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Øystein Løseth, ein Norweger, muss den schwedischen Staatskonzern sanieren.

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Vattenfall prüft Rückzug aus Deutschland: Befriedung der schwedischen Seele

Vattenfall schreibt fossile Kraftwerke in Deutschland und Holland ab – und sucht Investoren oder Käufer. Damit leitet der schwedische Konzern seinen Rückzug aus Mitteleuropa ein - offenbar auf Druck der schwedischen Öffentlichkeit.

Gemessen an den Rahmenbedingungen, unter denen alle traditionellen Energieversorger leiden, lief das erste Halbjahr nicht schlecht für den schwedischen Staatskonzern Vattenfall. Er verkaufte mehr Strom und kam beim Stellenabbau voran. Operativ verdiente Vattenfall 3,3 Prozent mehr als im Vorjahreshalbjahr: Knapp 17 Milliarden Kronen (zwei Milliarden Euro). Zugleich schrieb das Management aber Werte im Volumen von rund 3,5 Milliarden Euro ab. Dahinter stecken vor allem Gas- und Steinkohlekraftwerke in den Niederlanden und Hamburg (Moorburg). Die Zentrale in Stockholm zieht – offenbar auf Druck des schwedischen Staates – die Notbremse und leitet das Ende der vor rund 15 Jahren begonnen Expansionsstrategie ein.

Vattenfall-Chef Øystein Løseth verkündete am Dienstag, dass sich der Konzern ab Januar 2014 in zwei Einheiten aufspalten wird: Eine für Skandinavien, wo Vattenfall viel Strom aus Wasserkraft erzeugt und es in der Bevölkerung auch keine großen Vorbehalte gegen Kernkraft gibt, und eine zweite Einheit für Kontinentaleuropa und Großbritannien. Darin werden unter Führung des Vattenfall- Deutschland-Chefs Tuomo Hatakka die Märkte gebündelt, in denen Vattenfall über Jahre zwar gutes Geld verdient hat, wo aber ein Ausbau der erneuerbaren Energien die Strompreise (im Großhandel) immer weiter drückt. Man glaube nicht, dass sich die Strompreise auf absehbare Zeit erholen werden, erklärte Vattenfalls Finanzchefin Ingrid Bonde in einer Telefonkonferenz.

Vattenfalls Braunkohlekraftwerkspark im Brandenburgischen Jänschwalde zählt zu den größten Schadstoffemittenten Europas - sehr zum Unmut der Schwedischen Bevölkerung.

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Daher kommt es also zunächst zur Spaltung und dann gegebenenfalls zum Einstieg oder dem Komplettverkauf von Geschäftsteilen oder ganzen Landesgesellschaften an strategische oder institutionelle Investoren, wie Løseth in Aussicht stellte. Er gab zu, dass die Spaltung zunächst Geld koste. „Es wird neue Doppelstrategien geben, aber das ist nicht maßgeblich im Verhältnis zu dem, was wir insgesamt anstreben“, rechtfertigte Løseth den Schritt.

Nach Einschätzung von deutschen Vattenfall-Managern stecken dahinter vor allem psychologische Gründe: „Das dient der Befriedung der schwedischen Seele“, hieß es am Dienstag in Kreisen der Vattenfall GmbH.

Schwedische Öffentlichkeit und Politik würden mit zunehmendem Misstrauen den Verlauf der deutschen Energiewende beobachten, aber auch das Engagement ihres Staatskonzerns in der Lausitzer Braunkohle. Von den konventionellen Brennstoffen ist Braunkohle mit Abstand der schmutzigste, emittiert also am meisten Kohlendioxid (CO2). Nach Angaben aus dem Unternehmen hat die Verstromung der Braunkohle im ersten Halbjahr immerhin einen Gewinn von rund 400 Millionen Euro abgeworfen. Um die CO2-Bilanz des Gesamtkonzerns zu verbessern, hat das Vattenfall-Management den Verkauf des Braunkohlekraftwerks Lippendorf bei Leipzig angekündigt. Wenn das Kalkül des Managements aufgeht, wird der Verkauf auch die Gemüter in Schweden beruhigen, denn die Braunkohle hat dort einen ähnlichen Ruf wie in Deutschland die Atomkraft.

Die neue Einheit Kontinentaleuropa hat nach Einschätzung von Insidern auch den Zweck, die großen Probleme in den Niederlanden zu „verstecken“. Vattenfall hatte 2009 die holländische Nuon für rund zehn Milliarden Euro übernommen. Da vor allem die dort betriebenen Gaskraftwerke auch infolge der deutschen Energiewende zunehmend an Rentabilität verloren, schreibt Vattenfall nun noch mal knapp 1,7 Milliarden Euro auf holländische Kraftwerke ab. Løseth begreift die Entwicklung als Ergebnis einer gescheiterten Harmonisierung der Energiemärkte. „Die EU macht, was sie kann, um die Märkte zu integrieren“, sagte er. „Aber in den Mitgliedsstaaten macht es jeder auf seine Weise. Dem müssen wir nun Rechnung tragen.“

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