zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Billig, billig, billig!

Der Handel steht unter Druck. Kunden können das ausnutzen. Wer jetzt kauft, kann mit kräftigen Rabatten rechnen

Von Heike Jahberg und

Maurice Shahd

Geiz ist geil“, lockt die Elektrohandels-Kette Saturn. „Ich bin doch nicht blöd“, sagt der idealtypische Kunde der Saturn-Schwester Media Markt und hält sein Geld zusammen. Keine Frage: Pfennigfuchser haben Hochkonjunktur. Je schlechter die Stimmung, je verängstigster die Konsumenten, desto mehr geraten die Händler unter Druck.

Um die verunsicherten Kunden doch noch zum Shoppen zu bewegen, muss sich der Handel einiges einfallen lassen. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Auf den Karstadt „Wunderbons“ können die Kunden noch zwei Wochen lang Rabattfelder freirubbeln und sich so einen zehnprozentigen Preisnachlass auf bestimmte Sortimente sichern. Außerdem kann man Sparcoupons ausschneiden und sich so die hauseigenen „Wunderangebote“ sichern – darunter Topfsets, Matrazen oder Winterstiefel. Und wer vom Einkauf ermattet ein Päuschen einlegen will, kann zwischen einem Sektfrühstück, Kaffee oder Muffins wählen – in der Cafeteria gegen Vorlage weiterer „Wunderbons“. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht. Sinn-Leffers belohnt Käufer mit einem Wertscheck von fünf Euro pro 50 Euro-Kaufsumme. Saturn lockte kürzlich mit zehnprozentigen Rabatten auf Markengeräte von AEG, Miele, Siemens und anderen – kostenlose Lieferung und Einbau inklusive.

Noch nie war Shoppen so billig wie heute. Verbraucher, die ihre Augen aufhalten, stoßen auf Sonderangebote an allen Ecken und Enden. Was der Textilkonzern C & A am Jahresanfang mit seinem Euro-Rabatt angestoßen hat, hat auch bei anderen Anbietern Schule gemacht. Oft haarscharf an den strengen Regeln des Wettbewerbsrechts vorbei, versuchen Kaufhäuser, Möbelgeschäfte und Elektro-Märkte die Kauflust der Kunden mit Schnäppchenpreisen und Aktionen zu wecken.

Welchen Weg der Händler geht, hängt von der Größe und der Unternehmensphilosophie ab. Seitdem im vergangenen Jahr das Rabattgesetz gefallen ist, lässt sich besonders in kleineren Läden feilschen (siehe nebenstehenden Artikel). Aber auch beim Berliner Elektroartikel-Händler Innova können Kunden mit geschicktem Verhandeln den Preis drücken. „Fast jeder Preis ist bei uns verhandelbar“, sagt Geschäftsführer Henry Neumann. Nur bereits stark reduzierte Ware, die eigens mit roten Punkten gekennzeichnet ist, wird nicht mehr weiter herabgesetzt - egal, wie hartnäckig die Verbraucher auch insistieren.

Bei der Konkurrenz herrschen andere Sitten. „Wir lassen nicht mit uns handeln“, sagt Manuela Drexelius, Sprecherin der Metro-Töchter Saturn und Media Markt. Für beide Ketten gilt: Feilschen ist nicht drin. Kann der Kunde aber nachweisen, dass es den Fernseher, die Waschmaschine oder den Camcorder bei einem Geschäft in der Nähe billiger gibt, gehen Saturn und Media Markt mit dem Preis runter – die „Tiefpreisgarantie“ soll dem Kunden stets die günstigsten Preise sichern, verspricht Drexelius.

Das garantiert aber auch der ProMarkt. „Bei uns zahlen Sie immer den Tiefpreis“, wirbt der Händler in seinen Anzeigen und verspricht: Sollte man beim ProMarkt einkaufen und innerhalb von 30 Tagen bei einem anderen Anbieter mit vergleichbaren Leistungen im Umkreis von 30 Kilometern das gleiche Produkt billiger sehen, erstattet ProMarkt den Differenzbetrag – auch nachträglich.

Kühlschränke, Videorecorder oder CD-Player zum Billigtarif – das zieht. Während andere Händler derzeit auf ihren Geräten sitzen bleiben, läuft das Geschäft bei den großen Discount-Ketten gut. „Wir behaupten uns auch in Krisenzeiten“, sagt MediaMarkt/Saturn-Sprecherin Drexelius. Das Aldi-Prinzip funktioniert auch bei weißer und brauner Ware. „Die Leute gehen zum Discounter - nicht nur bei Lebensmitteln“, sagt Sprecherin Drexelius. „Erhebliche Zuwächse“ verzeichnet auch Henry Neumann von Innova. Zusätzliches Bonbon für Inhaber der Innova-Rabattclubkarte: fünf Jahre Garantie auf nahezu alle Geräte.

