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Wirtschaft: Briten schicken deutsche Urlauber auf die Reise

Mut gehört dazu: Da kommt eine Charterfluggesellschaft aus Irland ins Land der Reiseweltmeister und glaubt, eine Marktnische entdeckt zu haben, die die deutschen Fluggesellschaften wie LTU, Hapag Lloyd oder Condor haben verwaisen lassen.Während die deutschen Ferienfluggesellschaften über Überkapazitäten stöhnen, wird vom Sommer nächsten Jahres an die neugegründete TransAer Cologne von Köln aus verschiedene Ziele rund ums Mittelmeer anbieten.

Mut gehört dazu: Da kommt eine Charterfluggesellschaft aus Irland ins Land der Reiseweltmeister und glaubt, eine Marktnische entdeckt zu haben, die die deutschen Fluggesellschaften wie LTU, Hapag Lloyd oder Condor haben verwaisen lassen.Während die deutschen Ferienfluggesellschaften über Überkapazitäten stöhnen, wird vom Sommer nächsten Jahres an die neugegründete TransAer Cologne von Köln aus verschiedene Ziele rund ums Mittelmeer anbieten.

"Wir haben den deutschen Markt genau analysiert", so Geschäftsführer Alexander Schmitz, "und festgestellt, daß der Flughafen Köln/Bonn trotz seines großen Einzugsbereichs noch sehr wenig Flugverbindungen hat." Zunächst mit einem Airbus A320 wird das Unternehmen starten.Doch für Wachstum ist es gerüstet: Es ist eine Tochter der irischen Charter-Airline TransAer, die in der Sommersaison 1997 mit 17 Flugzeugen über 3 Millionen Passagiere befördert hat.

Kunden für TransAer Cologne sind in erster Linie kleine regionale Veranstalter, die, so Schmitz, von den großen konzerngebundenen Charter-Airlines immer erst bedient werden, wenn die eigenen Veranstalter mit Flugkapazität versorgt sind.Insofern ist die Konzentration in der deutschen Reisebranche mit der Herausbildung zweier großer Lager für TransAer eine echte Chance.

Der Einstieg von TransAer Cologne in das Fluggeschäft in Deutschland ist symptomatisch: Die großen deutschen Reisekonzerne ordnen sich nach den jüngsten Megafusionen neu, Wettbewerbshüter bemühen sich, die negativen Folgen dieser Konzentration zu begrenzen.Und während die Touristik in Deutschland mit der Nabelschau beschäftigt ist, proben hinter den Kulissen ausländische, insbesondere britische, Reiseveranstalter und Charterairlines den Einstieg in diesen bisher als uneinnehmbar geltenden Markt."In der Tat ist die Marktsituation in Deutschland mit einer umfangreichen Konsolidierung und der starken vertikalen Integration für uns ausgesprochen attraktiv", erklärt etwa David Crossland, Chairman des größten britischen Reiseveranstalters Airtours Plc.

Als erster wagte Britannia Airways den Sprung über den Kanal.Die britische Charterfluggesellschaft, Tochter des zweitgrößten Reisekonzerns der Insel, der Thomson Travel Group, gründete vor einem Jahr eine Tochter in Deutschland.Die Britannia Airways GmbH verbündete sich mit der stürmisch wachsenden Frosch Touristik International (FTI), einem der größten konzernunabhängigen deutschen Veranstalter.

Die deutschen Konzerne waren in Aufruhr.Schnell unkten sie, die enge Bestuhlung in Britannia-Jets werde sich bei den anspruchsvollen deutschen Kunden nicht durchsetzen.Vorsorglich aber überzog LTU, stellvertretend für die Kollegen, den neuen Konkurrenten mit einer Klage, um den Start in Deutschland zu erschweren.Per Gerichtsbeschluß ließ LTU der FTI-Tochter CA Ferntouristik untersagen, mit Britannia als "deutsche Fluggesellschaft" zu werben.CA Ferntouristik, die Britannia exklusiv unter Vertrag genommen hatte, mußte 500 000 Kataloge einstampfen.

