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Wirtschaft: Börsenfieber: Böses Erwachen (Gastkommentar)

Der "Altmeister" der Börse, André Kostolany, hat es uns gelehrt. Gebetsmühlenartig hat er auf seinen vielen Vorträgen vor tausenden von Anhängern immer wiederholt, was sich über Jahrzehnte dann auch als richtig erwiesen hat.

Der "Altmeister" der Börse, André Kostolany, hat es uns gelehrt. Gebetsmühlenartig hat er auf seinen vielen Vorträgen vor tausenden von Anhängern immer wiederholt, was sich über Jahrzehnte dann auch als richtig erwiesen hat. Seine Aufforderung war: Kaufen Sie Aktien. Legen Sie sich diese Aktien in ein Depot, und dann nehmen Sie Schlaftabletten. Die Menge der Schlaftabletten sollte nach diesem Anlagetipp so dosiert sein, dass man erst nach vielen Jahren aufwacht, um sich über seine Gewinne zu freuen. So einfach im Schlaf konnte man sein Geld damals an der Börse verdienen.

Bei allem Respekt vor der Lebensleistung des Herrn Kostolany sollten die Dinge doch heute etwas differenzierter gesehen werden. Auch andere Börsianer haben Ihre Erfahrungen gemacht, von denen wir profitieren können. "Sell in may and go away" ist schon sehr viel näher am Handelsgeschehen und sollte eigentlich in allen Jahren Gültigkeit haben. Hat es aber nicht, jedenfalls nicht in diesem Jahr. Nicht im Mai, im März hätten wir bei fast 8140 Dax-Punkten verkaufen und im Mai bei unter 6900 wieder kaufen sollen. Diese Regel hilft also auch nicht weiter.

Deshalb kaufen wir - frei nach Rothschild - "wenn die Kanonen donnern", also bei schlechten Nachrichten: Weil der Preisdruck der Festnetzwettbewerber auf die Deutsche Telekom zunimmt, muss auch sie an ihre Kunden Zugeständnisse bei den Telefontarifen machen. Daraufhin nehmen Analysten die Gewinnschätzungen zurück und die T-Aktie stürzt im März innerhalb von nur 10 Tagen von 105 Euro auf knapp 80 ab. Dieses Schnäppchen lassen wir uns nicht entgehen und kaufen. Zu früh, denn im Jahresverlauf war die Volksaktie auch zur Hälfte dieses Preises zu haben.

Jetzt wissen wir es besser. Rechtzeitig im Dezember haben wir Jenoptik gekauft. Der ehemalige Ministerpräsident aus Baden-Württemberg und Unternehmensführer Lothar Späth macht nicht nur bei Talkshows, sondern auch bei Aktionärsversammlungen einen guten Eindruck. Die Aktie haben wir bei unter 16 Euro gekauft und freuen uns über steigende Kurse. Weil im Juli diesen Jahres die Kooperation mit Heidelberger Druck bekannt wurde, kennt die Euphorie keine Grenzen mehr. Wir verkaufen mit über 40 Prozent Kursgewinn, getreu dem Motto: "Sell on good news". - Wieder falsch, denn in den nächsten sechs Wochen gewinnt die Aktie weitere 40 Prozent an Wert.

"Gewinne soll man laufen lassen" ist eine ebenso beliebte wie falsche Börsenweisheit. Gerade Anleger, die zu Jahresbeginn in den Neuen Markt investiert haben, wurden auch von dieser Regel gestraft. Hätten sie im März verkauft, wäre des Kapital verdoppelt worden. Seitdem hat der Index aber wieder nahezu die Hälfte verloren ...

Deshalb kommen wir doch wieder auf André Kostolany zurück. Wenn er noch einmal aufwachen könnte, wäre es für ihn ein böses Erwachen: Einige seiner Aktien sind bereits völlig vom Kurszettel verschwunden ... Der Schlaftablettentrick ist demnach auch ungeeignet. Deshalb hilft in Wahrheit nur sein wirkliches Vermächtnis an uns: Das Rüstzeug für erfolgreiche Börsengeschäfte sind die vier "G": Geld, Gedanken, Glück und Geduld. Wer darüber nicht oder nicht ausreichend verfügt, sollte zunächst diese Defizite beseitigen.

Der Autor ist Geschäftsführer des Instit

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