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Frisur. Das sind Stephan Sunder-Plassmann und Thies Meyer.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Wirtschaft ganz nah (3): Pragmatisch schön

Thies Meyer und Stefan Sunder-Plassmann vom Label Frisur gehören einer neuen Generation von Designern an. Ihre Mode, sagen sie, soll erschwinglich sein.

Wer das Atelier des Labels Frisur betritt, blickt sofort auf einen Tisch, auf dem Schnürschuhe mit Gummisohle, Sneaker mit Lochmuster und Accessoires aus schwarzem Leder arrangiert sind. Im Hintergrund stehen zwei Kleiderstangen – eine ist vollgehängt mit Männer-, die andere mit Frauenkleidung. Die Designer Thies Meyer und Stefan Sunder-Plassmann tragen kurze Hosen und hellblaue Hemden, was sie noch jünger wirken lässt, als sie ohnehin sind. Die 26-Jährigen sehen zufrieden aus. Zufrieden, weil sie den Ausdruck des Erstaunens schon kennen – eine so große, durchdachte Kollektion und von so jungen Designern.

An Frisur kann man sehen, dass Berlin zu einer richtigen Modestadt geworden ist. Die Designer nutzen die Infrastruktur der Stadt, um ein internationales Modeunternehmen auf die Beine zu stellen. Mode machen die beiden schon lange, genau genommen seit der neunten Klasse. Damals begannen sie T-Shirts für Freunde und Verwandte zu bedrucken.

Ihr erstes Gewerbe meldeten die Beiden bereits als Abiturienten an

Aufgewachsen sind sie in Kappeln an der Schlei, einer Kleinstadt nahe der dänischen Grenze. Dort haben sie geübt, wie man Kleidung herstellt und verkauft. Schon 2007 meldeten sie ihr erstes Gewerbe an – damals machten sie gerade Abitur. Es hat ihnen geholfen, dass sie ganz unbedarft die Vorteile einer kleinen Stadt nutzen konnten.

Noch heute sind sie Kunden der örtlichen Sparkasse, wo sie vor Ewigkeiten ihren ersten Kredit bekamen. Ihre Pullover verkauften sie im Jeansladen vor Ort. Nach der Schule war für Thies Meyer klar: „Damit will ich mich weiter beschäftigen.“ Und er bewarb sich an der Berliner Universität der Künste (UdK) für ein Modestudium. Stefan Sunder-Plassmann folgte ihm kurze Zeit später und studierte an der UdK visuelle Kommunikation.

Vieles haben sie sich selbst beigebracht

Während die Freunde also an ihren kreativen Fähigkeiten an der Hochschule feilten, brachten sie sich alles andere selbst bei. Wie man kalkuliert, mit Produzenten verhandelt, Händler überzeugt. Thies Meyer grinst: „Hätte ich Modemanagement studiert, wäre ich jetzt sicher reicher, aber würde nicht so schöne Sachen machen.“

Seit 2010 bringen sie jede Saison eine Kollektion auf den Markt, aber erst jetzt sind sie überzeugt, dass ihr Markenbild schlüssig ist. Vom T-Shirt über Hemd und Hose bis hin zu Kleidern und Mänteln gibt es alles für Frauen und Männer – auch Schuhe und Accessoires bietet Frisur seit diesem Jahr an. T-Shirts gibt es ab 40, Jacken ab 150 Euro – das ist nicht viel für Berliner Design. Sie haben sich im Frühjahr in Berlin eine Presseagentur und in Stockholm einen Vertriebsagenten für das internationale Geschäft gesucht. Der Agent stellte ihre Männerkollektion in dieser Woche in New York vor.

Wie die neue Generation der Designer tickt

Frisur. Das sind Stephan Sunder-Plassmann und Thies Meyer.
Frisur. Das sind Stephan Sunder-Plassmann und Thies Meyer.

© Doris Spiekermann-Klaas

Gerade stapeln sich die Schuhkartons in ihrem großen Atelier in Neukölln. Bald sollen sie in die Läden ausgeliefert werden. In Deutschland ist Frisur gut vertreten, in mehr als 25 Geschäften werden die Produkte des Labels verkauft. In Berlin präsentiert es sich seit vergangenem Jahr auch auf der Fashion Week. „Für den deutschen Markt ist Berlin wichtig. Der Standort verschafft uns einen Vorteil“, sagt Stephan Sunder-Plassmann.

Früher sind sie mit einem Koffer durch die Läden gezogen und haben ihre Sachen angeboten. Heute machen sie Ordertermine mit ihren Händlern, wie in der vergangenen Woche in Hamburg, wo sie sechs Geschäfte beliefern. Auch wenn sie seit zwei Jahren eine Mitarbeiterin für den Vertrieb haben, machen sie solche Sachen gern noch selbst. Immer wieder schauen sie sich in neuen Läden um, ob diese überhaupt für sie infrage kämen – „anonym natürlich“, sagt Thies Meyer.

"Wir sind untypisch", sagen die Beiden

Die beiden gehören zu einer neuen pragmatisch denkenden Generation von deutschen Designern. Sie müssen nicht mehr beweisen, wie verrückt und kreativ sie sind. Sie gründen nicht einfach mit der hoch gelobten Diplomkollektion, die nicht ohne Weiteres reproduzierbar ist, ein Label und sehen dann, was passiert. In Berlin gibt es viele, die das so gemacht haben. Thies Meyer und Stephan Sunder-Plassmann haben schon viele um sich herum scheitern sehen. Von ihrer Hochschule haben sie das Handwerkszeug für den Erfolg nicht mitbekommen. „Wir sind da untypisch.“

Die Kollektion von Frisur besteht aus gut verkäuflichen Pullovern, Hemden und Hosen, dazwischen Teile, die auffälliger sind und das Thema der Kollektion wiedergeben. Wie für den nächsten Sommer, da geht es um die Sehnsucht zu fliegen, die Pullover mit eingestricktem „Economy Class“ oder der graublau wolkige Webjacquard erzählen davon.

Sie wollen Mode entwerfen, die erschwinglich ist

Thies Meyer und Stephan Sunder- Plassmann macht es Spaß, Mode zu entwerfen, die erschwinglich ist: Ihre Motivation ist es, ihre Produkte unter die Leute zu bringen. Deshalb ist der kaufmännische Teil des Jobs den beiden genauso wichtig wie der kreative. „Mir ist es lieber, ich sehe unsere Sachen auf der Straße als in einer inszenierten Veröffentlichung in einem Magazin“, sagt Meyer.

Dafür ist Berlin das richtige Umfeld. Sie schränken es sogar noch ein wenig ein: In Neukölln haben sie genau das Netzwerk, das sie brauchen. „Hier gibt es viele Profis und Offenheit gegenüber Neuem“, sagt Sunder-Plassmann.

Jetzt wollen sie diese Synergien noch besser nutzen. Zusammen mit dem Schuhlabel Velt und einer PR-Agentur suchen sie eine größere Fläche in Neukölln, um sich Warenlager, den Showroom und auch Fotografen und Artdirektion teilen zu können. Und den Austausch beim Kaffee bekommen sie noch umsonst dazu.

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