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Billigflieger: Easyjet gar nicht mehr easy

Der Billigflieger Easyjet kämpft mit Ausfällen. Jetzt fordert der Hauptaktionär innerhalb der nächsten 90 Tage die Pünktlichkeit auf den "höchsten Standard" zu bringen, sonst will er den Markennamen streichen lassen.

Berlin - Diese Schlagzeile soll ihm den Rest gegeben haben. „Aufgedeckt: Easyjet unpünktlicher als Air Zimbabwe“, schrieb die „Sunday Times“. Daraufhin schickte der britisch-zypriotische Gründer und Großaktionär der Billigfluglinie, Sir Stelios Haji-Ioannou, am Montag über seine Londoner Anwälte einen gepfefferten Brief an den Easyjet-Vorstand. In dem Schreiben, das auch dem Tagesspiegel vorliegt, droht er ihm mit Entzug der Erlaubnis, den Markennamen „Easy“ weiter führen zu dürfen. Die neuen Chefs hätten 90 Tage Zeit, die Pünktlichkeit der Flüge auf die „höchsten Standards in der Flugbranche zu bringen“, so fasst Haji-Ioannous Holding, die Easy Group, den Brief zusammen. Sonst sei ab dem 17. Oktober Schluss mit Easy.

Der 43-jährige Entrepreneur, der im Konzern und in der Branche schlicht Stelios genannt wird, hatte die Linie im Alter von 27 Jahren gegründet und nach und nach 19 weitere Easy-Marken aufgebaut, darunter eine Kette für Autovermietungen, Kinos, Internetcafés und den Bringdienst Easypizza. An Easyjet hält Stelios noch 38 Prozent der Anteile.

Bis Mai saß er noch selbst im Führungsgremium der Fluglinie, zog sich aber mit Kritik an der Expansionsstrategie aus dem operativen Geschäft zurück und kündigte an, sich fortan ganz auf seine Rolle als Aktionär zu konzentrieren. Wie das geht, bekam diese Woche der ehemalige Chef der Airline, Andy Harrison, zu spüren, der zum Juni nach fünf Jahren gehen musste: „Es ist bedauerlich, dass das offenkundige Missmanagement von Harrison in den vergangenen sechs Monaten seiner Amtszeit als Vorstandschef so zum Verfall des Kundenservicestandards von Easyjet beigetragen hat“, schrieb Stelios in einer Pressemitteilung.

Er habe viele Beschwerden von Piloten erhalten, wonach die Airline zu wenig Personal beschäftige, um alle Flüge abzuwickeln, die sie ihren Kunden verkauft hat. „Sofern Mike Rake und Carolyn McCall (die neuen Chefs, Anm. der Red.) nicht etwas unternehmen, um die Lage der reisenden Öffentlichkeit zu verbessern, bleibt mir keine andere Wahl, als den Markennamen zu entziehen.“

Das ist wohl ein neuer Tiefpunkt in der 15-jährigen Geschichte von Europas zweitgrößter Billigfluggesellschaft. Der Kurs der Aktie hat sich seit ihrem Rekordhoch vor gut drei Jahren zeitweilig halbiert. Ein Grund war die isländische Aschewolke: In jenen Tagen ab Ende März saß jeder Fünfte der eine Million beförderten Passagiere unfreiwillig fest. Easyjet zahlte 100 000 Hotelübernachtungen. Und dann sind da die Streiks der Fluglotsen, die sich gegen Pläne der EU wehren, die nationalen Flugräume zusammenzulegen. 45 Streiks will Easyjet seit Weihnachten gezählt haben. Diese Woche waren die Franzosen dran. Deshalb seien allein in Berlin am Mittwoch neun Easyjet-Flüge ausgefallen.

Einige Berliner Fluggäste, die in den vergangenen Wochen von Ausfällen betroffen waren, haben – wie am Dienstag berichtet – Beschwerde beim Luftfahrtbundesamt eingelegt. Sie wollen Entschädigungszahlungen erwirken und beklagen sich zudem darüber, dass Easyjet die Ausfälle in Schönefeld schlecht gemanagt habe. Dadurch sei Chaos entstanden. Easyjet reagiere auch nicht auf E-Mails, obwohl das für Passagiere praktisch der einzige Weg ist, mit der Gesellschaft zu kommunizieren.

Vulkanasche und Lotsenstreiks treffen naturgemäß alle Fluggesellschaften. Warum aber entstand zuletzt in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass Easyjet besonders schlecht damit umgeht? Bei der Airline spricht man von einer „Kampagne“ gegen das Unternehmen. Es sei ganz natürlich, dass Easyjet besonders hart von externen Faktoren getroffen werde, da man das größte Streckennetz in Europa habe: 500 Städteverbindungen. Und die Ausfälle in dieser Woche begründete Sprecher Oliver Aust am Donnerstag mit dem Umstand, dass Easyjet 65 Prozent der Routen über den französischen Luftraum leite, so viele wie sonst nur Air France.

Beim Kabinenpersonal und der Gewerkschaft Verdi spricht man dagegen von einem strukturellen Problem. Die Personaldecke von Easyjet sei zu dünn, daher fehle Ersatz, wenn wegen einer Verspätung einmal eine Crew ausfalle oder diese nicht fliegen dürfe, weil die Arbeitszeit überschritten sei. „Wir verstärken uns“, entgegnete Sprecher Aust gestern. Seit Jahresbeginn habe man die Zahl der Mitarbeiter im Kundenservice europaweit auf 900 vervierfacht und drei weitere Maschinen gechartert. Allein in Berlin arbeite man derzeit 20 neue Piloten und Flugbegleiter ein, die das örtliche 300-Personen-Team verstärken sollen.

Kritiker des Investors Stelios behaupten, es ginge mit der Namensdrohung nur darum, den Druck auf das neue Management zu erhöhen, um es dazu zu bringen, ihm endlich wieder eine Dividende auf seine Easyjet-Aktien zu zahlen. Wenn Geld fließt, werde Stelios sich schon wieder beruhigen, heißt es. Diese Erfahrung durfte auch Michael O’Leary, Chef des irischen Konkurrenten Ryanair, machen. Seine Leute hatten Anzeigen geschaltet, in denen Stelios mit Pinocchio-Nase abgebildet und als „Easyjets Mr. Late Again“ bezeichnet wurde. Stelios reichte Klage ein, zog diese vor zwei Wochen aber zurück, als O’Leary ihm ein „Schmerzensgeld“ in unbekannter Höhe zahlte.

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