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Wirtschaft: Biotechnologie: "Ei-Spender für Stammzellenforscher gesucht"

"Einige Leute wissen nicht, was wir hier machen. Sprechen Sie also besser über Stammzellen, nicht über menschliche Embryonen.

"Einige Leute wissen nicht, was wir hier machen. Sprechen Sie also besser über Stammzellen, nicht über menschliche Embryonen." Dies sagt Bernat Soria, bevor er die Besucher durch sein Labor führt. Kurz darauf stellt Soria eine Petrischale unter ein Mikroskop. Dort schwimmen, in einer rötlichen Flüssigkeit, Zellen aus einem menschlichen Embryo. Soria zeigt, wie sich mehrere von den Zellen bereits zu Nervenzellen entwickeln. Andere bilden später Herzgewebe, das in der Petrischale schlägt.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Soria, ein Wissenschaftler der Universität von Miguel Hernandez, hofft Diabetes zu heilen, indem er die Stammzellen in Insulin-Zellen verwandelt und sie dann in einen Diabetes-Patienten verpflanzt. Fünftausend Kilometer entfernt, in Worcester, Massachusetts, bereitet der Forscher Michael West von Advanced Cell Technology Inc. das für viele noch Undenkbarere vor. Er will den ersten geklonten menschlichen Embryo der Welt schaffen: eine mikroskopisch kleine, aus 150 Zellen bestehende Version einer schon lebenden Person. Solche Embryos sollen als Quelle für frisches Gewebe dienen, mit dem Forscher Diabetes, Herzkrankheiten und andere lebensbedrohliche Leiden behandeln wollen. Stammzellen spielen für das therapeutische Klonen eine Schlüsselrolle. Sie haben die erstaunliche Fähigkeit, zu jedem Zelltyp des Körpers zu werden: also auch zu Leber-, Muskel- und Herzzellen. Stammzellen aus durch Klonen erzeugten Embryos sind für die Transplantation besonders interessant. Sie sind genetisch mit dem Geklonten identisch und würden mit geringerer Wahrscheinlichkeit vom Immunsystem abgestoßen.

Für einige stammen die Szenen, die sich in den Labors von Soria und West abspielen, aus einem Horror-Film: werdendes menschliches Leben, erschaffen durch Klonen, benutzt als Rohstoff für Hightech-Gewebefabriken. US-Präsident George W. Bush und seine Berater zerbrechen sich den Kopf darüber, ob sie in den USA die staatliche Förderung von Stammzellen-Forschung weiter verbieten sollen. In Deutschland geraten Forscher, die auf diesem Gebiet arbeiten, unter Druck. Nichts von dem hat europäische Wissenschaftler davon abgehalten, weiter an Stammzellen zu forschen. Sogar der noch größere Traum vom therapeutischen Klonen rückt näher: Seit Januar lässt Großbritannien - Heimat des ersten Retorten-Babys und des Schafs Dolly - als einziges Land das therapeutische Klonen ausdrücklich zu.

"Wenn die Leute über das Klonen reden, denken sie an identische Kopien. Sie denken nicht an Heilung und Therapie", sagt Soria. "Das ist die neue Grenze", sagt Soria. Die spanischen Gesetze sind weniger eindeutig, doch das schreckt Soria nicht ab. Vor kurzem habe er eine große Anzahl von Stammzellen aus menschlichen Embryos dazu gebracht, Insulin zu produzieren, sagt er. Anfang nächsten Jahres will er sehen, ob sie genügend Insulin liefern, um eine Maus mit Diabetes zu heilen. Wenn alles klappt, könne er vielleicht schon in drei Jahren Insulin-Zellen in einen Menschen übertragen, sagt Soria. Bei Mäusen funktioniert die Methode bereits. Soria entnahm Stammzellen aus einem gewöhnlichen Maus-Embryo und verwandelte sie in Insulin-produzierende Zellen. Einige Monate später verpflanzte er die Insulinzellen in eine Maus mit Diabetes. Bis zum nächsten Tag hatte sich der Blut-Glucosespiegel des Tieres normalisiert - ein Zeichen dafür, dass genug Insulin produziert wurde. Der Glucosespiegel war noch ein Jahr später auf normalem Niveau.

