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Noch nicht fertig. Die Suche nach den Ursachen für die Verzögerung wird viel Zeit in Anspruch nehmen.

© dpa

BER-Desaster: Die schwierige Suche nach dem Schwarzen Peter

Die Suche nach den Verantwortlichen für die Verzögerung der Bauarbeiten am zukünftigen Willy-Brandt-Flughafen hat begonnen. Bosch, Siemens und die Telekom weisen eine Schuld von sich. Auch der Auftraggeber könnte Fehler gemacht haben.

Vielleicht war es spontan, was Berlins Flughafen-Chefs auf ihrer Pressekonferenz über die Entrauchungsanlage gesagt haben. Eine unbedachte Erläuterung eines Nebenaspektes zur Beantwortung der Frage, wer das Platzen des BER-Eröffnungstermins zu verantworten hat? Oder wollten Rainer Schwarz und Chefplaner Manfred Körtgen gezielt die Schuld zuweisen? Jedenfalls nannten sie auf die Frage, wer in den Aufbau der Anlage involviert sei, die Namen dreier deutscher Industriekonzerne: Siemens, Bosch und Telekom. Dort war man auch am Tag danach sehr unglücklich darüber.

Die Suche nach Verantwortlichen und möglichen Schadenersatzpflichtigen hat begonnen, sie wird womöglich Gerichte beschäftigen. Da will jetzt niemand den Schwarzen Peter halten. So machten die genannten Unternehmen – jedes auf seine Weise – deutlich, dass sie nicht Schuld an dem Schlamassel sind.

Was die Berliner über die verspätete Eröffnung sagen

„Brandschutz und Türschließanlagen sind nicht unser Gebiet, darum kümmern sich andere. Wir liefern die Kommunikationsinfrastruktur, auf die andere ihre Systeme andocken“, sagte T-Systems-Sprecher Stefan König dem Tagesspiegel am Mittwoch. Sein Haus habe bisher keine Reklamationen erhalten, fügte er hinzu und veranlasste, dass die Flughäfen sogar eine Richtigstellung verschickten: „Die Deutsche Telekom AG ist nicht am Bau der technischen Anlagen für den Brandschutz am neuen Flughafen Berlin Brandenburg beteiligt“, teilten die Flughäfen am Mittwoch schriftlich mit. Es gebe keinen Zusammenhang mit der Verschiebung des Eröffnungstermins. Richtig sei: T-Systems sei Auftragnehmer für das Arbeitspaket Datentechnik am Flughafen.

So soll der Airport aussehen, wenn er fertig ist

Bosch verantwortet unter anderem die Planung und Montage der Brandmeldeanlage, eines elektroakustischen Notfallwarnsystems sowie der Fluchttürsteuerung. Auch Bosch weist zurück, an der Verzögerung schuld zu sein. Ein Sprecher gab sich aber gelassener: Man habe die Äußerungen gar nicht als Schuldzuweisung verstanden. Der Siemens-Konzern, der einen Teil der Gebäudesteuerungsautomatik installiert hat, fühlt sich ebenfalls nicht angesprochen – und mochte keinen neuen Kommentar zum Thema geben.

Aber die juristische Aufarbeitung beginnt bereits: „Im Moment geht es um Ursachenforschung und daran anknüpfend um die Beweissicherung“, sagte Alexandros Chatzinerantzis von der internationalen Kanzlei Linklaters. „Sobald der Flughafen in Betrieb genommen ist und die Parteien neue Kräfte gesammelt haben, beginnt der Rechtsstreit“, prognostiziert der Jurist, der bereits Erfahrung mit verzögerten Großprojekten gesammelt hat – etwa beim Mautsystem Toll Collect.

So entsteht der neue Hauptstadt-Airport

Zunächst sei zu klären, warum der Flughafen nicht pünktlich fertig wurde. „Die Schuld kann sowohl beim Auftraggeber liegen – etwa, weil er schlecht geplant hat oder immer wieder Nachträge forderte. Oder beim Auftragnehmer, weil er die Arbeiten mangelhaft ausgeführt hat“, sagte Chatzinerantzis. „Natürlich wird regelmäßig zuerst versucht, die Verantwortung von rechts nach links zu schieben.“ Der Flughafen befinde sich dabei in so einer Art Sandwich-Position: Einerseits ist er Auftraggeber für die Baufirmen, andererseits ist er als Flughafenbetreiber bei Airlines, Händlern und Gastronomen in der Pflicht. „Für diese ist der Flughafen der erste Ansprechpartner“, sagt Chatzinerantzis. Trifft ihn kein Verschulden, kann er sich aber wiederum an den Verursacher wenden.

Üblich ist, dass Vertragsstrafen für den Fall vereinbart werden, dass ein Auftrag nicht pünktlich fertig wird. Nach den Vergabevorschriften darf diese – je nach Art der Leistung – in der Regel fünf bis acht Prozent der Auftragssumme nicht überschreiten. Übertrifft der Schaden jedoch die Vertragsstrafe, so kann der Geschädigte Schadenersatz geltend machen: „Es können hier aber nur die Einnahmeverluste abzüglich der ersparten Kosten geltend gemacht werden“, sagt Chatzinerantzis, „also nur die Differenz zwischen den tatsächlichen und den entgangenen Einnahmen“. Wenn Flüge also statt am neuen Flughafen in Tegel starten und landen, können als Schaden nur die eventuellen Mehrkosten geltend gemacht werden.

In der Regel sichert sich ein Unternehmen wie der Flughafen gegen Schadenersatzforderungen durch Lieferanten- und Vorbehaltsklauseln ab – also etwa, dass die Gesellschaft nicht für Schäden eintritt, die sie nicht zu verantworten hat, weil etwa ihr Vorlieferant nicht geleistet hat. Um eventuelle Ansprüche durchzusetzen, müssen die Kläger vor Gericht ziehen. Chatzinerantzis erwartet, dass viele kleinere Firmen wie Händler und Gastronomen Standardverträge erhalten haben, die solche Klauseln enthalten. Ein bis zwei Jahre, schätzt der Jurist, werden solche Verfahren mindestens dauern.

„Insgesamt wird es ein grässlicher Streit, weil so viele Parteien beteiligt sind“, sagt Chatzinerantzis voraus. Er geht aber auch davon aus, dass einige Unternehmen kein großes Interesse an einem Rechtsstreit haben werden. Über die Höhe der möglichen Forderungen gegen den Flughafen will Chatzinerantzis nicht spekulieren. Er warnt vor Horrorszenarien: „Der Schaden kann immer nur der Höhe des entgangenen Gewinns entsprechen.“ Er verweist darauf, dass auch einige Versicherungen einspringen werden. „Der politische Schaden ist in jedem Fall größer“, meint der Jurist. Die Haftung des Flughafens ist beschränkt auf sein Kapital. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter – die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund – nötigenfalls Kapital nachschießen würden.

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