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Im Dauereinsatz. Tim Gutzeit arbeitet das ganze Jahr über daran, Geldgeber für das Festival zu finden - und zu halten.

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Berufe in der Filmbranche: Mann im Hintergrund

Kunst trifft Kommerz: Wie sich der Veranstaltungskaufmann Tim Gutzeit bei der Berlinale um Spender und Marketing kümmert.

Der Countdown läuft. Nicht mehr lange bis zur Eröffnung der Berlinale, für Tim Gutzeit und seine Kollegen ist es die heiße Phase. Sein Arbeitstag kann sich öfter mal bis in den späten Abend ziehen. Jetzt, morgens um 9 im fünften Stock der Berlinale-Verwaltung an der Potsdamer Straße, wirkt er aber ganz entspannt.

Elf Leute sind sie im Team, jeder betreut verschiedene Sponsoren und muss schauen: „Sind sie alle im Plan? Haben sie, was sie von uns brauchen – und umgekehrt?“, erklärt Gutzeit. Die Zeit sitzt ihm im Nacken. Eine Fülle minutiös getakteter Deadlines gilt es einzuhalten. Jetzt, kurz vor der Programm-Pressekonferenz, müssen noch die Mitteilungen abgenommen werden, die die Partner des Festivals dort auslegen.

Botschafterin Heike Makatsch kommt zur Eröffnung

Auf seiner Visitenkarte steht „Coordinator Sponsorship“. Als solcher betreut Gutzeit, Jahrgang 83, L'Oréal, Tesiro, Hugo Boss und den neuen Sponsor Mastercard. Große Player, die das Festival „breit bespielen“, wie er sagt. Nur geht es dabei nicht um Filme und Kunst, sondern um die Finanzierung der Filmfestspiele.

L'Oréal etwa, seit 17 Jahren Partner der Berlinale, wird wie gewohnt ein prominent platziertes Make-up-Studio auf dem Potsdamer Platz errichten. Sind die Genehmigungen dafür erteilt? Geht hier alles seinen Gang? Auch das checkt Gutzeit. Das Kosmetikunternehmen hat einen großen Pool an Botschafterinnen, die die Marke vertreten, sagt er. „Botschafterinnen“, ganz selbstverständlich benutzt er den Begriff, der aus dem diplomatischen Dienst kommt und heute von Marketingstrategen aus aller Welt verwendet wird, weil er gut klingt, eben weniger nach wirtschaftlichen Interessen als das Wort Werbeträger.

Gutzeit ist ganz in seinem Element. „Welche Damen hat L'Oréal eingeladen, welche Veranstaltungen sind mit ihnen geplant? Da muss es eine Schnittstelle zum Gäste-Management geben“, erklärt er. Unter anderem wird „eine internationale Botschafterin erwartet, die auch in einem Wettbewerbsfilm mitspielt“. Den Namen, er lächelt, dürfe er noch nicht preisgeben. Aber immerhin so viel: Botschafterin Heike Makatsch kommt zur Eröffnung.

Banklehre oder Glamour

Der rote Teppich ist für jeden sichtbar. Die Koordination des Glamours hinter den Kulissen nicht. 42 Sponsoren hat die Berlinale. Der Auftritt jedes einzelnen Unternehmens während der Filmfestspiele muss geplant sein. Welche Fähigkeiten es dafür braucht? In erster Linie: „Kommunikationstalent und Organisationstalent“, sagt Gutzeit. „Wir machen nicht nur reine Veranstaltungsplanung. Es ist von allem ein bisschen: Marketing, PR, Planung, Organisation.“ Der Beruf stelle sehr spezielle Anforderungen – „eben weil das Festival sehr speziell ist“.
Gutzeit ist Filmliebhaber und war schon Berlinale-Fan bevor er dort in die Lehre ging und sich von 2004 bis 2006 zum Veranstaltungskaufmann ausbilden ließ. Die Alternative wäre der Bereich Veranstaltungsmanagement bei einer Bank gewesen, „da war die Entscheidung schnell gefallen“, sagt er und lacht. „Ich wollte erstmal praktisch arbeiten, nicht sofort ein Studium an den Zivildienst hängen“, erklärt Gutzeit.

