zum Hauptinhalt
Ungestörtes Betriebsklima. Firmenchef Yalcin Uzunur (rechts) mit seinem deutschen Angestellten Wolfgang Sauer in der Weddinger Firma, die Edelstahl bearbeitet.

© Paul Zinken

Berliner Wirtschaft: Die Chefs sind gut integriert

Immer mehr Deutschstämmige arbeiten für Unternehmer mit Migrationshintergrund. Die meisten empfinden das als normal. Auch für die Chefs gehört es zum Alltag, Deutsche einzustellen. Die aktuelle politische Debatte nervt sie.

Als Saleh Azzawi gefragt wird, ob ihn die aktuelle Integrationsdebatte beunruhige, muss er laut lachen. Der in Syrien aufgewachsene Unternehmer läuft durch die Büroräume seiner Kreuzberger Firma, an den Wänden hängen Bilder, die er selbst gemalt hat – vom Berliner Dom, aber auch vom Irakkrieg. Thilo Sarrazin und andere, die sich sehr negativ zur Integration äußern, lassen den Firmenchef kalt: „Die wollen doch nur Geld verdienen.“ Azzawi ist studierter Grafikdesigner und seit 30 Jahren hier Unternehmer. In Berlin sei er „fast bekannt“, witzelt er, und meint damit wohl die diplomatischen Kreise, in denen er verkehrt.

Von den zehn Mitarbeitern in Azzawis Druck- und Verlagsbetrieb sind vier deutschstämmig. Damit ist der Unternehmer keine Ausnahme: Viele Firmenchefs mit Migrationshintergrund beschäftigen eine hohe Zahl an deutschen Mitarbeitern, Schätzungen liegen allerdings nur für türkische Arbeitgeber vor. Azzawi sagt, es sei für ihn „ganz normal“, Deutsche einzustellen. Er unterscheide nicht nach Nationalität, Religion oder Aussehen, sondern nach Qualifikation und Fleiß. Er habe einmal einen sehr guten Azubi gehabt, der Punk war. „In Syrien haben wir neben einer jüdischen Familie gelebt“, sagt Azzawi. Auch in seinem Team gibt es einen Juden. Der Kommunikationsdesigner Szymon Szymanski sagt ironisch: „Unsere Firma ist ein schlechtes Beispiel für gescheiterte Integration.“ Sein Kollege Rainer Schubert, Chefredakteur der von Azzawi herausgegebenen Zeitschrift ArabForum, hält die Diskussion für eine „Phantomdebatte“. „Für mich ist nur wichtig, ob jemand nett ist oder ein Blödmann.“ Abgesehen davon würden sich Menschen durch den Bildungshintergrund unterscheiden.

Wenn es im Team verschiedene Meinungen gibt, dann weniger zur Integration, sondern eher zum Islam. Azzawi bezeichnet sich als liberaler Muslim und hält Religion für eine Privatsache. Trotzdem kommen häufig Fragen: Ein Diskussionsthema sei etwa das „Apostasieverbot“, das die Abkehr vom Islam untersage. Allerdings möchte niemand in der Firma diese Gespräche als Streit verstanden wissen.

Offenen Streit gibt es auch im Steuerbüro von Süreyya Inal nicht, allerdings hat die Integrationsdebatte hier mehr Spuren hinterlassen. Von ihren 15 Mitarbeitern seien sieben deutschstämmig, sagt Steuerberaterin Inal. Eigentlich bemerke sie keine Unterschiede zwischen ihren Mitarbeitern mit und ohne Migrationshintergrund, sagt sie. Doch als sie ihr Steuerbüro einmal früher schloss, um an einer Demonstration gegen den Buchautoren Thilo Sarrazin teilzunehmen, kamen nur ihre deutschstämmigen Mitarbeiter nicht mit. „Da habe ich gemerkt, dass sie das als mein Problem sehen, nicht als ihres“, sagt Inal.

