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Wirtschaft: Billige Pillen

Die Kassen wollen die Festbeträge für Medikamente deutlich senken – wer auf andere Präparate ausweicht, spart

Die Schmerzen über die Praxisgebühr sind kaum abgeklungen, da drohen Verbrauchern schon neue finanzielle Gebrechen – durch die neuen Festbeträge für Medikamente. „Die neue Regelung kann spürbare finanzielle Auswirkungen auf die Patienten haben“, sagt Leonhard Hansen, der zweite Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dem Tagesspiegel. „Im Einzelfall kann das brutal sein.“

Die Festbeträge sind bereits 1989 eingeführt worden. Sie sind eine Obergrenze, bis zu der die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für bestimmte Arzneiwirkstoffe oder Wirkstoffgruppen bezahlen. Verordnet der Arzt ein teureres Medikament, muss der Versicherte die Mehrkosten selbst tragen. Da das aber niemand will, haben die Ärzte entweder preisgünstigere Medikamente verordnet oder die Pharmahersteller haben den Preis ihrer Medikamente auf das Niveau des Festbetrages abgesenkt. Das hat die Arzneimittelkosten gedrückt und kam damit nicht nur den Krankenkassen, sondern auch den Versicherten zugute.

Doch diesmal könnten die Verbraucher die Verlierer sein. Denn die Pharmaverbände haben gedroht, ihre Preise diesmal nicht zu senken. Hohe Kosten drohen vor allem jenen Patienten, die regelmäßig auf Medikamente angewiesen sind. Sie müssen die Differenz zwischen Festbetrag und Apothekenpreis eines Medikaments aus eigener Tasche zahlen – und das zusätzlich zu den neuen gesetzlichen Zuzahlungen von fünf bis zehn Euro pro Medikament, die ab dem 1. Januar gelten.

Ein kleiner Trost: Es gibt Alternativen, die den Arzneikauf ein bisschen günstiger machen. So können Patienten, die ihre Medikamente zum Teil selbst bezahlen müssen, in der Apotheke nachfragen, ob es für die gewünschte Arznei ein preisgünstiges Nachahmerpräparat gibt. Solche Generika enthalten den gleichen Wirkstoff, sind aber meist deutlich günstiger als das Originalpräparat. Medizinische Bedenken gibt es in der Regel nicht. „Eine Umstellung auf wirkstoffgleiche Medikamente ist nicht problematisch“, sagt KBV-Vize Hansen, der auch Arzt ist. Die Ersatzpräparate kämen oft sogar aus dem gleichen Unternehmen und hätten nur eine andere Verpackung. Verbraucher können in der Apotheke auch nach Reimporten fragen. Das sind Medikamente, die in Deutschland hergestellt, ins Ausland exportiert, und dann auf Grund der niedrigeren Preise nach Deutschland reimportiert werden. Vorsicht ist bei den Ersatzprodukten nur geboten, wenn der Arzt ausdrücklich ein bestimmtes Medikament verordnet hat.

Bei welchen Pillen es sich künftig lohnt, in der Apotheke nach Alternativen zu fragen, ist noch nicht ganz klar. Die Krankenkassen haben am Freitag zwar beschlossen, die Festbeträge für bestimmte Arznei-Gruppen zum 1. April zu senken. Allerdings ist noch nicht ganz klar, wie stark der Festbetrag bei einzelnen Medikamenten, also einem bestimmten Blutdrucksenker oder einem einzelnes Herz-Kreislauf-Präparat sinken wird. Dazu gibt es zwar Vorschläge, die Details sollen aber erst später geregelt werden. „Wie scharf die Absenkungen im Einzelfall sind, sei derzeit aber noch nicht absehbar“, sagt Ulrich Vorderwülbecke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA).

Auf jeden Fall befürchtet er aber, dass die Einschnitte schmerzhaft werden. Auch für die Patienten. Ein Beispiel: Der Festbetrag für einen so genannten ACE-Hemmer, also ein Mittel gegen Bluthochdruck, liegt nach VFA-Angaben derzeit bei 34,60 Euro. Nach den Plänen der Kassen soll der Betrag auf 22,49 Euro gesenkt werden. Selbst, wenn der Hersteller des Präparates den Verkaufspreis auf 30 Euro absenken würde, sagt Vorderwülbecke, müsste der Patient die Differenz von 7,51 Euro selbst bezahlen. Aber nicht nur das: Zu der Differenz zwischen Festbetrag und tatsächlichem Preis käme noch die neue Zuzahlung. Also noch einmal zwischen fünf und zehn Euro pro Arznei.

Die Krankenkassen halten dagegen, dass die Mehrbelastung nur Einzelfälle trifft und sie außerdem mit den neuen Festbetragsregelung die Gesundheitskosten insgesamt niedrig halten. Die Spitzenverbände der Kassen haben ausgerechnet, dass die Neuregelung den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung rund 400 Millionen Euro pro Jahr erspart. „Mit dem heutigen Beschluss zu den Festbeträgen haben die Krankenkassen Einsparungen bei den Arzneimitteln durchgesetzt, ohne dass es für die Versicherten zu Qualitätseinbußen kommt“, sagte Wolfgang Schmeinck, Vorstandschef des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK).

Außerdem hoffen Kassen und Ärzte, dass die Pharmaunternehmen ihre Preise allen Drohungen zum Trotz doch noch breitflächig anpassen werden. „In der Regel senken die Hersteller ihre Preise auf Festbetragsniveau“, sagt Florian Lanz, der Sprecher des BKK-Bundesverbandes. Auch KBV-Vize Hansen geht davon aus, dass sich alles noch zum Guten für die Patienten wendet. „Ich bin zuversichtlich, dass die Pharmaunternehmen ihre Preise senken werden“, sagt er.

Maren Peters

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