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Wirtschaft: Beschäftigungsförderungsgesetz: Flexibilisierungswahn oder erfolgreiche Personalpolitik

Zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften verschärft sich der Streit um das so genannte Beschäftigungsförderungsgesetz. Die IG Metall fordert die SPD auf, "ihre früheren Zusagen einzuhalten und das Beschäftigungsförderungsgesetz aufzuheben", die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) spricht dagegen von einem "der erfolgreichsten arbeitsmarktpolitischen Instrumente der vergangenen zwei Jahrzehnte" und plädiert für eine Entfristung des Gesetzes.

Zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften verschärft sich der Streit um das so genannte Beschäftigungsförderungsgesetz. Die IG Metall fordert die SPD auf, "ihre früheren Zusagen einzuhalten und das Beschäftigungsförderungsgesetz aufzuheben", die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) spricht dagegen von einem "der erfolgreichsten arbeitsmarktpolitischen Instrumente der vergangenen zwei Jahrzehnte" und plädiert für eine Entfristung des Gesetzes. Im Kern geht es dabei um die Möglichkeit der befristeten Einstellung bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren. Zum Beispiel: Ein Arbeitgeber stellt einen Mitarbeiter für sechs Monate ein, sozusagen auf Probe, oder auch, um die gute Auftragslage abarbeiten zu können. Nach den sechs Monaten hat sich der Mitarbeiter bewährt und die Auslastung des Betriebs ist weiter gut, also wird das Arbeitsverhältnis verlängert. Dieses Procedere kann maximal zwei Jahren dauern; dann scheidet der Arbeitnehmer entweder aus, oder er wird in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen. Alles in allem bekommen die Arbeitgeber durch das Gesetz mehr Spielräume in der Personalpolitik, insbesondere deshalb, weil während der zwei Jahre der Kündigungsschutz umgangen wird.

Jeder dritte Job befristet

Die Gewerkschaften machen eine andere Rechnung auf: Seit Beginn der 90er Jahre erfolge jede dritte Neueinstellung in den Betrieben nur noch befristet. In der Summe erhöhte sich die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse im vergangenen Jahr um 300 000 auf inzwischen 2,8 Millionen, allesamt Arbeitnehmer auf Zeit. IG-Metall-Vize Jürgen Peters spricht in diesem Zusammenhang von "einem maßlosen Flexibilisierungswahn"; im Übrigen seien auch nach dem Auslaufen des Beschäftigungsförderungsgesetzes befristete Arbeitsverträge möglich, und zwar bei Mutterschafts-, Erziehungsurlaubs- und Krankheitsvertretungen.

Das muss reichen, meinen die Gewerkschaften, da die ursprünglichen Ziele des Gesetzes ohnedies nicht erreicht wurden: Mehr Arbeitsplätze und weniger Überstunden. Im Gegenteil: Die Zahl der Arbeitslosen pendelt seit vielen Jahren um die vier Millionen, und die Überstunden steigen im laufenden Jahr nach einer Prognose der Bundesanstalt für Arbeit um rund 110 Millionen auf 1,9 Milliarden. Also, schlussfolgern die Gewerkschaften, das unter Arbeitsminister Norbert Blüm eingeführte Gesetz bringt nichts: Weg damit.

Bloß das nicht, sagt Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Wirtschaft und Arbeitsmarkt könnten nicht auf das Gesetz verzichten. Hundt hat beobachtet, dass durch die Befristung "die Bereitschaft der Unternehmen erhöht wird, neue Mitarbeiter einzustellen". Insbesondere könnten Arbeitsspitzen und Fehlzeiten von Arbeitnehmern "ohne Rückgriff auf teure Überstunden überbrückt werden". Schließlich führt der Arbeitgeberpräsident die Psychologie ins Feld: "Vor dem Hintergrund unseres überregulierten Arbeitsrechtes senkt die Möglichkeit, einen Mitarbeiter zunächst befristet beschäftigen zu können, auch psychologische Barrieren." Schließlich werden Hundt zufolge befristete Jobs "sehr oft" entfristet, der Arbeitnehmer also auf Dauer eingestellt.

Das bestätigen einige Berliner Unternehmen. Bei Herlitz heißt es, die Möglichkeit der befristeten Einstellung werde selbstverständlich genutzt, anschließend sei bislang fast jeder Mitarbeiter übernommen worden. Grundsätzlich werde durch die Befristung das Bewerbungs- und Einstellungsverfahren erleichert und beschleunigt, denn ohne "Einstellung auf Probe" müssten die Bewerber viel intensiver geprüft werden, um das Einstellungsrisiko zu minimieren. Im Übrigen ermögliche das Beschäftigungsförderungsgesetz auch die Einstellung und Bewährung von "unsicheren Kantonisten", die ohne die Befristung nicht eingestellt würden, so eine Sprecherin des Büroartikelherstellers.

"man stellt leichter ein"

Beim Autozulieferer Visteon in Zehlendorf, dem ehemaligen Ford-Werk, wurde in den vergangenen Jahren ausschließlich nach Beschäftigungsförderungsgesetz eingestellt, also nur noch befristet. Vor allem in der Einführungsphase neuer Produkte steige der Personalbedarf, die befristeten Einstellungen seien dabei "ein praktisches Instrument der Personalpolitik". Wenn die Mitarbeiter nicht mehr gebraucht würden, laufe das Arbeitsverhältnis einfach aus. In ein unbefristetes Verhältnis übernommen wurden bei Visteon nur etwa zehn Mitarbeiter von im Jahresdurchschnitt 200 befristet Eingestellten.

Der Berliner Aufzug- und Fahrtreppenhersteller Otis hat in den vergangenen Jahren rund die Hälfte der befristeten Arbeitsverhältnisse entfristet; so etwa im Hannoveraner Fahrtreppen-Werk, wo rund 250 Verträge erst mal auf Zeit liefen. Geschäftsführer Roland Fischer zufolge senkt die Möglichkeit der Befristung "die Reizschwelle vor Einstellungen, man stellt leichter ein". Und die Kapazitätsauslastung im Unternehmen könne entsprechend der Auftragssituation besser gesteuert werden. Fischer warnt die Bundesregierung vor dem Auslaufen des Gesetzes, denn dann "würde aus Flexibilität Inflexibilität". Das Signal für den Arbeitsmarkt wäre negativ und das Investitionsklima in Deutschland würde beeinträchtigt, meint Fischer.

Und die Politik? Sommerpause. Im Bundesarbeitsministerium heißt es, im Moment gebe es "keine inhaltlichen Informationen", das Ministerium befinde sich aber in Gesprächen mit den Tarifparteien, derzeit finde "ein Arbeitsaustausch" statt. Beim DGB und der BDA weiß man genausoviel. Das Thema kommt nach Ferienende auf die Tagesordnung; zusammen mit der Rente und der Reform der Betriebsverfassung gehört das Beschäftigungsförderungsgesetz dann zu den Konfliktpunkten im Herbst, der für Arbeitsminister Walter Riester ziemlich heiß werden dürfte.

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