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Auf der Regierungsbank. Klaus Wowereit (SPD) kann ganz gut mit der parteilosen Senatorin Sybille von Obernitz. Für manche Wirtschaftsvertreter gilt das nicht.

© dpa

Nachfolge-Debatte: Berliner Messe empört über Wirtschaftssenatorin Obernitz

Kommendes Jahr geht der Berliner Messechef Hosch in Rente. Wirtschaftssenatorin Obernitz sucht schon mal einen Nachfolger - ohne die Messe zu informieren und zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Dicke Luft unterm Berliner Funkturm. Die Verantwortlichen der Messe Berlin sind empört über Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos). Auf deren Veranlassung schalteten die Headhunter von Egon Zehnder am vergangenen Sonnabend eine Anzeige in der „FAZ“, in der sie eine(n) „Vorsitzende(r) der Geschäftsführung Messe Berlin GmbH“ suchen. Dieser Vorgang an sich ist wenig aufregend, Messechef Raimund Hosch geht Mitte kommenden Jahres in Rente. Was das Management um Hosch und den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Joachim Kamp erbost, sind zwei andere Punkte: Die Messe wusste nichts von der Anzeige, und die Anzeige platzte mitten in die Internationale Funkausstellung Ifa, eine der wichtigsten Veranstaltungen der Messe Berlin.

Angeblich waren auch viele Aussteller irritiert über das Stellenangebot, Spekulationen über eine Führungskrise belasteten die Ifa-Stimmung. Von einem „Affront gegen die Messe Berlin“ war am Donnerstag die Rede bei der landeseigenen Gesellschaft. Er sei „äußerst überrascht gewesen“, sagte Kamp dem Tagesspiegel.

Dass Raimund Hosch, Messechef seit gut 13 Jahren, im kommenden Frühjahr altersbedingt ausscheidet, steht seit langem fest. Aufsichtsratschef Kamp, der auch den Aufsichtsrat von Philips Deutschland führt, leitete deshalb einen Suchprozess ein und beauftragte die Personalberatung Homberg Neff, eine Kandidatenliste für die Hosch-Nachfolge zu erstellen. Diese Liste wurde dann von zwei Männern angeführt, die erste Frau stand auf Platz drei. Das wiederum veranlasste Senatorin Obernitz dazu, ein weiteres Verfahren, diesmal in den Händen von Egon Zehnder, zu initiieren. Obernitz argumentiert dabei vorrangig mit Fehlern bei der ersten Ausschreibung. Bei der Messe wiederum heißt es, Obernitz habe die erste Ausschreibung inklusive einer Anzeige im Internetportal Stepstone gebilligt.

In einer schriftlichen Stellungnahme führt die Senatorin das Landesgleichstellungsgesetz Berlin (LGG) an. „Das Gesetz formuliert ausdrücklich keine Wahlfreiheit zwischen Print- und Online-Anzeige, eine Bekanntmachung ist immer in Print- UND Onlinemedien zwingend“, schreibt Obernitz. Ferner seien auf der Kandidatenliste von Homberg Neff „nicht in hinreichender Anzahl qualifizierte Frauen vertreten“ gewesen. Deshalb hätten die Vertreter des Landes Berlin schließlich am 8. August in einer Sitzung des Personal- und Präsidialausschusses des Messe-Aufsichtsrats den übrigen Mitgliedern „zur Kenntnis“ gegeben, „dass der Hauptgesellschafter ein weiteres Ausschreibungsverfahren initiieren wird“. Dazu wäre allerdings nach Einschätzung von Kamp eine außerordentliche Gesellschafterversammlung erforderlich gewesen. Was die Messemanager weiter irritiert, ist die Auftragsvergabe von Obernitz an Egon Zehnder im Namen der Messe Berlin. Die Messegesellschaft denkt indes gar nicht daran, die Kosten der Zeitungsanzeige von knapp 15.000 Euro zu übernehmen.

Die Messe hat sich in den vergangenen Jahren unter der Führung Hoschs gut entwickelt. Der ruhige Hesse gilt intern als „guter Onkel“ und ist beliebt bei den gut 700 Mitarbeitern. Neben Hosch führt seit 2000 Christian Göke, Jahrgang 1965, die Gesellschaft. Er kümmert sich um das operative Geschäft, im Kern also um die einzelnen Messen. Gökes Vertrag läuft Ende des kommenden Jahres aus. Der Westfale spielt im Führungsduo den Troubleshooter – und stößt auch deshalb auf Vorbehalte in der Belegschaft und deren Vertretern im Aufsichtsrat. Denn eigentlich wäre Göke die naheliegendste Besetzung des Chefpostens. Und auch die günstigste. Hosch verdient rund 500.000 Euro im Jahr, Göke kam zuletzt auf knapp 400.000. Ein adäquater Hosch-Nachfolger von außerhalb der Messe koste inzwischen viel mehr als 500.000 Euro, heißt es im Umfeld der Messegesellschaft. Und das sei in Berlin kaum durchzusetzen.

Für Göke spricht auch das gute Verhältnis zu Kamp. Beide haben die Funkausstellung umgebaut: Statt alle zwei Jahre gibt es die Ifa jährlich; Hausgeräte gehören inzwischen mit zum Programm und die Messe spricht zunehmend Fachbesucher an. Wenn es allein nach Kamp ginge, würde Göke auf Hosch folgen. Doch womöglich wird Kamp ja auch vom Hauptgesellschafter abberufen, weil das Verhältnis zur Wirtschaftssenatorin kaputt ist. Nach Peter Zühlsdorff (Berlin Partner) wäre Kamp der zweite Aufsichtsratsvorsitzende einer landeseigenen Gesellschaft, der wegen Obernitz geht.

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