Süreyya Inal

© privat

Rainer Radtke ist seit 18 Jahren bei ihr als Steuerberater angestellt. Er sagt Sätze wie „Integration ist ein Problem“, wobei er seine Kollegen und Mandanten ausdrücklich ausnimmt. Seine Kollegin Jana Christoffers meint, die vielen migrantischen Mandanten des Steuerbüros könnten wohl nicht diejenigen sein, die Thilo Sarrazin meine. „Denn sie sind wirklich integriert, haben Deutsch gelernt und hier Unternehmen aufgebaut“, sagt Christoffers. Doch während ihre Chefin gegen Sarrazin demonstriert, weil seine pauschalen Aussagen über Türken und Muslime auch eine erfolgreiche Unternehmerin wie sie einschlössen, hat sich Christoffers gerade dessen Buch gekauft. Eine weitere deutschstämmige Mitarbeiterin, die mit einem Araber verheiratete Esther Haluany, meint gar, sie wisse nicht, warum „wir“ etwas für die Integration tun oder bezahlen sollen: „Die wollen doch hierherkommen, wir haben sie nicht darum gebeten.“

Allerdings wurden die Eltern ihrer Chefin gebeten, nach Deutschland zu kommen, nämlich vor Jahrzehnten als Gastarbeiter. Für sie sei es „selbstverständlich“, deutschstämmige Mitarbeiter einzustellen, sagt Inal. Sie schaue nicht auf die Herkunft, auch nicht, „ob westdeutsch oder ostdeutsch“. Wegen schlechterer Bildungschancen gebe es in ihrer Branche leider weniger Migranten als Deutsche mit der notwendigen Qualifikation.

Der Anteil der deutschstämmigen Mitarbeiter in türkischen Unternehmen steige „rasant“, sagt der Leiter des Bildungswerks Kreuzberg, Nihat Sorgec. „Schließlich wollen diese Unternehmer ihre Dienstleistungen der Mehrheitsgesellschaft anbieten.“ Allerdings seien auch türkischstämmige Arbeitnehmer beliebt, weil sie häufig billiger seien und weniger gut über ihre Rechte als Arbeitnehmer Bescheid wüssten.

Saleh Azzawi.

© privat

Der Ingenieur Yalcin Uzunur beschäftigt in seiner Weddinger Firma für Edelstahlbearbeitung ebenfalls viele Deutschstämmige – fünf von 12 Mitarbeitern. Einen Chef mit türkischen Wurzeln zu haben sei überhaupt keine Umstellung, sagt sein Vorarbeiter, der Feinblechner Andreas Tiede: „Im Handwerk arbeiten sowieso Leute aller Nationalitäten zusammen – das ist ganz normal.“ Von der Integrationsdebatte ist Tiede wie seine Kollegen genervt: „Es wird so dargestellt, als ob alle Türken dumm sind, immer kommen diese Pauschalisierungen.“ Besonders das Thema Islam werde von Politikern „kräftig aufgebauscht“, meint auch die deutschstämmige Mitarbeiterin Anja Tchachoua, deren Ehemann aus Kamerun stammt. Sie erfahre von ihren türkischstämmigen Kollegen viel über deren Kultur und Religion. Tiede meint: Wie die muslimischen Kollegen den Glauben leben oder nicht leben, sei ebenso vielfältig wie unter Christen.

Sein Chef Uzunur lässt sich von der Integrationsdebatte nicht aus der Ruhe bringen. Wenn CSU-Chef Horst Seehofer sage, Türken und Araber könnten generell schwer integriert werden sei er schon kurz verärgert. „Aber die Aussage ist ja Blödsinn“, sagt der Unternehmer. Wer versuche, andere zu diskriminieren, verwende dabei Argumente, die nicht haltbar seien. „Wenn man sich also gut auskennt, kann man sich auch besser wehren.“

Karin Schädler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false