Jetzt, mit mehrjähriger Erfahrung, hat er ein berufsbegleitendes Studium in Business Administration mit Schwerpunkt Marketing an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management begonnen. Er könne jetzt einschätzen, in welchen theoretischen Bereichen er Nachholbedarf habe.

Das Festival 2005 war Gutzeits erste Berlinale als Azubi. Er hat gleich in der Abteilung begonnen, die Dagmar Forelle als Head of Sponsorship leitet. Nach erfolgreich abgelegter Prüfung zum Veranstaltungskaufmann – im mündlichen Teil musste er einen internationalen Sicherheitskongress in Berlin planen – wurde er gleich in die Sponsoring-Abteilung übernommen. Als erster Mitarbeiter neben der Chefin, der ganzjährig beschäftigt war. Schließlich gibt es nicht nur vor und während des Festivals zu tun.

„Eine weitere Hochphase beginnt vor den Sommerferien“, sagt Gutzeit. Verträge mit bestehenden Partnern müssten verlängert, neue geschlossen werden. Wobei die Berlinale in der glücklichen Lage sei, kaum Kaltakquise betreiben zu müssen. Eher klopfen die Unternehmen an, die ihre Marke gern mit dem Festival verbinden wollen. „Wir vergeben Exklusivitäten im Automobil-, Kosmetik-, Mode- und Schmuckbereich“, erklärt Gutzeit. In all diesen Feldern können also nicht mehrere Unternehmen Sponsor werden.

Gutzeit ist Angestellter des Öffentlichen Dienstes mit Tarifvertrag. Die Berlinale firmiert ja – wie die Berliner Festspiele und das Haus der Kulturen der Welt – unter dem Dach der KBB, der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH.

Jobs für Quereinsteiger

„Mein Job ist kein klassischer Beruf, den man an einer Schule lernen könnte“, sagt er. Nicht von ungefähr gebe es in seiner Abteilung viele Quereinsteiger. Angefangen bei Chefin Dagmar Forelle, die lange Jahre für Wim Wenders tätig war. „Viele stammen aus dem kreativen Bereich“, sagt Gutzeit, darunter Literaturwissenschaftler oder Fotografen. Sie brächten das wichtige „Out-of-the-Box-Denken“ mit.

Sicher, es gebe heute auch Marketing-Studiengänge mit Fundraising-Schwerpunkt, sagt Gutzeit. Aber das Learning-by-Doing, das er bei der Berlinale durchlaufen hat, könnten sie sicher nicht ersetzen. Ein Gefühl für die Zielsetzung, die Unternehmensstruktur und Denkweise von Sponsoren entwickele man nur in der Praxis.

Wenn das Festival erst begonnen hat, bleibt zum Durchatmen kaum Zeit. Jeden Morgen steht eine Koordinationssitzung mit Vertretern aller Abteilungen an, um den Vortag auszuwerten, sich auf den jüngsten Stand zu bringen und für die anstehenden Aufgaben abzustimmen.

Mit den Sponsoren und auch mit potenziellen neuen Partnern werden Backstage-Touren veranstaltet, um ihnen das Live-Erlebnis der Berlinale zu vermitteln, bei denen auch Gutzeit dabei ist. Zig Veranstaltungen müssen gleichzeitig koordiniert und nach Priorität sortiert werden. Es gilt Pressekonferenzen mit zu organisieren, die Firmen wie L'Oréal für Beauty-Journalisten und Blogger geben. Und selbst für die Aufstellung der Security ist der Coordinator Sponsorship mitverantwortlich – wenn zum Beispiel eine besonders prominente Botschafterin angekündigt ist.

Dass ihm selbst während der Berlinale keine Zeit bleibt, Stars auf der Leinwand oder auf dem roten Teppich zu sehen, findet Tim Gutzeit nicht schlimm. „Für uns sind unsere Partner die Stars“, sagt er.

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