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Wirtschaft: Bittersüße Geschäfte

Kakao ist an der Warenterminbörse so teuer wie seit 30 Jahren nicht mehr. Schuld sind offenbar Spekulanten

Berlin - An den Weihnachtseinkauf mag mitten im Sommer keiner denken. Die Schokoladenhersteller aber decken sich jetzt mit dem wichtigsten Rohstoff für ihr Weihnachtsgeschäft ein: mit Kakao. Doch seit Monaten sorgen Spekulanten dafür, dass die Preise für Kakaobohnen steigen – zuletzt auf einen Wert so hoch wie seit 32 Jahren nicht mehr.

An der Londoner Warenterminbörse Liffe, an der die meisten europäischen Hersteller ihre Kakaobohnen kaufen, ist Mitte des Monats der Terminkontrakt für die Juli-Auslieferung abgelaufen. Kurz vor Schluss soll sich der Londoner Hedgefonds Armajaro die Restbestände am Markt gesichert haben – 240 100 Tonnen Kakaobohnen. Das entspricht sieben Prozent der globalen Jahresproduktion und macht nahezu die gesamte Kakaomenge aus, die in den Lagerhäusern Europas vorrätig ist. Der Kakaopreis schnellte auf ein 30-Jahres-Hoch: Die Tonne kostete 2732 Pfund (umgerechnet 3274 Euro). Statt die Bohnen kurz vor Ablauf des Kontraktes wieder zu verkaufen, soll der britische Hedgefonds, der auch als Großhändler auftritt, die Fälligkeit abgewartet und den Kakao schließlich behalten haben.

Das ist ein Problem für die Hersteller, die in den vergangenen Monaten mit dem Einkauf gewartet hatten, weil sie wegen guter Ernteaussichten auf sinkende Preise gehofft hatten. Die Haupternte in Westafrika beginnt im Oktober. Zumindest 100 000 Tonnen der Bohnen soll der Fonds nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters inzwischen an den weltgrößten Schokoladenhersteller Barry Callebaut verkauft haben – zu welchem Preis ist unbekannt.

Den Rest kann der Hedgefonds nun zurückhalten – zum Leidwesen der Schokoladenhersteller und Händler. Denen macht ohnehin die Sommerhitze zu schaffen. Sie lässt die Kunden eher zu anderen Süßwaren greifen. Viel bedrohlicher scheint aber das gesteigerte Interesse von Spekulanten am Rohstoff Kakao. „Es ist nicht in Ordnung, mit Nahrungsmitteln zu spekulieren“, sagt Jürgen Rausch, Geschäftsführer des Chocolatiers Fassbender & Rausch in Berlin. Der Hersteller Ritter Sport bezeichnete die Spekulation mit Lebensmitteln als „verwerflich“. 16 europäische Kakaohändler und -hersteller, darunter auch die zur Schwartau-Gruppe gehörige Kakao Verarbeitung Berlin, beschwerten sich in einem Brief bei der Warenterminbörse Liffe über einen Mangel an Transparenz und mutmaßliche Marktmanipulationen.

Auch Eugen Weinberg, Analyst der Commerzbank, sieht die Entwicklung des Kakaopreises kritisch: „Es ist nicht illegal, über die Futures große Mengen an physischem Kakao zu kaufen, aber es ist die Frage, ob dabei der Preis nicht bewusst manipuliert wird.“ Futures, das sind an der Börse gehandelte Termingeschäfte. Dass die Kontrakte in diesem Umfang über die Fälligkeit hinaus gehalten werden, sei äußerst seltsam, sagt Weinberg. Dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehe, sehe man auch an der Preisdifferenz zwischen New York und London. „Normalerweise sind die Preise für Kakao in New York und London sehr ähnlich. In diesem Jahr weichen sie jedoch sehr stark voneinander ab. Der Preis für Kakao an der New Yorker Terminbörse lag im Juli 30 Prozent niedriger als an der Londoner Liffe, und das ist nicht allein durch unterschiedliche Produktqualität zu erklären“, sagt Weinberg. Nach dem Großkauf des Hedgefonds hatten Experten sogar erwartet, dass der Kakaopreis die 3000-Pfund-Marke bricht, aber er gab wieder nach. Am Freitag kostete eine Tonne Kakao zur Lieferung im September 2297 Pfund.

Wie sich die Preisentwicklung für Hersteller und Verbraucher auswirkt, ist schwer abzusehen. Knapp 418 000 Tonnen Kakaobohnen, -butter und -masse verarbeitet die deutsche Süßwarenindustrie pro Jahr – und damit rund zehn Prozent der Kakaowelternte. Ritter Sport etwa hat sich für den Winter bereits eingedeckt. „Es wird bei uns keine Lieferengpässe oder Preisanstiege, die auf die gestiegenen Kakaopreise zurückzuführen sind, geben“, sagte ein Sprecher. Auch Torben Erbrath vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie geht nicht davon aus, dass die Preise zu Weihnachten steigen werden. „Sollten die Erzeugerpreise anziehen, geraten zunächst nur die Hersteller unter Druck“, sagt Erbrath. Die Margen im Handel seien so eng, dass vieles nicht an die Verbraucher weitergegeben werden könne. Jahel Mielke

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