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Wirtschaft: Behörden hinter Milchglas

Wenn Bürger Informationen von Ämtern wollen, haben sie seit Januar mehr Rechte. Diese durchzusetzen, ist oft schwierig – und teuer

Berlin - Seit Anfang dieses Jahres sind Bürger bei den Bundesbehörden keine Bittsteller mehr. Sie haben jetzt einen Anspruch darauf, von den Ämtern Auskünfte und Informationen zu bekommen. Doch von ihren neuen gesetzlichen Möglichkeiten machen nur wenige Bürger Gebrauch. Das hat eine Umfrage des Tagesspiegel am Sonntag unter Bundesbehörden ergeben. Das neue Informationsfreiheitsgesetz (IFG) scheint vielen Menschen bisher nicht bekannt zu sein. Aber auch wer das Gesetz kennt und sich mit Informationswünschen an das Amt wendet, kommt nicht unbedingt zum Ziel.

100 Beschwerden von Bürgern sind seit Januar beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, eingegangen. In vielen Fällen wurde die Auskunft verweigert, oder die Behörde stellte sich tot. Manchmal hatten die Frager einfach das Gefühl, „abgewimmelt“ zu werden, kritisiert Ira von Wahl, Sprecherin des Datenschutzbeauftragten. „In den bereits abgeschlossenen Fällen waren eine Reihe von Beschwerden berechtigt“, sagte von Wahl dem Tagesspiegel. Oft sei aber nicht böser Wille der Sachbearbeiter Schuld, sondern „häufig ist einfach nur große Unsicherheit festzustellen“.

Das neue IFG sollte die Ämter bürgerfreundlicher machen. Daher darf die Behörde die Auskunft nur aus ganz bestimmten Gründen verweigern – etwa wenn die öffentliche Sicherheit oder Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Außerdem dürfen sich die Ämter ihren Aufwand erstatten lassen – bis zu 500 Euro.

„Die Behörden sind nicht in einer Flut unsinniger Anfragen untergegangen“, betont Carel Mohn, Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Damit hätten sich viele Befürchtungen, die mit dem neuen Gesetz verbunden waren, nicht bewahrheitet. Mohn hält das für ein gutes Omen für ein weiteres Informationsgesetz, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll – das Verbraucherinformationsgesetz, das dann auch Länder- und kommunale Behörden erfasst. Über einen Entwurf von Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) wird an diesem Montag der Agrarausschuss des Bundestages beraten und Experten anhören.

Nach Meinung der Verbraucherschützer ist das Verbraucherinformationsgesetz wichtiger als das IFG. „Bundesbehörden haben oft keine verbraucherrelevanten Informationen“, meint Mohn. Ausnahme: die Finanzaufsicht Bafin, die Informationen über Banken, Versicherungen und die Börse sammelt. „Ob die Bafin Auskunft über notleidende Versicherer oder angeschlagene Banken gibt, ist für mich die spannendste Frage“, sagt Mohn.

Doch falls das Bekanntwerden der Information „nachteilige Auswirkungen für die Aufsicht“ hat oder „aufsichtliche Verschwiegenheitspflichten“ berührt sind, „darf die Bafin keine Auskünfte geben“, betont Bafin-Sprecher Peter Abrahams. Damit dürften aber die meisten sensiblen Informationen Geheimnisse bleiben. 35 Bürger und Rechtsanwälte haben sich seit Jahresanfang mit Anfragen an die Bafin gewandt, viele wurden abgelehnt. Wer zum Zuge kommt, muss notfalls zahlen. Für Auskünfte, die mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden seien, können bis zu 500 Euro anfallen, warnt Abrahams. Allerdings frage die Behörde vorher explizit nach, ob man die Anfrage unter diesen Bedingungen wirklich aufrechterhalten will. Einfache Fragen sind kostenlos.

Auch wer sich an das Pharmainstitut Bfarm wendet, muss mit Kosten rechnen. Zwischen 30 und 500 Euro können in Rechnung gestellt werden, heißt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Von den elf Anfragen, die bisher in diesem Jahr unter Berufung auf das IFG beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eingingen, waren wiederum nur zwei kostenfrei. In allen anderen Fällen wurden je nach Aufwand Gebühren verhängt – bis zu 200 Euro. Die Behörde beschäftigt sich unter anderem mit Gentechnik, Pflanzenschutzmitteln oder der Vogelgrippe.

Viele Stellen arbeiten jedoch – bislang noch – zum Nulltarif, etwa das Bundesverbraucherschutzministerium oder das Bundeskriminalamt. Absoluter Spitzenreiter bei den Bürgeranfragen ist das ebenfalls kostenfrei arbeitende Umweltbundesamt (Uba). Zwischen 7000 und 15 000 Bürgeranfragen gehen bei der Umweltbehörde ein – im Monat, sagt Uba-Sprecher Frank Hönerbach. Das war allerdings schon so, bevor das Informationsfreiheitsgesetz beziehungsweise das Umweltinformationsgesetz in Kraft getreten ist. Hönerbach: „Die Information der Bürger gehört zu unseren Aufgaben.“ Auch ohne Gesetz.

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