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Wirtschaft: Bessere Schüler, schlechte Auszubildende

Trotz der Fortschritte bei Pisa ist die deutsche Wirtschaft mit dem Bewerberangebot unzufrieden

Berlin - Von besseren Leistungen der deutschen Schüler – wie sie die jüngste Pisa-Studie bescheinigt – spüren die Unternehmen kaum etwas. Nach wie vor fehlt es oft an den einfachsten Grundkenntnissen: Rechnen, Schreiben und Lesen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Tagesspiegel unter Wirtschaftsverbänden und rund 30 Unternehmen – vom mittelständischen Betrieb bis zum im Deutschen Aktienindex Dax notierten Konzern. Lediglich bei VW, der Bahn, der Discount-Kette Lidl und der Messe Frankfurt fand man positive Worte über die Qualität der Bewerber.

„Für immer mehr Betriebe wird es schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, fast ein Viertel der Schulabgänger ist nach den Erfahrungen der Betriebe nicht in der Lage, eine Ausbildung erfolgreich zu bewältigen“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Heike Maria Kunstmann. Die Metall- und Elektroindustrie ist der größte deutsche Industriebereich. „Während den Lehrstellenbewerbern häufig das notwendige Wissen fehlt, haben angehende Akademiker zu wenig Interesse an Naturwissenschaften, Technik und Ingenieur-Studiengängen.“

In Berlin – das es im Pisa-Ländervergleich nur auf Platz 13 geschafft hat – sind große Firmen wie Wall oder Alba von den Fähigkeiten der Bewerber enttäuscht. So stellt Unternehmer Hans Wall eine „erschreckende Verschlechterung“ der Qualität der Azubis seit 2003 fest. Es mangele an Sprachkompetenz und an technischem Verständnis. Auch beim Berliner Recycling-Unternehmen Alba heißt es, die Probleme seien nicht weniger, sondern eher mehr geworden. Alba müsse bei Ausbildungsplatzbewerbern immer wieder einen „eklatanten Mangel an Grundwissen“ und „erhebliche Lücken im mathematischen und im grammatischen Bereich“ feststellen. Auch die Motivation lasse zu wünschen übrig: „Manche erscheinen zum Bewerbungsgespräch einfach gar nicht“, sagte Alba-Sprecher Axel Bahr. Anderen sei ein Anfahrtsweg von 50 Minuten mit der S-Bahn zu weit, wieder andere legten keinen Wert auf das äußere Erscheinungsbild. „Wir registrieren zum Teil eine regelrechte Scheiß-egal-Haltung.“ Von einem guten Bewerber erwarte Alba, dass er „zumindest die Grundrechenarten beherrscht und grammatisch halbwegs sattelfest ist“.

Ob Daimler-Chrysler, Metro, Deutsche Bank oder die Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport – sie alle sind unzufrieden mit der Bewerbersituation auf dem deutschen Ausbildungsmarkt. „Der generelle Trend über die letzten Jahre hinweg ist, dass wir bei den Auszubildenden erheblich nachschulen müssen“, sagte Metro-Sprecher Albrecht von Truchseß. Ob das beim kommenden Ausbildungsjahrgang anders sein werde, sei derzeit noch nicht abzusehen. „Dafür fehlen uns noch die Erfahrungswerte“, sagte von Truchseß. Metro bildet derzeit rund 8400 junge Frauen und Männer aus, allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 3000 neue Lehrlinge eingestellt. 2005 sollen noch einmal so viele dazu kommen.

Bei der Deutschen Post beginnen in diesem Jahr 2300 junge Leute eine Ausbildung. Ob die Qualität der Bewerber in den vergangenen beiden Jahren besser geworden ist, „damit beschäftigt sich keiner bei uns“, sagte eine Sprecherin. „Wir haben so viele Bewerber, dass wir die aussuchen können, die uns am geeignetsten erscheinen.“ Auch der Siemens-Konzern schaut sich „ohnehin nur die besten Leute“ an, wie ein Sprecher sagte. Bei Lidl ist es vor allem die Bewerberflut, die das Unternehmen zu dem Schluss kommen lässt, dass die Auswahl quantitativ und qualitativ besser geworden ist. Der Discounter will in diesem Jahr 1600 zusätzliche Lehrstellen schaffen und hat dazu die Aktion „Lidl sucht den Superazubi“ gestartet. Mehr als 80000 Bewerbungen sind bei dem Unternehmen eingegangen.

Dass die Maßnahmen, die in Folge der Pisa-Studie 2000 ergriffen worden sind, schon bald die Leistungsqualität der Auszubildenden hebt, glauben die meisten Firmen nicht. „Realistisch ist aber, dass die großen Erfolge erst mittelfristig zu sehen sind“, hieß es etwa bei der Allianz in München.

Dagmar Rosenfeld

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