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Wirtschaft: Börsenfieber: Der Zauderer: Das Frohlocken der Trägen und Feiglinge

Freitag für Freitag schreiben abwechselnd unsere Kolumnisten über ihr Leben mit den Kursen. Der Heißsporn, der ohne die tägliche Hektik nicht leben kann.

Freitag für Freitag schreiben abwechselnd unsere Kolumnisten über ihr Leben mit den Kursen. Der Heißsporn, der ohne die tägliche Hektik nicht leben kann. Der Outsider, der die Macht der Börse im Alltag beobachtet. Der Zauderer, der den Aktienkauf bis heute nicht wagt. Und der Abgeklärte, der sich nie aus der Ruhe bringen lässt.

So weit sind wir nun schon: Das Sparbuch ist wieder auf dem Vormarsch. Finanzexperten weisen darauf hin, dass dieses gute alte Büchlein inzwischen mehr Gewinne einfährt als beinah sämtliche Aktien. Ja, so ist es. Das Comeback des Sparbuchs.

Harald Schmidt hat das neulich zum Thema gemacht und gefragt, ob denn jüngere Menschen überhaupt wissen, was ein Sparbuch ist? Leute, das ist das Stück Papier, hat er geantwortet, mit dem sich die New Economy-Typen früher immer ihre Zigarren angezündet haben.

Ich habe kein Sparbuch. Meine Oma hat für mich mal eins angelegt. Sollte was fürs Leben sein. Ich habe gleich alles für die Abiturreise ausgegeben. Das war für mich schon immer eine seltsame Vorstellung: Vielleicht sterbe ich irgendwann, aber dieses Sparbuch gibt es immer noch. Als Junger will man sowas nicht, und eigentlich doch als Älterer auch nicht. Da ist einem doch die Man-Gewinnt-Man-Verliert-Hektik an der Börse lieber, schon vom Prinzip her.

Was ist das also für ein bitteres Zeichen für die deutsche Wirtschaft im allgemeinen, dass derzeit die Anhänger der Sparbuch-Idee triumphieren?

Dies scheint übrigens durchaus ein globaler Trend zu sein, denn die New Yorker Zeitschrift "Talk" hat in ihrer April-Ausgabe einen eigenen Sonderteil ausgestattet, in dem die großen Innovatoren der jüngsten Zeit gepriesen werden, auch wenn sie in den vergangenen Monaten ein wenig ins Straucheln geraten sind. "Talk"-Chefin Tina Brown attackiert in ihrem Editorial das Frohlocken der Trägen und Feiglinge, die jetzt mit den Fingern auf die Abenteurer zeigen: Seht her, wo ihr hinkommt mit eurer Risikobereitschaft! Eine Menge Leute werden in dem Heft also vorgestellt, und, ja, dann wird noch einem Mann das Wort erteilt, den man weder new noch old, sondern eher den Mister Economy nennen könnte. Sein Name ist Bill Gates.

Bei einigen Amerikanern hat man ja manchmal den Eindruck, dass sie während ihres Lebens darauf achten, möglichst so zu leben, dass auch ein guter Film daraus werden könnte. Bill Gates hat sich von all seinen Geschäften und von seinem Ärger mit Microsoft zurückgezogen - und macht jetzt wieder das, was er am Anfang gemacht hat: Erfinden, entwickeln, herstellen. Er sitzt allein in seinem Zimmer und denkt nach. Schafft er es nochmal? Fällt ihm etwas ein? Oder ist er schon zu alt, zu reich, zu satt? Ein Mann will es nochmal wissen - wer wird in Hollywood wohl eines Tages die Rolle spielen? Redford? Travolta? Bruce Willis?

In "Talk" wird Gates gefragt, wie denn der kreative Prozess bei ihm funktioniere? Er sagt, er frage sich einfach, "I ask myself", ob denn die Software so einfach zu bedienen sei, wie sie das sein sollte. Na ja, und da komme man immer wieder auf Dinge, die nett wären, würde es sie schon geben. Es störe ihn beispielsweise, dass man in Konferenzen sich Notizen mache, die man dann später in den Computer eingebe. Das sei doch sehr umständlich...

Und dann hat Bill Gates noch gesagt, in der Software Industrie geht es um Innovation, um nichts sonst. Wer denkt, die Börsenkurse seien das Wichtigste, "just miss the point", hat keine Ahnung. Ob Bill Gates ein Sparbuch hat?

Stefan Lebert

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