zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Bei der Nachtschicht zahlt der Staat drauf Zuschläge sind steuerbefreit

Berlin. Krankenschwestern und Polizisten arbeiten oft im Schichtdienst, auch nachts, an Sonn- und Feiertagen.

Berlin. Krankenschwestern und Polizisten arbeiten oft im Schichtdienst, auch nachts, an Sonn- und Feiertagen. Um sie dafür zu entschädigen, erlässt der Staat ihnen einen Teil der Einkommensteuer: Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit rühren die Finanzämter nicht an. 1,99 Milliarden Euro gingen der öffentlichen Hand damit 2002 durch die Lappen, rund ein Drittel davon dem Bund. Eingeführt wurde die Sonderregel 1940 durch die Nationalsozialisten, um die Arbeitnehmer, vor allem in der Rüstungsindustrie, zu mehr Leistung zu motivieren. Nach dem Krieg wurde das Privileg beibehalten, nun mit der Begründung, die Beschäftigten müssten für gesundheitliche Belastungen entschädigt werden.

„Nachtarbeit führt unter anderem zu Herz-Kreislauf-Problemen und zu Schlafstörungen“, sagt Michael Schlecht von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Ab 50 sind die alle fertig“, sagt er. Würde die Steuerbefreiung abgeschafft, bedeutete dies für Arbeitnehmer je nach Beruf Einkommensverluste von drei bis 17 Prozent. Ein Wegfall der Steuerbefreiung wäre aber auch für die Arbeitgeber teuer – sie müssten für die Zuschläge dann wohl auch Sozialversicherungsbeiträge abführen. Der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Breyer hält nichts von dieser Argumentation. „Die Zuschläge sind Einkommen wie jedes andere auch“, sagt er. „Warum sollten sie also nicht besteuert werden?“ Die Gesundheit der Arbeitnehmer werde durch die Steuerbefreiung jedenfalls nicht geschützt. Die derzeitige Regel schaffe für die Arbeitgeber überhaupt erst den Anreiz, „Nachtarbeit exzessiv auszunutzen, auch wo sie vermeidbar ist“. Gesundheitspolitisch wäre weniger Nachtarbeit durchaus wünschenswert. Denn dass sie zu Schäden führt, erkennt auch Breyer an. Und die Folgekosten für das Gesundheitswesen trage derzeit auch noch die Allgemeinheit. „Deshalb ist die Steuerfreiheit für Nachtzuschläge eine besonders schädliche Subvention“, sagt Breyer. „Sie sollte als Erste abgeschafft werden.“

Subventionsland Deutschland – in dieser Serie berichtet der Tagesspiegel über die milliardenschweren finanziellen Wohltaten des Staates für Bürger und Wirtschaft. Morgen: Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false