Auch bei anderen Unternehmen sind Kundenkarten ein beliebtes Instrument, Kunden an sich zu binden. Die größten Programme sind Payback (Kaufhof, Obi und andere) mit 19,5 Millionen Kartenbesitzern und „Happy-Digits“ von Karstadt und Deutscher Telekom mit sieben Millionen Karteninhabern. Bezahlen die Kunden mit den Karten, sammeln sie Punkte im Wert von einem bis drei Prozent der Kaufsumme, die sie später in Prämien eintauschen können. Dazu erhalten die Kartenbesitzer zusätzliche Vergünstigungen. Zum Beispiel werden sie über Sonderangebote frühzeitig informiert oder zu exklusiven Verkaufevents eingeladen. Das neueste Angebot bei Happy-Digits: Kartenbesitzer erhalten Vergünstigen für Konzerte, Musicals oder Vergnügungsparks.

Verbraucherschützer zweifeln aber am Sinn der Karten. „Die Rabatte, die man mit den Kundenkarten erzielt, sind ein Klacks“, sagt Manfred Dimper, Handelsexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Dafür müssten die Kunden zum Teil sehr genaue Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse machen, um an die Karte heranzukommen, oder an bestimmten Aktionen teilnehmen zu können. Zusammen mit den Daten, die beim Kauf mit der Karte erhoben werden, können die Händler recht genaue Käuferprofile von ihren Kunden erstellen. „Kennt der Anbieter den Kunden, kann er ihm individuelle Angebote machen“, sagt Dimper.

Wer keine Kundenkarten ausgeben, aber dennoch treue Kunden belohnen will, greift gern auf Tante-Emma-Methoden zurück: Rabattheftchen und Sammelkarten. Wer bei Salamander sechs Paar „Lurchi“-Schuhe kauft, bekommt einen Nachlass von 20 Prozent auf das nächste Paar – vorausgesetzt, man hat brav die entsprechenden „Lurchi-Punkte“ in seinem Familienheftchen gesammelt. Auch Coffee-Shops bedienen sich gern der Sammelkärtchen. Neun Stempel auf der Kaffee-Sammelcard, dann gibt es bei „Coffee Culture“ den Zehnten gratis, bei der Berliner Kaffeerösterei gilt dasselbe Prinzip, allerdings ist hier erst Nummer elf umsonst.

Sparen kann man auch übers Internet. Wer die Websites www.123coupons.de oder www.couponweb.de anklickt, muss nur noch die Gutscheinrubriken anclicken und den jeweiligen Bon ausdrucken. Zur Belohnung winken Rabatte beim Mietauto-Verleiher Sixt, beim Blumenversender Fleurop und zahlreichen anderen Anbietern.

Billig, billig, billig – das ist der eine Weg. Der andere heißt: mehr Service fürs Geld. Viele Händler machen den Kunden den Kauf eines Produktes schmackhaft, indem sie ihn mit einer Dienstleistung garnieren. Das kann die kostenlose Lieferung der Waschmaschine, die Änderung eines Kleidungsstückes oder eine günstige Finanzierung sein. Möglich macht die neuen Services der Wegfall der Zugabenverordnung. „Früher hätten wir sofort die Wettbewerbszentrale auf der Matte stehen gehabt, die einen Gratis-Service als unerlaubte Zugabe gewertet hätte“, sagt Karstadt-Sprecher Michael Scheibe. Heute kann Karstadt in seinen „Wunderwochen“ eine herabgesetzte Bauknecht-Waschmaschine samt Gratis-Lieferung anbieten. So können die Käufer sperriger Produkte 30 bis 40 Euro sparen und riskieren keinen Bandscheibenvorfall. Matrazen werden nicht nur kostenlos entsorgt, für die alten gibt es sogar noch ein paar Euro extra.

Geboten wird, was zum Angebot passt. „Wir machen´s passend“, versprach C & A kürzlich und richtete einen kostenlosen Hosen-Änderungsservice ein. Ein Vorbild? Glaubt man dem Einzelhandelsverband HDE, sollten vor allem kleinere Fachhändler mehr auf Service setzen. „Vielleicht sind die Produkte dort etwas teurer, dafür lässt sich leichter ein kostenloser Liefer- und Installationsservice aushandeln“, sagt HDE-Sprecher Pellengahr. Handwerksleistungen bietet jetzt auch der Quelle-Versand an. Die Leistungen reichen von der Installation und Reparatur von Elektrogeräten bis zur Renovierung von Wohnungen oder Häusern. Mit transparenten Kostenvoranschlägen, Festpreisen und einer Fünf-Jahres-Garantie will Quelle der Handwerkerzunft Konkurrenz machen und Kunden an sich binden. Noch ist der Service auf Franken und Hamburg beschränkt. Bis Mitte 2003 soll er auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden. Auch die Obi-Baumärkte bieten an ausgewählten Standorten einen Renovierungsservice zu Festpreisen. Wer lieber selbst Hand anlegen will, kann sich beim Obi-Geräteservice das richtige Handwerkszeug mieten, vom Akkuschrauber für acht Euro pro Tag bis zum Radlader für 180 Euro täglich. Oder man kauft das Werkzeug doch selbst – solange die Preise noch so verführerisch niedrig sind wie derzeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false