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BenQ

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BenQ: Der letzte Akt

Die Reste des Handyherstellers BenQ kommen unter den Hammer. Die Mitarbeiter leiden noch einmal.

Kamp-Lintfort – Mit einem leichten Stupser gegen sein Mikrofon gibt Jan Bröker das Startsignal für den allerletzten Akt der deutschen Handyindustrie. „Test, Test – wunderbar“, ruft der Juniorchef des Hamburger Auktionshauses Dechow in sein Headset. Einen kräftigen Schluck Wasser noch, seine Stimme wird der sportliche Mann im blauen Hemd jetzt brauchen. Dann gibt es kein zurück mehr – alles muss raus aus der ehemaligen Produktionshalle des insolventen Handyherstellers BenQ Mobile, der früheren Siemens-Mobilfunksparte.

Früher haben hier auf dem Gelände in Kamp-Lintfort 3300 Menschen gearbeitet, bis die taiwanesische Konzernmutter im vergangenen Herbst alle Zahlungen an die defizitäre Tochter einstellte, die sie gerade zwei Jahre zuvor von Siemens erworben hatte. Die Gläubiger fordern mehr als eine Milliarde Euro von BenQ, der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass die Verwertung weit mehr bringt, als die im Winter veranschlagten 300 Millionen.

Nun wetteifern 400 Bieter um das, was übrig geblieben ist. Von den 30 000 Posten des Insolvenzfalls BenQ stehen mehr als 3000 Gegenstände auf Jan Brökers Liste für die dreitägige Versteigerung in der Halle. Da bleiben oft nur ein paar Sekunden für einen Gegenstand – vom Rollbrett à fünf Euro bis zum Klimaschrank für 55 000 Euro. Den Auftakt macht ein Gitterboxen-Kipplift, doch kaum ein Arm hebt sich. „Das wird hier keine leichte Veranstaltung“, hatte Jan Bröker noch vorher vermutet. Zu speziell seien viele Geräte, als dass die Gebote sofort auf ihn niederprasseln würden. Handyhersteller gibt es eben weniger als Baufirmen, die sonst vor allem zu seinen Klienten zählen. „Schön weiter mitmachen“, appelliert Bröker an seine Kundschaft.

Erst als die Werkzeugwagen aufgerufen werden, schnellen die gelben Plastikkärtchen mit den Nummern der Bieter nur so in die Höhe – obwohl keiner so recht weiß, was in den Wagen tatsächlich drin ist. Bis zu 1000 Euro legen die Bieter im provisorischen Auktionsbüro bar auf den Tisch. „Die ganze Anlage hier war ja auf dem neuesten Stand“, sagt ein Mittvierziger mit blondem Stoppelschnitt, „da kann ich davon ausgehen, dass die Dinge in Ordnung sind“. Erworben hat er die Möbel für sein neues Büro in Duisburg. Ganz wohl ist ihm dabei aber offensichtlich nicht. „Es ist ein Trauerspiel, was hier passiert.“

In der Halle, größer als drei Fußballfelder, sind die Maschinen aneinander geschoben. Sie stehen nicht mehr so, dass mit ihnen Handys zusammengebaut und getestet werden können. Immer die gleichen Geräte sind nebeneinander gestellt und mit Nummern versehen. Schrank an Schrank, Werkbank an Werkbank, Prüfgerät an Prüfgerät. Das erleichtert den Käufern die Orientierung. Rote, blaue und gelbe Holzstühle sind in der Nähe des Eingangs aufgebaut.

Während die Auktion läuft, sehen sich noch vereinzelte Bieter in den Nebenräumen nach den ausgestellten Schnäppchen um. Im alten Pausenraum ist das rote Plastikviereck eines Kalenders seit dem 26. Januar nicht mehr weitergeschoben worden, der Reinigungsdienst hat laut Putzprotokoll schon am 29. September das letzte Mal gewischt.

Das alles haben viele hier nicht verkraftet, wo die Mobilfunkbranche Hoffnungsträger für eine Region war, die schon mit dem Absterben des Steinkohlebergbaus fertig werden muss. Draußen haben am Morgen noch ein paar Ex-Mitarbeiter gegen das protestiert, was hier passiert ist. Für sie ist es eine unfassbare Szenerie, dass in ihrer Produktionshalle Hunderte mit Straßenschuhen herumlaufen und zur Begrüßung ruhige Lounge-Musik lief, um die Bieter einzustimmen auf eine erfolgreiche Auktion ihrer alten Fabrik.

Immerhin etwa ein Drittel der ehemaligen Mitarbeiter hat aber wieder einen Job. Für einige von ihnen ist die Versteigerung nicht mehr bloß ein weiterer Stoß ins Herz, sondern auch eine Chance. Einige haben sich unter die Bieter gemischt. Martin Hegmanns war bis Januar als Elektriker bei BenQ beschäftigt, nun will er Mikroskope ersteigern. Die Geräte sollen ihm helfen, sich eine neue Existenz aufzubauen. Er hat sich auf Wartung und Reparatur von Alarmanlagen spezialisiert. „Wir haben hier gearbeitet, jetzt wollen wir eben noch das Beste für uns rausholen“, sagt er.

„Und jetzt die Mikroskope“, ruft Bröker, „da freut sich jedes Kind“. Doch die Gebote erreichen schnell 200 Euro und mehr – weit mehr als sich Hegmanns für seinen Start als Alarmanlagen-Servicemann leisten kann. Nach zwei Stunden zieht er davon. Draußen am Wurststand besprechen ein paar erfolgreiche Bieter, was sie mit ihren neuen Geräten am besten anfangen.

Nils-Viktor Sorge

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