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Wirtschaft: Bei Karstadt-Quelle gibt es einen Beschäftigungspakt

Gewerkschaft Verdi und Vorstand einigen sich darauf, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden /760 Millionen Sparpotenzial

Berlin/Essen - 29 Stunden haben sie verhandelt und bis zuletzt war es fraglich, ob eine Einigung möglich ist – doch nun steht er, der Beschäftigungspakt zwischen Konzernvorstand und Arbeitnehmern bei Karstadt-Quelle. 5500 Stellen sollen in den kommenden drei Jahren abgebaut werden: rund 4000 davon im Warenhausbereich, die restlichen bei den Versandsparten Quelle und Neckermann. „Die Stellen sollen sozialverträglich abgebaut werden, betriebsbedingte Kündigungen sind so gut wie ausgeschlossen“, sagte Franziska Wiethold vom Verdi Bundesvorstand.

Gewerkschaft und Konzernleitung haben sich darauf geeinigt, in den kommenden drei Jahren insgesamt 760 Millionen Euro im Personalbereich einzusparen. Dafür müssen die 103000 Beschäftigten in den kommenden drei Jahren auf tarifliche Gehaltserhöhungen verzichten. Das Geld soll ihnen aber ausgezahlt werden, sobald es dem Konzern besser geht und die Aktionäre wieder eine Dividende erhalten. Ebenso fallen übertarifliche Leistungen wie etwa fünf Sonderurlaubstage weg. Das Urlaubsgeld wird künftig auch nicht mehr ausgezahlt, sondern in Warengutscheine umgewandelt. Dadurch spart der Konzern Sozialabgaben. Mit ihrer Forderung nach einer 40-Stunden-Woche für alle Beschäftigten konnte sich die Konzernleitung nicht durchsetzen.

Für 67 der insgesamt 77 Karstadt-Filialen, die ausgegliedert und verkauft werden sollen, habe Verdi eine Standortsicherung durchgesetzt, sagte VerdiSprecher Harald Reutter dem Tagesspiegel. Die restlichen zehn Warenhäuser seien da außen vor, weil es sich um sogenannte Projekt-Filialen handele, in denen neue Konzepte getestet würden. „In den 67 Filialen wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben“, sagte Reutter. Sollten dort Arbeitsplätze wegfallen, dann werde den Mitarbeitern entweder eine Stelle in einer anderen Filiale oder in einer Auffanggesellschaft angeboten. Auch Altersteilzeit oder eine Vorruhestandsregelung seien möglich. Erst wenn der betroffene Mitarbeiter diese Möglichkeiten ablehne, könne er gekündigt werden, so Reutter.

Welche Folgen die Sanierungspläne für die Karstadt-Filialen in Berlin haben werden, ist noch unklar. „Wie viele Mitarbeiter von dem Stellenabbau betroffen sind, wissen wir noch nicht“, sagte Gesamtbetriebsrats-Mitglied Peter Müllers dem Tagesspiegel. Drei der Berliner Warenhäuser gehören zu den 77 Filialen die ausgegliedert werden sollen: die Häuser in der Turmstraße (Moabit), Berliner Straße (Tegel) und Hauptstraße (Schöneberg).

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) begrüßte die Einigung bei Karstadt-Quelle. Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, lobte das Ergebnis. Dass jetzt eine Lösung gefunden worden sei, zeige, dass auch in einer tiefen Krisensituation Arbeitgeber und Gewerkschaften konstruktiv zusammenarbeiten können, sagte er .

Das Sanierungspaket, für das ein spezieller Karstadt-Tarifvertrag geschlossen werden muss, enthält allerdings tarifpolitischen Zündstoff. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) forderte, den Karstadt-Sonderweg einer „Nullrunde“ für die gesamte Branche zu öffnen. Auch der mittelständische Handel benötige „schnellstmöglich“ ein tarifvertragliches Instrumentarium, um die schwierige Branchensituation zu bewältigen, hieß es.

Konzernchef Christoph Achenbach zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. „Wir haben einen Siebenmeilenschritt im Sanierungsprogramm geschafft“, sagte er nach einer Sitzung des Aufsichtsrates am Donnerstagnachmittag. Auf dem Treffen wurde beschlossen, die Anteilseigner des Konzerns zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 22. November einzuladen. Die Aktionäre müssen dann über die geplante Kapitalerhöhung von 500 Millionen Euro entscheiden, bei der gut 93 Millionen Aktien ausgegeben werden sollen. Bislang haben nach Angaben von Karstadt-Quelle nur die Großaktionäre Allianz – die 10,5 Prozent an dem Konzern hält – und Familie Schickedanz (41,5 Prozent) ihre Unterstützung zugesagt.

Dagmar Rosenfeld

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