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Borussia Dortmund: Die neue Bescheidenheit

Jetzt bloß nicht überschnappen, heißt es bei Borussia Dortmund. Die verrückten Jahre nach dem Börsengang sind nicht vergessen.

Berlin - Bescheidenheit ist viel wert. Der Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke weiß das und betont denn auch bei jeder Gelegenheit den Kern des Geschäftsmodells seiner Firma: Bescheidenheit eben. Borussia Dortmund ist Deutscher Meister. Die Art und Weise von Spiel und Auftritt trägt aber womöglich noch weiter als der Titel. „Der Verein beendet die Saison mit einem riesigen Imagegewinn“, meint jedenfalls Hartmut Zastrow von der Kölner Marketingfirma Sport + Markt. Und „Sponsoren suchen Imagetransfers“, nicht allein Titelträger. „In dieser Saison haben sie unglaubliche Sympathiewerte erreicht – vom Image her damit eine Art Gegenentwurf zu den Bayern.“

Das hört Watzke gar nicht gern. Bloß nicht mit den Bayern vergleichen! Der BVB-Chef betont bei jeder Gelegenheit, dass der Verein sportlich nur in Ausnahmejahren und finanziell sowieso nie mit den Münchnern mithalten könne. Kann schon sein. Allein mit Sponsoring nehmen die Bayern 80 Millionen Euro im Jahr ein und damit rund das Dreifache der Dortmunder, rechnet Marktexperte Zastrow vor. Richtig schön klingeln die Kassen erst, wenn ein Club ein paar Jahre hintereinander in der Champions League kickt. Wie die Bayern. „Die sind eine internationale, Dortmund eine nationale Marke“, sagt Zastrow.

Doch jetzt zählt erst mal der Titel. Das Stadion im Süden Dortmunds war die vergangenen Monate immer mit 80 700 Besuchern ausverkauft. Das ist schön, aber das große Geld kommt woanders her. Zum Beispiel von Evonik. Der Technologiekonzern aus Essen, in dem die Industriesparten der früheren Ruhrkohle AG aufgegangen sind, zahlt als Trikotsponsor zehn Millionen im Jahr an den BVB. Und jetzt eine Meisterprämie von vier Millionen. Der Namensgeber des Stadions, die Versicherung Signal Iduna, ist pro Jahr mit 4,5 Millionen Euro dabei und die Sportartikelfirma Kappa, die die Trikots liefert, gibt vier Millionen. „Doch wir leben von der Vielzahl kleiner Unternehmen“, sagt Carsten Cramer, der als Direktor Vertrieb und Marketing für Sponsoring und Merchandising zuständig ist.

Zum Beispiel von den Firmen, die sich eine Lounge mieten. Davon haben sie elf in Dortmund, in München sind es etwa 100. Eine Dortmunder Vip-Lounge mit zehn bis zwölf Plätzen kostet um die 70 000 Euro im Jahr, in der Münchener Arena kassieren die Bayern 150 000. Das hängt nicht allein mit der Strahlkraft des Vereins zusammen, sondern auch mit dem wirtschaftlichen Umfeld und der möglichen Konkurrenz, die Sponsoren abgreift. Im Ruhrgebiet kommt eben „alle 20 Kilometer ein Verein um die Ecke“, wie Cramer im Ruhrpottdeutsch sagt.

Nun ist die Nummer eins im Revier schon lange nicht mehr SO4. Fußballdeutschland schaut an diesem Wochenende nach Dortmund und freut sich mit der Borussia. „Die Menschen strahlen und haben Lust, über Borussia Dortmund zu reden“, hat BVB-Vermarkter Cramer beobachtet. Er selbst vorneweg. „Uns reißen die Menschen die Klamotten aus den Regalen.“ Gemeint sind Trikots und das Meister-Shirt. „Je mehr schwarz-gelbe Botschafter in Deutschland unterwegs sind, desto besser für uns.“ 

Doch jetzt bloß nicht überschnappen. „Die größten Fehler macht man im Erfolg“, sagt Cramer. Deshalb habe der BVB für die kommende Saison die Eintrittspreise auch nur für rund 1000 Vip- Gäste erhöht, weil deren Bereich modernisiert werde. Ein Dutzend Leute aus Cramers Abteilung hat den Vips die Preiserhöhung erklärt. Offenbar mit Erfolg, denn nur drei Prozent haben ihre Dauerkarte gekündigt.

„Wir haben keine Kunden, wir haben Fans“, behauptet Cramer. Das gilt unbedingt für Bernd Geske, ein Unternehmer aus Düsseldorf, der mit gut zehn Prozent die meisten Aktien an der Borussia hält. Und zwar nicht aus Gründen der rationalen Geldanlage, dazu eignen sich Fußball-Aktien eher weniger. Geske ist ein BVB-Freak. Er hat genau 6,201909 Millionen Aktien gekauft – die vier Ziffern am Ende sind wichtig, also 1909. In jenem Jahr wurde der Club in einer Dortmunder Kneipe gegründet. Bis Geske und die anderen Aktionäre mit der BVB-Aktie Geld verdienen, werden vermutlich keine 100 Jahre vergehen. Doch eine Dividende ist nicht in Sicht. Der Schuldenstand liegt bei knapp 70 Millionen Euro, die Schatten der schrecklichen Jahre 2004/05, als die Pleite nach mühsamen Ringen mit den Gläubigern vermieden werden konnte, reichen bis ins aktuelle Meisterjahr. Doch natürlich geht es auch mit den Zahlen aufwärts. Wann, wenn nicht jetzt. „Wir werden im September gute Zahlen für das Geschäftsjahr 2010/11 vorlegen“, sagt Robin Steden, im Club für Investor Relations zuständig. In der vergangenen Spielzeit stand am Ende einen Konzernverlust von sechs Millionen Euro, diesmal wird es Steden zufolge einen Gewinn geben.

Zu Stedens Job gehört es, die Aktie zu verkaufen. Das ist nicht leicht, denn das Fußballspiel ist unberechenbar. Mit 3,69 Euro erreichte die BVB-Aktie am 22. November ihren höchsten Stand in dieser Saison. Zu dem Zeitpunkt hatte die Mannschaft elf von 13 Spielen gewonnen und die Anleger hatten gemerkt: Da geht was. Und Aktien gekauft. Ein paar Monate später, am Freitag, dem 13. Mai, dem letzten Handelstag vor der Meisterfeier, ist das Papier 2,43 Euro wert. Die Fantasie war eben schon länger raus – und kommt demnächst wieder rein. Sofern die ersten Spiele der Saison 2011/12 und der Start in die Champions League gut laufen.

Und wenn nicht? Wenn der Kurs weiter abstürzt und dann jemand für 100 Millionen Euro die Aktienmehrheit kauft? „Wir wollen keine englischen Verhältnisse und haben diverse Übernahmehindernisse eingebaut“, versichert Steden. Nur nicht zurückfallen in die Jahre nach dem Börsengang, als ein viel zu teurer Spielerkader den ganzen Verein zu ruinieren drohte. Im Meisterjahr 2010/11 kostet die Mannschaft 35 Millionen Euro, nächste Saison sollen es 40 Millionen Euro sein. „Wir kommen sympathisch rüber, weil hier fleißig und solide gearbeitet wird“, sagt der BVB-Verkäufer. Bescheidenheit kann richtig wertvoll sein.

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