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Brahms: 800 Jobs für Brandenburg

Der US-Konzern Thermo Fisher Science kauft den Hennigsdorfer Diagnostikspezialisten Brahms. Die Mitarbeiterzahl soll von 220 auf 1000 anwachsen.

Berlin - Die Ärzte waren ratlos. Die Patientin war mit Kreislaufproblemen eingeliefert worden. Kurz darauf musste sie an die Beatmungsmaschine. Ihr Zustand verschlechterte sich, eine Diagnose gab es nicht. Erst eine Laboruntersuchung brachte Klarheit: Sepsis. Wäre die Blutvergiftung nicht aufgefallen, die junge Frau wäre am nächsten Tag tot gewesen.

Es sind Testverfahren der Firma Brahms aus Hennigsdorf nördlich von Berlin, die in solchen Fällen zum Erfolg führen. Das Biotech-Unternehmen ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei der Früherkennung von Blutvergiftungen. Am Donnerstag wurde der Aufstieg in die Weltspitze endgültig besiegelt: Der rund 100 Mal so große US-Medzintechnikkonzern Thermo Fischer Scientific übernimmt das Brandenburger Unternehmen für 330 Millionen Euro zu 100 Prozent. Brahms beschäftigt europaweit rund 370 Mitarbeiter, der Jahresumsatz betrug zuletzt  75 Millionen Euro. Neben biochemischen Labortests zur Früherkennung von Blutvergiftungen bietet das Unternehmen auch Tests für Schilddrüsenerkrankungen und Herzkrankheiten an.

Für den Standort Hennigsdorf sieht es gut aus: „Thermo Fisher will seine Forschung in Brandenburg konzentrieren“, sagt Brahms-Chef Bernd Wegener. Der Investor habe sich verpflichtet, die Geschäftsfelder weiterzuführen und auszubauen. Innerhalb von drei Jahren soll sich die Zahl der Beschäftigten in Hennigsdorf mehr als vervierfachen. Derzeit arbeiten dort 220 Menschen. Einige der neuen Mitarbeiter kommen aus Amerika, aber auch neue Stellen sollen entstehen.

Brahms hatte vor einem halben Jahr die Banker von Merrill Lynch mit der Suche nach einem strategischen Investor beauftragt. Das Unternehmen hatte ursprünglich zur Hälfte einem Fonds gehört, der seine Anteile vor vier Jahren für gut vier Millionen Euro an die Beteiligungsgesellschaft HBM aus Zug in der Schweiz verkaufte. Das Management, das die restlichen 50 Prozent hielt, hatte die frei werdenden Anteile nicht aus eigener Tasche kaufen können. Unterm Strich macht HBM jetzt mehr als 84 Millionen Euro Gewinn. Aber auch die Brahms-Manager, die ihr 50-Prozent-Paket verkaufen, fahren bestens: Sechs Vorstandsmitglieder sowie die Erben eines Ende vergangenen Jahres verstorbenen Vorstandes teilen sich den Erlös. Die Geschichte von Brahms hatte damit begonnen, dass das Familienunternehmen Henning Berlin Mitte der 90er Jahre von einem Käufer zum nächsten gereicht und schließlich zum Teil von den eigenen Führungskräften übernommen wurde.

Thermo Fisher – weltweit 34 000 Angestellte – wollte sich nicht mit 50 Prozent zufrieden geben, sondern mindestens Mehrheitseigner werden. Die deutschen Eigentümer willigten schließlich in eine Komplettübernahme ein. „Als mittelständisches Unternehmen konnten wir immer nur ein neues Produkt auf den Markt bringen“, sagt Wegener. Jetzt könne man von den Vertriebswegen des Partners profitieren. Die Produkt-Pipeline sei voll. Besonders den amerikanischen Markt habe man im Blick.

Allerdings muss die Übernahme noch von den Kartellbehörden genehmigt werden. Wegener geht jedoch davon aus, dass es bis Ende 2009 so weit ist. Als nächstes ist die Einführung eines Früherkennungslabortests für Herzinfarkte geplant. Momentan dauere es vier Stunden, bis man Klarheit habe. Demnächst sollten es nur noch 90 Minuten sein.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) begrüßte die Übernahme. Die medizinische Diagnostik sei eine Stärke der Hauptstadtregion und bekomme nun einen kräftigen Schub. „Das ergänzt unsere Wirtschaftspolitik und unsere Bestrebungen, die Branche der In-vitro-Diagnostik weiter voran zu bringen.“

Am heutigen Freitag wird in Hennigsdorf kräftig gefeiert. Mit der Übernahme hat das allerdings eigentlich nichts zu tun: Die seit Monaten geplante Feier zum 15-jährigen Firmenjubiläum steht an.

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