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Wirtschaft: Berliner Waschmaschinenwerk gerettet

Der BSH-Konzern und die Beschäftigten einigen sich auf die Fortführung der Produktion – doch 216 Arbeitsplätze fallen weg

Berlin - In der Hauptstadt werden auch in Zukunft Waschmaschinen hergestellt. Die Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH) will die Fertigung im Werk Spandau nun doch nicht zum Jahresende schließen. Allerdings sollen 216 der 570 Arbeitsplätze gestrichen werden, zudem müssen die Beschäftigten länger arbeiten und deutliche Abschläge beim Lohn hinnehmen. Im Gegenzug soll es bis Mitte 2010 keine Kündigungen geben. Darauf einigten sich BSH, der Arbeitgeberverband VME und die IG Metall in der Nacht zu Mittwoch.

Bislang hatte BSH die Fertigung des seit 1953 bestehenden Werks aus Kostengründen Anfang kommenden Jahres beenden wollen. Die Verhandlungen darüber hatten sich über Monate hingezogen, seit Ende September protestieren die Beschäftigten zudem mit einem Streik gegen die Schließung. Nun soll die Hälfte der Stellen in der Produktion gestrichen werden, in Zukunft wird es hier noch 270 Arbeiter geben. 100 Beschäftigte aus der Fertigung wechseln zu den Bereichen Logistik und Service, 30 bekommen ein Angebot von den Mutterkonzernen Bosch und Siemens in Berlin.

Die Personalkosten an dem Standort sollen zudem um 20 Prozent sinken. Deshalb müssen etwa die 400 Beschäftigten der Sparten Forschung, Entwicklung und Service demnächst 40 statt bislang 35 Stunden pro Woche arbeiten – ohne Lohnausgleich. So sollen insgesamt Einsparungen von 8,5 Millionen Euro pro Jahr zusammenkommen. Für die Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren, soll eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet werden. So viele wie möglich sollen aber direkt in Rente gehen.

Der Kompromiss sei für BSH „gerade noch vertretbar“, sagte Geschäftsführer Robert Kugler. Bis 2010 werde die Einigung den Konzern mit 75 Millionen Euro belasten. Dieser Betrag müsse in den kommenden Jahren durch eine höhere Produktivität hereingeholt werden. Kugler begrüßte die „weit reichenden Zugeständnisse“ der Arbeitnehmer. Einschnitte seien wegen des rapiden Preisverfalls bei Waschmaschinen nicht zu vermeiden gewesen.

Die Herstellung des jetzt noch in Berlin gefertigten Waschmaschinen-Modells soll in den kommenden Monaten auslaufen, ein Nachfolger wird im brandenburgischen Nauen produziert. Um das Berliner Werk auch weiterhin auszulasten, werde es in einen Fertigungsverbund mit den Werken in Spanien und der Türkei eingegliedert, sagte Kugler. Teile, die bislang dort produziert würden, sollten nun nach Berlin geholt werden.

Olivier Höbel, IG-Metall-Chef des Bezirks Berlin, Brandenburg und Sachsen, sagte, es sei wichtig für den Industriestandort Berlin, dass die Fertigung bei BSH nicht geschlossen werde. Die Opfer für die Belegschaft seien „sehr schmerzlich“. Erstmals sei es aber gelungen, die beschlossene Schließung eines Werkes wieder rückgängig zu machen. „Die Belegschaft ist bereit, sich nun dem Wettbewerb mit anderen Standorten zu stellen.“ Man setze auf „Angleichungsprozesse“ in Europa, sagte Höbel mit Blick auf die steigenden Löhne in anderen Ländern. Den Kompromiss muss nun noch die BSH-Belegschaft in einer Urabstimmung bis Freitag billigen, außerdem muss der IG-Metall-Vorstand zustimmen.

Der Mutterkonzern Siemens war zuletzt stark in die Kritik geraten. Zum einen sollten die Bezüge des Vorstands um durchschnittlich 30 Prozent angehoben werden. Zum anderen hatte der Handyhersteller BenQ, dem Siemens vor einem Jahr seine Mobilfunk-Sparte verkauft hatte, den Abbau von 3000 Arbeitsplätzen beschlossen. Entwicklungen „bei anderen Unternehmen“ hätten in den Verhandlungen jedoch keine Rolle gespielt, beteuerte Andreas Fleischer vom Arbeitgeberverband VME.

Bei den streikenden Beschäftigten in Spandau habe es „eine lange Debatte“ über das Verhandlungsergebnis gegeben, sagte Höbel. BSH-Betriebsratschef Güngör Demirci berichtete von zum Teil aufgebrachten Kollegen. „Die hätten lieber alle Arbeitsplätze erhalten.“ Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) sprach von einem „Sieg der Vernunft“. Er sei „der Hartnäckigkeit und dem Kampfgeist der Belegschaft zu verdanken“.

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