Doch das alles ist nur Vorarbeit. Sorias Fernziel ist, geklonte - also genetisch mit dem zu heilenden Organismus identische - Zellen für die Therapie herzustellen. Dazu ist ein "Kerntransfer" nötig: Die Forscher entfernen den Kern einer beliebigen Eizelle und ersetzen ihn mit der DNA einer erwachsenen Zelle des Patienten. Mit dieser Methode wurde auch Dolly erzeugt, als Kopie eines - in Dollys Fall gesunden - älteren Schafs. Soria wurde jedoch schnell klar, dass es viel schwerer sein würde, einen Menschen zu klonen als ein Schaf. Als die Forscher Dolly erschufen, verbrauchten sie Hunderte von Schaf-Eizellen, bis die Methode funktionierte. Schaf-Eizellen sind leicht zugänglich. "Aber wenn man vorhat, 100 menschliche Eizellen zu verwenden, muss man sich die Sache zweimal überlegen", sagt Soria.

Die US-Firma Advanced Cell Technology bereitet seit vergangenem September genau dieses Experiment vor. Das Unternehmen schaltete Zeitungsanzeigen, in denen es Frauen als Eizellen-Spenderinnen sucht. Nach Aussage von Michael West, Chef von Advanced Cell, verfügt die Firma jetzt über diese Zellen. Nun will das Unternehmen bald auf ähnliche Weise wie bei Dolly durch Kerntransfer winzige menschliche Embryos schaffen, die genetische Zwillinge lebender Menschen sind. Die Firma sagt, sie kenne kein Gesetz, das ihr Forschungsvorhaben stoppen könnte. West hat in der Firma ein Ethik-Gremium gebildet, das die Richtung der Forschung mit bestimmen soll. Zwei Berater haben ihren Posten jedoch schon wieder niedergelegt und Kritiker haben sich zu Wort gemeldet.

Der Ethik-Professor Leon Kass von der Universität Chicago sagte im Juni bei einer Anhörung im Kongress: "Wenn einmal geklonte menschliche Embryos in Labors hergestellt werden, hat die eugenische Revolution begonnen und wir haben die größte Chance verpasst, etwas dagegen zu tun." Das achtköpfige Ethik-Gremium traf sich Ende August vergangenen Jahres zum ersten Mal. Es ging um die Frage, wie Advanced Cell menschliche Eizellen erwerben solle. Eizellen sind bei kommerziellen Vermittlern erhältlich, aber ein Mitglied der Gruppe sprach sich gegen diesen Weg aus. Damit die Frauen der Verwendung der Eizellen für die Zwecke des Unternehmens wirklich zustimmen können, müsse Advanced Cell die potentiellen Spenderinnen direkt ansprechen. Daraufhin brachte Advanced Cell seine Kleinanzeige in die Zeitung: "Forscherteam sucht Frauen zwischen 21 und 35 mit mindestens einem Kind als Eizellen-Spenderinnen für Stammzellen-Forschung. Aufwandsentschädigung." Ungefähr sechzig Frauen haben sich bis jetzt gemeldet.

Ann Kiessling hat die Aufgabe, die potentiellen Spenderinnen über das Projekt aufzuklären und sicherzustellen, dass sie alles verstehen. Sie ist Mitglied des Ethik-Gremiums und Reproduktionsmedizinerin am Beth Israel Deaconess Medical Center der Harvard-Universität. "Ich informiere sie darüber, dass ihre Eizellen für eine ähnliche Prozedur verwendet werden sollen wie bei Schaf Dolly", sagt sie. Damit nicht finanzielle Motive die Frauen unangemessen beeinflussen, liegt die Bezahlung nach Angaben des Unternehmens bei 4000 Dollar. Das ist etwas weniger als eine Klinik für Fortpflanzungsmedizin bieten würde. Advanced Cell schweigt darüber, wie viele Frauen sich zu der Entnahme-Prozedur bereit erklärt haben.

Gautam Naik, Antonio Regalado

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