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"Wir haben es ver.dient", steht auf dem Schild, das eine Demonstrantin in die Höhe hält.

© dpa

Tarifstreit im Einzelhandel: Bescherung vor Weihnachten

Die Einigung in Baden-Württemberg könnte Signalwirkung haben - aber in Berlin liegen die Tarifparteien noch auseinander.

Es war wie schon oft in den vergangenen Monaten: Rot-weiße Gewerkschaftsfahnen flatterten am Alexanderplatz im Wind, Menschen mit Transparenten und Signalwesten bliesen in Trillerpfeifen und trugen Plakate umher. Etwa 600 Beschäftigte des Einzelhandels in Berlin und Brandenburg, von Rewe über Thalia bis zu Netto, demonstrierten am Donnerstag für eine bessere Bezahlung. Das wollen sie auch im Weihnachtsgeschäft tun, der umsatzstärksten Zeit des Jahres. „Wenn uns die Arbeitgeber nicht entgegenkommen, organisieren wir weiterhin Umsatzverluste“, sagte Erika Ritter, Verhandlungsführerin bei der Gewerkschaft Verdi.

Dabei hatten Arbeitgeber und Verdi in Baden-Württemberg wenige Stunden zuvor einen Kompromiss im seit Monaten anhaltenden Tarifstreit gefunden. Das Paket könnte ein Modell für den Rest des Landes werden: Die Beschäftigten dort bekommen rückwirkend zum 1. Juli drei Prozent mehr Gehalt und ab dem 1. April 2014 noch einmal 2,1 Prozent. Die neue Vereinbarung läuft bis Ende März 2015. Zudem setzen die Arbeitgeber den gekündigten Manteltarifvertrag wieder in Kraft.

Auch für den zuletzt größten Knackpunkt gibt es eine Lösung

Auch für den zuletzt größten Knackpunkt gibt es eine Lösung: Für Regal-Auffüller, oft bei Fremdfirmen angestellt und per Werkvertrag an die Händler ausgeliehen, wird es eine eigene Lohngruppe mit knapp zehn Euro Stundenlohn geben. Bislang verdienen sie sechs bis sieben Euro in der Stunde. So sollen die Handelskonzerne dazu bewegt werden, für diese Aufgabe wieder eigenes Personal einsetzen.

„Dies ist ein gutes Signal, dass wir auch in den anderen Tarifgebieten nun zu einer Lösung kommen, auch wenn dort die Ausgangssituation eine andere ist“, kommentierte Ulrich Köster, Tarifchef beim Branchenverband HDE. Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Franke sprach von einem „tarifpolitischen Meilenstein“. Der Erhalt des Flächentarifvertrags sei ein „Bollwerk gegen zunehmende prekäre Beschäftigung im Handel“. Die Gewerkschaft fordert, dass die Tarifwerke für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann würden sie auch für Beschäftigte gelten, deren Chef nicht einem Tarifverband angehört. Entscheiden müsste dies der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

In Berlin und Brandenburg geht es auch um Einmalzahlungen

Allerdings: Pilotbezirke wie etwa in der Metallbranche, deren Ergebnis andere Tarifgebiete oft eins zu eins übernehmen, gibt es im Handel nicht. In Berlin und Brandenburg mit seinen knapp 200 000 Beschäftigten dürfte die Einigung aus dem Südwesten kaum eine Chance haben, auch wenn die Gewerkschaften gegen derlei Bedingungen nichts einzuwenden hätte. „Der Teufel steckt im Detail. Wir checken gerade, wie die Baden-Württemberger die Sache gelöst haben und schauen, ob das für uns interessant ist“, sagte Nils Busch-Petersen, Chef des Handelsverbands Berlin-Brandenburg.

Einer der Streitpunkte ist die Bezahlung der Regal-Auffüller. Die Arbeitgeber wollen ihnen 8,50 Euro zahlen – statt knapp zehn Euro wie im Südwesten. „Es soll den Arbeitnehmern was bringen, aber die Arbeitgeber nicht mehr kosten“, forderte Busch-Petersen. Verdi indes fürchtet, dass die Arbeitgeber auch andere Beschäftigte in eine neue, niedrigere Lohngruppe drängen – und am Ende viele weniger verdienen als bislang.

Ein anderes Thema ist die Angleichung von Einmalzahlungen: In West-Berlin liegen Urlaubs-und Weihnachtsgeld zusammen um fast 390 Euro höher als in Brandenburg. „Das muss angeglichen werden“, forderte Verdi-Verhandlerin Ritter. Kommende Woche wollen die Tarifpartner ausloten, ob es einen Weg zur Einigung gibt. Neuen Aktionen der Gewerkschaft sehen die Arbeitgeber gelassen entgegen. „Streiks haben das Weihnachtsgeschäft bislang nicht spürbar beeinträchtigt“, sagte Busch-Petersen. Seine Kontrahentin Erika Ritter von Verdi sieht das naturgemäß anders, doch: „Verhungern wird in Berlin und Brandenburg vor Weihnachten niemand“, versichert sie.

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