zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Brokat vor dem Zusammenbruch

Der Finanzsoftwarehersteller Brokat AG ist nach eigenen Angaben überschuldet. Dies sei das Ergebnis einer Bewertung der aktuellen Vermögenssituation im Zusammenhang mit der geplanten Restrukturierung einer hochverzinslichen Anleihe, teilte das am Neuen Markt gelistete Unternehmen am Montag in einer Pflichtveröffentlichung mit.

Der Finanzsoftwarehersteller Brokat AG ist nach eigenen Angaben überschuldet. Dies sei das Ergebnis einer Bewertung der aktuellen Vermögenssituation im Zusammenhang mit der geplanten Restrukturierung einer hochverzinslichen Anleihe, teilte das am Neuen Markt gelistete Unternehmen am Montag in einer Pflichtveröffentlichung mit. Die Überschuldung ( siehe Lexikon ) sei bereits vor Abschluss dieser Restrukturierung eingetreten. Brokat verhandle weiter intensiv mit den Anleihegläubigern. Der Vorstand werde "alle noch verbleibenden Alternativen ausloten", beteuerte der amtierende Vorstandschef Stefan Röver auf der außerdordentlichen Hauptversammlung in Leinfelden-Echterdingen. Ein Insolvenzantrag sei noch nicht gestellt worden, sagte Unternehmenssprecher Reiner Jung auf Anfrage.

Der Ausgang der Gespräche mit den Gläubigern - vor allem Banken und Versicherungen aus den USA - sei nach derzeitigem Verhandlungsstand offen, teilte Brokat weiter mit. Der Stuttgarter Finanzsoftwarehersteller verhandelt seit längerem mit den Gläubigern über eine Restrukturierung der Anleihe, die nach Angaben des Unternehmens auch auf einen teilweisen Forderungsverzicht seitens der Gläubiger zielt, um die Überschuldung kurzfristig zu beseitigen. Das Unternehmen bietet dafür eine Barauszahlung. Zudem sollen den Gläubiger den Angaben zufolge ermöglicht werden, ihre restlichen Anteile gegen die Gewährung von jungen Brokat-Aktien als Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringen.

Die Anleihe mit einer Jahresverzinsung von 11,5 Prozent mit einem Volumen von ursprünglich 125 Millionen Euro läuft am 31. März 2010 aus. Ende August hatte Brokat mitgeteilt, Teile der Anleihe zum Nennwert von 26,4 Millionen Euro zurückgekauft zu haben.

Der Verkauf der Sparte mobiles Internet in die USA wurde gestoppt. Das kalifornische Unternehmen eOne Global hatte die Übernahme von einer Einigung mit den Anleihegläubigern abhängig gemacht. Die Brokat-Aktionäre stimmten außerdem zu, das Grundkapital der Gesellschaft um rund 36,508 Millionen Euro auf 745 057 Euro und damit die Aktienanzahl im Verhältnis 50 : 1 reduziert werden und anschließend das Kapital zur Sanierung des Unternehmens wieder auf bis zu 16,76 Millionen Euro erhöht werden sollen. Neben der Sachkapitalerhöhung aus bereits genehmigtem Kapital für den Forderungsverzicht der Anleihegläubiger ist dabei eine Barkapitalerhöhung durch die Ausgabe neuer Inhaberaktien von bis zu 14,9 Millionen Euro geplant.

Finanzvorstand Michael Janssen, der als Vorstandschef für die neue Brokat AG vorgesehen ist, bekräftigte vor den Aktionären sein Konzept. "Ich sehe eine realistische Chance, das Kerngeschäft weiter zu erhalten", sagte Janssen. Für 2002 seien ein Umsatz von 25 Millionen Euro und schwarze Zahlen im zweiten Halbjahr angepeilt.

Doch durch den Stopp der Transaktion mit eOne Global droht auch die Strategie des Gesundschrumpfens fehlzuschlagen. Ende September standen noch 882 Mitarbeiter von ursprünglich 1304 auf der Gehaltsliste von Brokat, davon 380 im Geschäftsbereich mobiles Internet. Durch den Verkauf des Mobile Business und den bereits abgeschlossenen Verkauf der US-Sparte Financial Applications wollte Brokat früheren Angaben zufolge rund 80 Millionen Euro erlösen. Das Unternehmen will sich künftig auf sein ursprüngliches Kerngeschäft Software und Dienstleistungen für die Finanzbranche (E-Finance) in Deutschland beschränken. Dazu war ursprünglich der Verkauf weiterer Tochtergesellschaften und von Unternehmensteilen geplant.

Das Neun-Monats-Ergebnis von Brokat ist durch die Restrukturierungsmaßnahmen belastet. Der Umsatz sank den Angaben zufolge auf 45,4 Millionen Euro von 59,5 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum, das Nettoergebnis verschlechterte sich wegen Sonderabschreibungen auf 970,6 Millionen Euro von minus 68,1 Millionen Euro. Bei liquiden Mitteln von 25,3 (Vorjahr: 115,365) Millionen Euro sank das Eigenkapital zum Ende September auf minus 75,89 (821,9) Millionen Euro und die Eigenkapitalquote damit bei einer Bilanzsumme von 74,61 (1.025) Millionen Euro auf minus 102 (80) Prozent. Zum 31. September 2001 weist Brokat in der Bilanz Verbindlichkeiten und Rückstellungen von 150,5 Millionen Euro aus.

Im dritten Quartal sei vor allem wegen der Restrukturierungsmaßnahmen der operative Verlust (Ebit) auf minus 39,9 Millionen Euro von minus 18,3 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum gestiegen. Die Aktie verlor am Montagvormittag fast 22 Prozent. Der Umsatz von Brokat brach im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 75 Prozent auf 5,7 Millionen Euro zusammen. Der Nettoverlust lag bei 71 Millionen Euro.

brb

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false