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Wirtschaft: Biegen, bis es kracht

Probleme bei den Sicherheitstests für den neuen Riesen-Airbus A 380 machen das Unternehmen nervös – und die Finanzmärkte auch

Frankfurt - Testflugzeuge haben ein turbulentes Leben. In Tausenden von Flugstunden lassen sie heikle Übungen über sich ergehen, etwa spektakuläre Strömungsabrisse oder Maximalgeschwindigkeitsflüge in großer Höhe.

Die Materialtests am Boden aber geben einer Maschine schon mal den Rest. In einer Halle am Flughafen Dresden dehnen, stauchen und quetschen 190 Hydraulikzylinder derzeit einen Prototyp des neu entwickelten Riesen-Airbus A 380 – zwei Jahre lang, ohne Pause. Bei diesem so genannten Ermüdungstest werden Rumpf und Tragflächen in ein Stahlgerüst gesperrt und einer Belastung ausgesetzt, die der von 47 500 Flügen entspricht. Damit soll ein Lebenszyklus des weltgrößten Passagierflugzeugs von 25 Jahren simuliert werden.

Einer dieser extremen Belastungstests im Airbus-Stammwerk Toulouse ist in der Vorwoche knapp gescheitert. Als die Spitze einer A-380-Tragfläche um 7,40 Meter über ihre normale Position hinaus gebogen wurde, kam es zu einem Riss zwischen den beiden Triebwerken. Zwar hielt die Tragfläche dem 1,45fachen der maximalen Last stand, die im Flugbetrieb auftreten kann. Gesetzlich vorgeschrieben ist aber der 1,5fache Wert, um maximale Sicherheit zu gewährleisten. Als diese Nachricht die Öffentlichkeit erreichte, brach der Aktienkurs von EADS kurzfristig um 15 Prozent ein.

Bei derart extremen Belastungen sei das nicht überraschend, teilte Airbus mit: „Wir sind zuversichtlich, die Zulassungsanforderungen – eventuell mit einigen Optimierungen – zu erfüllen“, hieß es. Das könne in einem Test vorkommen und sei „kein Grund für Aufgeregtheiten“, erklärte auch die Europäische Flugsicherheitsbehörde EASA.

Bodentests wie der Bruchversuch bei Airbus sind Beispiele für den hohen Sicherheitsstandard im Flugzeugbau. Vor rund 50 Jahren, am Beginn des Jet-Zeitalters, zahlte die Branche noch tödliches Lehrgeld. Eines der ersten Düsenpassagierflugzeuge der Welt, die britische Comet, riss bei einer Absturzserie mehrere Dutzend Menschen in den Tod.

Zwar soll der jüngste Vorfall die für Oktober 2006 geplante Zulassung der A 380 nicht gefährden. Er sorgt aber für neue Probleme an einem Punkt, der als Schwachstelle des Flugzeugs gilt. Experten bringen den Tragflächenriss mit den Gewichtsproblemen des Großflugzeugs in Verbindung. Weil die A 380 zu schwer zu werden drohte, hatte Airbus-Chefingenieur Robert Lafontan noch einmal wesentliche Gewichtseinsparungen gefordert. Informationen des „Spiegel“ zufolge soll Lafontan während der Abspeckkur auch bei den inneren Flügelstrukturen Einsparungen durchgesetzt haben.

Beobachter rechnen damit, dass jetzt wieder Strukturverstärkungen an den Tragflächen erforderlich werden, die zu Lasten des Gewichts gehen könnten. „Es sieht nicht nach einer großen Geschichte aus“, sagte ein Manager eines Luftfahrt- Zulieferers. Airbus werde jedoch in seinen Bemühungen zurückgeworfen, „den Vogel leichter zu machen“.

Der Vorfall in Toulouse verdeutlicht, welche harte Arbeit noch vor den Airbus-Ingenieuren steht, bis die neue „Königin der Lüfte“ in den Liniendienst überführt werden kann. Bis zur Zertifizierung müssen die fünf Airbus-Testflugzeuge insgesamt 2500 Flugstunden absolvieren. Die erste A 380 mit der Seriennummer MSN 001 war am 27. April 2005 zu ihrem Jungfernflug gestartet. In der ersten Phase der Flugtests wurden zunächst Flugeigenschaften wie die Steigleistung untersucht oder das Verhalten bei geringer und bei Höchstgeschwindigkeit.

Das zweite Testflugzeug soll Funktionen von Triebwerken, Systemen und Materialien unter extremen Wetterbedingungen unter Beweis stellen. Während die ersten beiden Jets nur Testinstrumente sowie Wassertanks als Ballast an Bord haben, verfügen die dritte und vierte A 380 über voll ausgestattete Kabinen, damit Unterhaltungs- und Sicherheitssysteme sowie die Klimaanlage getestet werden können.

Eine dieser Maschinen soll bald erste Flüge mit Testpassagieren unternehmen und voraussichtlich Ende März einen kritischen Evakuierungstest durchführen, der ebenfalls Voraussetzung für die A-380-Zulassung ist: Airbus muss es bei dieser Notfallsimulation schaffen, 873 Fluggäste und Crewmitglieder innerhalb von 90 Sekunden über Notrutschen aus dem Flugzeug zu bringen. Als zusätzliche Hürde werden acht der 16 Notausgänge verschlossen bleiben.

Die Finanzmärkte sind inzwischen so nervös wie Airbus selbst: Sollte es mit der schnellen Evakuierung nicht klappen, dann dürften auch die Papiere der Airbus-Muttergesellschaft EADS wieder in Turbulenzen geraten.ebe/HB

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