion wolle, müsse laut EU-Vertrag einer europäischen Institution die Entscheidungsbefugnis geben. Welche dies am Ende werde, entscheide der Gesetzgeber: Er, Barnier, halte jedoch die Wahl der EU-Kommission „aufgrund ihrer Erfahrung und der Fähigkeit, schnell zu handeln, für angemessen“.

DIE ROLLE DER LÄNDER

Bisher liegt die Entscheidungsgewalt bei den Nationalstaaten. Künftig würde die EU-Kommission entscheiden – allerdings ging es nach Brüsseler Lesart eher darum, formal die Empfehlung des Aufsichtsgremiums umzusetzen, in dem ja die Mitgliedstaaten vertreten sind. Barniers Sprecherin ergänzt, es sei „extrem unwahrscheinlich, dass sich die Kommission über die Empfehlung des Aufsichtsgremiums hinwegsetzt“.

Der Bundesregierung reicht jedoch auch diese Zusicherung nicht. „Das Problem ist, dass kein Mitgliedsland ein explizites Vetorecht hat“, sagte ein EU-Diplomat. In der Theorie könnte also die Deutsche Bank gegen den Willen der deutschen Behörden abgewickelt werden. Für solche Entscheidungen gebe es „keine ausreichende demokratische Legitimierung“, kritisierte Karl-Peter Schackmann-Fallis vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband im Namen der gesamten deutschen Kreditwirtschaft.

STREIT UM DIE EU-VERTRÄGE

Nach Ansicht der Bundesregierung müssen für Barniers Pläne die EU-Verträge geändert werden. Die EU-Kommission glaubt das nicht. Artikel 114 der EU-Verträge, der Binnenmarktfragen betrifft, reiche aus. Während die Bundesregierung, so ein EU-Diplomat, „die Budgethoheit ausgehebelt“ sieht, betont die Brüsseler Behörde, dass sie auch nach Annahme ihres Vorschlags keine haushaltsrelevanten Entscheidungen treffen dürfe. Wenn der Beitrag der Eigner, Gläubiger und des Abwicklungsfonds nicht reichten, müsse die jeweilige Regierung dem zustimmen.

Der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen sieht die deutschen Vorbehalte daher gebührend gewürdigt: „Nach den Vorschlägen von EU-Kommissar Michel Barnier liegt die letzte Verantwortung für die Umsetzung bei den nationalen Aufsichtsbehörden, so dass die rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer erforderlichen Vertragsänderung möglicherweise ausgeräumt werden könnten.“

DER ABWICKLUNGSFONDS

Aufsichtsgremium und EU-Kommission sollen auch auf einen europäischen Abwicklungsfonds zurückgreifen können. Der würde aus allen nationalen Fonds dieser Art gebildet und muss von den Banken innerhalb von zehn Jahren gefüllt werden. Die Zielmarke liegt bei einem Prozent aller gesicherten Spareinlagen in der Eurozone. Dies entspräche zwischen 60 und 70 Milliarden Euro. Auch dieses Vorhaben stößt auf Kritik. „Es ist für uns indiskutabel“, teilte der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, Gunter Dunkel, mit, „wenn die von den deutschen Kreditinstituten geleisteten Beiträge für die Rettung von Banken aus anderen Mitgliedstaaten herangezogen werden.“ Das freilich ist das Prinzip der Bankenunion, das die deutsche Kreditwirtschaft zu unterstützen behauptet: „Wir befürworten ein engeres Zusammenrücken in der Europäischen Union.“

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