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Wirtschaft: Brasilien stellt sich auf höhere Inflation ein

Wahlsieg der Sozialisten ist wahrscheinlicher geworden – Ökonomen sehen Konjunkturdaten pessimistischer als noch vor Wochen

Sao Paulo (abu/HB). Die Finanzchefs brasilianischer Unternehmen haben es derzeit schwer. „Mit welchen Dollarkurs sollen wir kalkulieren?“, fragt sich Antonio Pizarro Manso, Finanzvorstand des brasilianischen Flugzeugbauers Embraer. „Wir importieren heute fast die Hälfte unserer Vorprodukte und exportieren in einem halben Jahr die fertigen Flugzeuge.“ Seit Jahresbeginn hat der brasilianische Real gegenüber dem Dollar rund 60 Prozent an Wert verloren.

Hauptgrund für die abrupten Wechselkursbewegungen sind die Präsidentschaftswahlen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wählen die Brasilianer den Linkskandidaten Luiz Inácio „Lula“ da Silva am kommenden Sonntag im zweiten Wahlgang zu ihrem neuen Präsidenten. Wie die künftige Wirtschaftspolitik in Brasilien aussehen wird, ist völlig offen – wie es mit der Konjunktur weitergeht, ebenfalls.

Die Prognosen von Banken könnten widersprüchlicher kaum sein: Die brasilianische Wirtschaft könnte nächstes Jahr um 1,5 Prozent schrumpfen – sagt die Investmentbank JP Morgan – oder um 2,6 Prozent wachsen, wie MCM Consultores in Sao Paulo voraussagt. Die Inflationserwartungen für 2003 schwanken zwischen fünf Prozent und 15 Prozent. Je nach Volkswirt wertet der Real bis Ende 2003 um 20 Prozent auf – oder ab. Fakt ist: Tendenziell sehen die Ökonomen die Konjunkturaussichten pessimistischer als noch vor wenigen Wochen – „wegen der schwachen Entwicklung der Weltwirtschaft und dem absehbaren Wahlsieg Lulas“, sagt JP MorganÖkonom Fabio Akira.

Bereits jetzt hat der schwache Real der brasilianischen Wirtschaft stark zugesetzt. Als Faustregel unter Brasiliens Ökonomen gilt, dass zehn Prozent Abwertung einen Anstieg der Inflation von einem Prozent auslöst. Derzeit bewegt sich die Inflation im Jahresvergleich bei acht bis neun Prozent. „Zu wenig für die bisherige Abwertung“, kalkuliert Francisco Lopez vom Finanzberater Macrométrica. Der Grund, dass die Geldentwertung schwächer ausfällt, als sie eigentlich müsste: Die Unternehmen können wegen der schwachen Konjunktur die Preiserhöhungen für Importgüter nicht so weitergeben wie sie es gerne täten.

Andererseits bremst die Regierung bei den von ihr kontrollieren Gütern (Energie, Treibstoff) die Preisanpassungen im jetzigen Wahlkampf. Doch nach der Wahl werden vor allem die staatlich festgelegten Preise zulegen. „Mitte nächsten Jahres rechnen wir bereits mit 17 Prozent Inflation“, schätzt Finanzexperte Lopez.

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