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Woher kommen die Solarmodule? Dem Betreiber dieser Solaranlage im im nordrhein-westfälischen Inden dürfte das ziemlich egal sein. Preis und Qualität sind entscheidend. Foto: dpa

© dpa

Billige Solar-Importe: EU-Strafzölle gegen China niedriger als erwartet

Es ist der größte Anti-Dumping-Streit in der Geschichte - und die Europäer machen zumindest ein bisschen ernst: Brüssel belegt Solar-Komponenten aus China mit einem Strafzoll. Der ist aber erst einmal relativ niedrig.

Chinas neuer Regierungschef Li Keqiang hatte nichts unversucht gelassen. Er ließ seine Botschafter in den EU-Ländern ausschwärmen, um in bisher ungekannter offen Lobbying für die heimische Solarindustrie zu betreiben. Vor anderthalb Wochen überzeugte Li auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im persönlichen Gespräch in Berlin endgültig davon, dass es eine sehr schlechte Idee sei, Chinas Solarfirmen mit Strafzöllen zu belegen. Doch weil das Anti-Dumping-Verfahren – das mit Abstand bisher größte dieser Art – in Brüssel längst in Gang gesetzt worden war, konnte auch Merkel kaum mehr tun, als ihren Unmut ausdrücken. Mit einem Telefonanruf bei EU-Kommissionschef José Manuel Barroso in der Nacht zu Dienstag soll Li den ganz harten Schlag schließlich abgewendet haben.

Am Dienstag teilte die Kommission zwar mit, dass sie vom morgigen Donnerstag an chinesische Hersteller von Solarwafern, Solarzellen und fertig montierten Solarpaneelen mit einem vorläufigen Strafzoll belegen wird. Dieser wird aber zunächst nur zwei Monate lang gelten. Auch sollten Importe zunächst auch nur mit einem Aufschlag von von 11,6 Prozent des Warenwertes belegt werden. Erst ab dem 6. August würden Zölle von durchschnittlich 47,6 Prozent erhoben, in der Höhe, die nötig sei, um den durch Dumping verursachen Schaden von Europäischen Industrie abzuwenden, hieß es.

Es ist der vorläufige Höhepunkt in dem bisher größten Anti-Dumping-Verfahren der Welt. Groß macht es das Volumen: Im Jahr 2011, dass dem Verfahren zu Grunde liegt, exportierten chinesische Firmen Solaranlagen und Komponenten im Wert von rund 20 Milliarden Euro in die europäischen Union. Die EU-Kommission glaubt jetzt, nach monatelangen Prüfungen, nachgewiesen zu haben, dass die chinesischen Hersteller wie Suntech, LDK Solar oder Yingli, ihre Waren unter dem sogenannten Normalwert in Europa verkauft haben. So hätten sie erreicht, dass zuletzt vier von fünf neu installierten Solarmodule in Europa aus China stammten – während heimische Hersteller massiv Marktanteile verloren.

Einige Hersteller wie Q-Cells aus Sachsen-Anhalt oder Solon aus Berlin gingen auch wegen der Billig-Waren aus China in die Insolvenz. Einer der letzten verblieben Hersteller, Solarworld aus Bonn, hatte das Anti-Dumping-Verfahren in Brüssel im vergangenen September angestrengt – gemeinsam mit 20 anderen Unternehmen, vor allem aus Deutschland und Italien. Solarworld-Manager Milan Nitzschke, der als Präsident des Verbandes EuProSun für die Strafzölle zeigte sich am Dienstag mit dem Beschluss der Kommission nicht wirklich zufrieden. „Die Einführung von Strafzöllen, um das Dumping aus China zu beenden, war längst überfällig“. In den zwei Monaten, die die EU nun Raum für weitere Verhandlungen lässt, müsse China „substanzielle Zugeständnisse machen“. Blieben die aus und sollten die EU dann trotzdem darauf verzichten, den vollen Strafzollsatz von gut 47 Prozent zu verhängen, bräuchte die EU gar keine Anti-Dumping-Verfahren mehr einzuleiten. Sie wäre für niemanden mehr glaubwürdig.

EU-Handelskommissar Karel de Gucht sah sich am Dienstagnachmittag zunächst genötigt, zu erklären, warum er als Liberaler überhaupt bereit ist, Strafzölle zu verhängen. „Es geht darum, Regeln zu befolgen. Liberale sind schließlich keine Anarchisten“, sagte er in Brüssel. De Gucht machte deutlich, dass er nicht bereit war, ganz auf Strafmaßnahmen gegen die Volksrepublik zu verzichten wie unter anderem auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gefordert, indem sie öffentlich eine „Verhandlungslösung“ mit Peking gefordert hatten. Rösler hatte die Sanktionen gar einen „schweren Fehler“ genannt.

Gespräche hatte de Gucht zwar ebenfalls befürwortet, jedoch darauf verwiesen, dass die Zeit dafür erst nach der vorläufigen Einführung von Strafzöllen komme. Darüber entscheidet die EU-Kommission dem Lissabonner Vertrag zufolge selbstständig. Nun folgen eine noch detaillierte Untersuchung der chinesischen Solarindustrie und möglicherweise Gespräche mit Peking. Erst wenn es dann, Anfang Dezember, wenn es darum gehen sollte, dauerhaft Strafzölle zu erheben, müsse eine Mehrheit der EU-Staaten zustimmen, erklärte De Gucht das Verfahren, das im Übrigen auch vor dem WTO-Gericht in Genf überprüft werden kann.

Kritik an dem Beschluss kam am Dienstag vom Bundesverband der Deutschen Industrie. „Die Verhängung vorläufiger EU-Strafzölle muss jetzt dazu genutzt werden, bis spätestens Ende des Jahres eine Lösung auf dem Verhandlungsweg zu finden“, teilte der BDI mit.

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