Doch die Briten waren nicht zu bremsen.LTU gewann zwar den Prozeß, aber Britannia die Kunden: In der Wintersaison 1997/98 gingen sie mit zunächst einer Boeing 767 mit dem Flugziel Dominikanische Republik an den Start und 34 000 Kunden nahmen im Laufe der ersten Saison das Angebot an.Bereits zum Sommer nahm Britannia mit Mallorca, Malta, Jamaika und Kuba vier weitere Ziele ins Programm.

Für die kommende Wintersaison will Britannia Florida, Mexiko und Gambia in den Flugplan nehmen und ihre Gesamtkapazität gegenüber der ersten Saison fast verfünffachen.In der gleichen Zeit hat die Airline ihren Personalbestand in Deutschland auf 60 Piloten und 240 Flugbegleiter mehr als verdreifacht.Garant für diesen Erfolg ist die Partnerschaft mit der FTI-Tochter CA Ferntouristik, für die Britannia in Deutschland exklusiv fliegt.Schon brodelte die Gerüchteküche, um die Britannia-Mutter Thomson und FTI werde das von den Kartellwächtern ersehnte dritte große Touristiklager in Deutschland entstehen.Doch für alle überraschend ging Thomsons Konkurrent Airtours in die Offensive.Airtours-Chef Crossland: "FTI paßt von der Unternehmenskultur sehr gut zu uns." Außerdem ergänzten sich die Unternehmen sehr gut: "Wir haben viel Erfahrung auf der Kurzstrecke während FTI stark im Markt für Fernreisen ist." Und schon stieg Airtours mit 29,03 Prozent bei FTI ein.Die Option auf eine komplette Übernahme des deutschen Juniorpartners wurde gleich mitvereinbart.

Mit dem finanzstarken britischen Partner im Rücken scheinen nun für FTI die Bäume in den Himmel zu wachsen.Als nächstes sollen Ziele rund um das Mittelmeer verstärkt angeflogen werden, eine Region in der FTI bisher eher schwach vertreten war.Und da weder Britannia noch die deutschen Charterflieger bereit waren, FTI die Flugkapazitäten bereitzustellen, gründete das Münchener Unternehmen kurzerhand eine eigene Fluggesellschaft.Die Flugzeuge dafür wird es von Airtours leasen.

Die Offensive der britischen Veranstalter bleibt nicht ohne Folgen für die großen deutschen Reiseveranstalter.Waren sie in der Vergangenheit unangefochten die Marktführer in Europa, hat nun die Konkurrenz gewaltig aufgeholt.Noch ist TUI mit einem Umsatz von 8,1 Mrd.DM die Nummer Eins in Europa.Doch NUR Touristik (5 Mrd.DM) wurde im vergangenen Jahr erstmals von Airtours (5,7 Mrd.DM) vom zweiten Platz in der Rangliste verdrängt.Auch die Zuwachsraten sprechen für die Briten.Während TUI 1997 seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 13,4 Prozent steigern konnte und NUR um sechs Prozent, kam Airtours im gleichen Zeitraum auf ein Umsatzwachstum von 28 Prozent.

Und der Angriff der Reiseveranstalter aus dem Ausland auf den lukrativen deutschen Markt geht weiter.So wird eine weitere Traditionsmarke in der deutschen Touristik wohl bald aus dem Ausland gesteuert.Nach der vom Kartellamt erzwungenen Trennung von der WestLB steht LTU nun vor dem Einstieg der Swissair.Zwar werden die Schweizer nicht die Mehrheit der Anteile an der Ferienfluggesellschaft übernehmen.Aber die Verhandlungen werden auf eine Konstruktion hinauslaufen, bei der die Swissair zumindest die unternehmerische Führung bei der LTU übernimmt.Und auch Thomson wird sich nach dem Korb von FTI nicht kampflos zurückziehen.Denn noch gibt es in Deutschland mittelständische Reiseveranstalter, die weder der Gruppe um TUI und Hapag-Lloyd, noch der gemeinsamen Holding von NUR und Condor angehören.

FLORIAN KOLF (HB)

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