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Allein auf weiter Flur. Die Weiden sind überschwemmt, Tiere müssen gerettet werden, das Getreide verfault auf den Feldern, Futtermittel werden knapp. Die Flut setzt den Bauern schwer zu.

© dpa

Bauern ziehen erste Hochwasser-Bilanz: Ackerland unter

Die Flut setzt den Bauern in Deutschland zu. Ernten fallen aus, das Viehfutter wird knapp. Der geschätzte Schaden beträgt mehrere hundert Millionen Euro. Und gegen die Flutschäden versichert sind nur die wenigsten der Landwirte.

Wenn es um die Hilfsbereitschaft der Bauern geht, kommt Helmut Born ins Schwärmen. In Sachsen-Anhalt, wo man sich mit einigen Tagen Vorlauf auf die Flut vorbereiten konnte, hätten Landwirte ihre Milchkuhherden bei Kollegen in geschützter Lage unterbringen können, berichtet der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands. In Bayern, als schnellere Hilfe gefragt war, hätten Nachbarn einen Sandsackring um 850 Kühe gezogen und die Tiere so vor der Flut gerettet. Aus dem ganzen Bundesgebiet spendeten Bauern Geld für ihre Kollegen. Doch Nachbarschaftshilfe hin und Spendenkonto her – jetzt muss der Staat ran, fordert der Bauernverband.

Auf 290 bis 345 Millionen Euro schätzen die Bauernvertreter die Schäden, die dem Berufsstand allein durch das Hochwasser entstehen werden. 150.000 Hektar Ackerflächen und Weiden stehen entweder noch unter Wasser oder waren bereits überschwemmt – besonders betroffen sind Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern, hat der Bauernverband von seinen Vertretern vor Ort erfahren.

Am Ende der Katastrophe dürften 240.000 bis 270.000 Hektar betroffen sein, schätzt der Verband. Allein die damit verbundenen Ernteausfälle schlagen bei den 15.000 bis 18.000 betroffenen Betrieben nach Berechnungen des Bauernverbands mit 240 bis 270 Millionen Euro zu Buche. Hinzu kommen 500 Betriebsstätten, bei denen die braune Brühe bis in den Stall oder ins Wohnhaus schwappt, macht weitere 50 bis 75 Millionen Euro Schaden.

Kaum ein Bauer ist gegen die Flutschäden versichert

Fauliges Gras, das nicht mehr als Futter für die Tiere taugt, verrottetes Getreide, matschige Kartoffeln – die Schäden betreffen gleichermaßen Acker- wie Gemüsebauern und die Viehhalter. „Die Landwirte sind erheblich betroffen“, sagte Helmut Born am Freitag in Berlin bei einer ersten Schadensbilanz.

Eine Versicherung gegen Überschwemmungen hat kaum ein Bauer. Um den Landwirten zu helfen, fordert der Bauernverband daher Hilfe vom Staat. Erste Gelder fließen bereits aus dem Sofortprogramm, das Bund und Länder auf die Beine gestellt haben. 100 Millionen Euro gibt allein der Bund.

Das Geld kann jeder beantragen: Bürger, deren Haus vollgelaufen ist, genauso wie Unternehmen, die ihre Produktion einstellen müssen, oder Landwirte, auf deren Feldern statt Zuckerrüben oder Mais jetzt nur noch Müllberge wachsen. Neben der Soforthilfe bekommen die Landwirte auch günstige Kredite von der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Doch das, meint der Bauernverband, reicht nicht.

„Wir brauchen ein Wiederaufbauprogramm“, fordert Born. 200 Millionen Euro seien „mindestens“ nötig. Die Hilfe müsse „unbürokratisch“ fließen und individuell festgelegt werden. Das Geld soll vom Bund, den Bundesländern und der EU kommen.

Brandenburg ist noch nicht in der Schätzung enthalten

Im Bundeslandwirtschaftsministerium zeigt man sich offen für eine weitere Unterstützung. „Die Soforthilfe kann nur ein erster Schritt gewesen sein, dem weitere folgen müssen“, sagte Ministeriumssprecher Holger Eichele dem Tagesspiegel. „In Anbetracht der immensen Schäden ist es selbstverständlich, dass wir die betroffenen Landwirte nicht alleinlassen werden.“ Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat bereits mit ihren Amtskollegen in Wien und Prag telefoniert sowie mit EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, um über mögliche europäische Hilfen zu diskutieren. „Was die Hilfen für deutsche Landwirte betrifft, stehen wir auch in engem Kontakt mit den Bauernverbänden“, betonte Eichele.

Aigner hatte am Donnerstagabend eine erste Schadensschätzung vorgelegt, in der nicht nur die Hochwasserschäden, sondern auch die Verwüstungen durch Starkregen enthalten sind. Darin kommt das Ministerium auf 173 Millionen Euro, allerdings ist Brandenburg in der Aufstellung noch nicht enthalten. „Der Betrag wird noch steigen“, räumte Aigner selbst ein.

Erdbeerfelder unter Wasser, leere Hotels an der Elbe, Versicherer in Sorge – was die Flut für die Wirtschaft bedeutet, lesen Sie in der Sonntagsausgabe.

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