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Wirtschaft: Bayer leidet weiter unter Lipobay-Skandal

Auch die Konsumflaute drückt den Gewinn überraschend stark – wenig Aussicht auf eine rasche Erholung

Düsseldorf (tas). Nach einem überraschend deutlichen Gewinneinbruch im zweiten Quartal dieses Jahres hat der Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern Bayer die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Erholung in den nächsten Monaten begraben.

„Wir können keine Anzeichen für einen spürbaren Aufschwung noch in diesem Jahr erkennen“, sagte Bayer-Vorstandschef Werner Wenning am Donnerstag. Die anhaltende wirtschaftliche Flaute, eine schwache Nachfrage und Umsatzausfälle durch die Rücknahme des Cholesterinsenkers Lipobay, der mit rund 100 Todesfällen in Verbindung gebracht wird, verhagelten dem Unternehmens bisher die Geschäfte.

Nachdem Bayer bereits im ersten Quartal enttäuschte, mussten die Leverkusener in den Monaten April bis Juni 2002 einen weiteren deutlichen Gewinneinbruch hinnehmen. Vor Sonderposten reduzierte sich das Ergebnis zwischen April und Juni um mehr als 40 Prozent auf 318 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dementsprechend sank der Gewinn je Aktie von 77 auf 40 Cent. Auch der Umsatz im fortlaufenden Geschäft reduzierte sich um fast sieben Prozent auf 7,3 Milliarden Euro.

Auf Grund der bereits erzielten und noch zu erwartenden Veräußerungserlöse werde trotz der schlechten Konjunkturaussichten aber ein höherer Konzerngewinn erwartet als im Vorjahr, teilte Bayer weiter mit. So soll allein der Verkauf des Duftstoffherstellers Haarmann & Reimer an den Finanzinvestor EQT knapp 1,7 Milliarden Euro in die Bayer-Kasse spülen.

Die Bayer-Zahlen bewegten die Märkte zunächst kaum, bis zum Börsenschluss brach der Kurs aber doch noch um 5,75 Prozent auf 23,75 Euro ein. Die meisten Analysten waren von dem Ergebnis des Pharmakonzerns negativ überrascht worden. Das Quartalsergebnis sei in der Berichtssaison die bisher größte Enttäuschung des europäischen und US-Chemiesektors, teilte die Investmentbank Morgan Stanley mit. Bei der WestLB Panmure steht die neutrale Bewertung von Bayer auf der Kippe. „Das Gesamtszenario hat sich weiter verdüstert“, sagte WestLB-Analyst Andreas Theisen. Vor allem die Ergebnisse bei Gesundheit, Landwirtschaft und Chemie hätten die Erwartungen nicht erfüllt. Theisen kündigte an, dass die Gewinnschätzungen wahrscheinlich erheblich reduziert werden müssten.

Besonders in ihrer bedeutendsten Region Europa musste die Bayer AG kräftige Ertragseinbußen hinnehmen. Hier verzeichnete das Unternehmen im zweiten Quartal einen Gewinneinbruch (vor Sonderposten) von mehr als 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotz des Lipobay-Skandals konnte Bayer in Nordamerika aber die Verlustzone verlassen und legte ein Ergebnis vor Sonderposten von 103 Millionen Euro vor.

Bayer-Chef Werner Wenning bezeichnete 2002 als ein Jahr des Übergangs, in dem die Voraussetzungen für künftiges Wachstum geschaffen würden. „Hohe Priorität haben für uns die Neustrukturierung des Konzerns sowie Maßnahmen, um das Healthcare-Geschäft wieder auf eine bessere Basis zu stellen.“ Gerade der zur neuen Gesundheitssparte gehörende Pharmabereich hatte den Konzern im vergangenen Jahr ins Wanken gebracht. Durch die Rücknahme des Cholesterinsenkers Lipobay und den Schwierigkeiten um das Blutermedikament Kogenate gingen Bayer hohe Umsatz- und Gewinnbeträge verloren. Dies setzte sich auch im zweiten Quartal 2002 fort. Die Pharma-Erlöse reduzierten sich um rund 23 Prozent auf knapp 1,2 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Nicht besser schnitten die anderen Bayer-Sparten ab. Im Pflanzenschutzgeschäft, in das erstmals die kürzlich übernommene Aventis Crop Science einbezogen wurde, sank der Gewinn vor Sonderposten von 162 auf 20 Millionen Euro. Und auch in den Arbeitsgebieten Polymere (Kunststoffe) und Chemie gingen die Renditen deutlich zurück.

Ein weiterer Dämpfer für die Pharmasparte kommt aus den USA. Dort wird sich der Verkauf der neuen Potenzpille Vardenafil bis ins nächste Jahr hinein verzögern. Das Bayer-Management hatte eigentlich schon für Herbst damit gerechnet, eine Genehmigung der US-Gesundheitsbehörde FDA zu erhalten und damit der gesamten Pharmasparte neuen Schwung zu geben. Doch die erwartet noch weitere Studien über das Medikament. Bisher ist der US-Konzern Pfizer mit Viagra alleiniger Marktführer, mit einem geschätzten Umsatz in diesem Jahr von 1, 7 Milliarden Dollar. Bayer selbst rechnet damit, dass Vardenafil in einigen Jahren einen Umsatz von einer Milliarde Euro erzielen kann. Der Konzern setzt darauf, dass Vardenafil weniger Nebenwirkungen als Viagra hat. Mit dem Pfizer-Mittel werden immer wieder Todesfälle in Verbindung gebracht.

Um die Vermarktungschancen für Vardenafil zu erhöhen, ist Bayer eine Kooperation mit dem zweitgrößten Pharmakonzern der Welt, Glaxo Smithkline, eingegangen. Beide Konzerne vermarkten das Potenzmittel bis auf Japan weltweit gemeinsam und teilen sich Gewinne und Kosten. Um die Pharmasparte weiter auf guten Kurs zu bringen, strebt der Bayer-Konzern zusätzliche Kooperationen an.

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