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Wirtschaft: Barroso kommt Schröder entgegen

Kommissionspräsident will über Ausnahmen bei der Dienstleistungsrichtlinie nachdenken

Brüssel - Bundeskanzler Gerhard Schröder hat für seine Änderungswünsche an der geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie bei Kommissionspräsident José Manuel Barroso offenbar ein offenes Ohr gefunden. Nach einem Gespräch mit Schröder in Brüssel erklärte Barroso am Dienstagabend, dass die EU-Kommission zwar am Herzstück ihres Vorschlags, dem Herkunftslandprinzip, festhalten werde. Sie sei aber bereit, über Ausnahmen nachzudenken. „Ich bin sehr froh, dass die EU-Kommission über ihre Pläne mit sich reden lassen will“, sagte Schröder.

Man sei sich zwar generell einig, dass der EU-Binnenmarkt nicht nur für Güter, sondern auch für Dienstleistungen gelten müsse. „Es geht aber auch darum, die davon Betroffenen vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen“, betonte Schröder. Als besonders heikel bezeichnete er die grenzüberschreitende Liberalisierung in den Gesundheitsdiensten, den kommunalen Dienstleistungen und im Bausektor. Endgültige Entscheidungen werden aber vermutlich nicht mehr in diesem Jahr fallen. „Wir sind nicht in Eile“, sagte Schröder.

Unterdessen nimmt der Widerstand gegen die Pläne der Kommission auch außerhalb Deutschlands zu. Die Bundesregierung stehe mit ihrer Kritik an der gegenwärtigen Form der Dienstleistungsrichtlinie nicht allein da, heißt es aus Berliner Regierungskreisen. Nahezu alle EU-Staaten hätten Änderungswünsche.

Sollte die Richtlinie in Kraft treten, dann können auch Architekten, Handwerker oder auch Pfleger aus anderen EU-Mitgliedstaaten ihre Dienste auf dem deutschen Markt anbieten – und zwar nach ihren heimischen Berufsregeln und Vorschriften. Das würde ihnen die aufwändigen Genehmigungsverfahren im Gastland ersparen. Die Kommission erwartet durch die Liberalisierung die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Erst vor wenigen Tagen vollzog Schröder, der sich früher für die Öffnung des EU-Dienstleistungsmarkts ausgesprochen hatte, eine Kehrtwende und kritisierte die Pläne als „unausgegoren“. Gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac werde er verhindern, dass die EU-Richtlinie in der derzeitigen Form beschlossen werde. Die deutsche Wirtschaft hat auf die Brüsseler Pläne gepalten reagiert: Unternehmer und Einzelhändler sind für eine Liberalisierung. Dagegen lehnen die Gewerkschaften und linke Gruppierungen in der SPD, aber auch das Handwerk und die freien Berufe die Brüsseler Pläne ab.

In Brüssel wehrt sich Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy gegen die Kritik. So könne von „Dumpinglöhnen“ nicht die Rede sein, weil die EU-Entsenderichtlinie genau dies verhindere. Auch die Befürchtung, ein Kunde müsse bei Reklamationen sein Recht im Herkunftsland des Dienstleisters suchen, sei unbegründet. Die Verbraucherverträge in der EU fallen nämlich nicht unter das Herkunftslandsprinzip. Jeder kann somit vor den heimischen Gerichten klagen. Die Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand kostenlos zur Verfügung gestellt werden – von Schulen bis zu Sozialdiensten –, sind durch die Richtlinie ohnehin nicht betroffen.

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