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Wirtschaft: Brüssel sieht große Gefahr für deutsche Sparziele

Das Ziel der Regierung, 2005 den Stabilitätspakt einzuhalten, hält die EU-Kommission für unrealistisch/Länderdefizite steigen

Brüssel/Berlin ( tog/dpa). Die EUKommission fürchtet, dass es der Bundesregierung auch im Jahr 2005 wieder nicht gelingen wird, die Staatsverschuldung unter die vom Euro-Stabilitätspakt gesetzte Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Das Programm der Berliner Regierung für die Rückkehr auf den Tugendpfad der europäischen Stabilitätspolitik enthalte erhebliche Risiken, erklärte EU-Finanzkommissar Pedro Solbes am Mittwoch in Brüssel.

Ursprünglich forderte Brüssel von Deutschland einen zügigeren Schuldenabbau. Demnach hätte Berlin schon 2004 einen Haushalt mit einem Defizit unter der Drei-Prozent-Grenze vorlegen müssen. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatte es jedoch angesichts der schwachen Wirtschaftskonjunktur abgelehnt, an den Staatshaushalt noch mehr den Rotstift anzulegen. Stattdessen versprach er, 2005 wieder auf den Boden des Euro-Stabilitätspakts zurückzukehren. Im laufenden Jahr wird die Bundesregierung dagegen zum dritten Mal in Folge deutlich mehr Schulden machen als erlaubt und damit den Stabilitätspakt wieder brechen. Berlin begründet dies mit der seit drei Jahren anhaltenden Wirtschaftsflaute und den schwachen Steuereinnahmen.

Das von Hans Eichel in Brüssel vorgelegte aktualisierte Stabilitätsprogramm enthalte vor allem zwei Risiken, fürchtet die Kommission: Die Bundesregierung rechne für das kommende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent – in den Augen der EU-Wirtschaftsexperten ist das eine zu optimistische Annahme. Sie halten eher ein Wachstum von 1,8 Prozent für realistisch. Das würde aber bedeuten, dass die deutsche Verschuldung wieder an das Limit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes stoßen würde. Außerdem sei das Risiko hoch, dass die Bundesregierung in diesem und im nächsten Jahr ihre Haushaltsziele wieder verfehle, weil sie für Renten, Gesundheit und Arbeitslosenhilfe mehr ausgeben muss als geplant.

Immerhin habe die Bundesregierung versprochen, lobte die EU-Kommission, zusätzlich den Rotstift an den Haushalt anzusetzen, sollte sich zeigen, dass das Ziel 2005 in Gefahr komme. Von der ursprünglichen Absicht Eichels, 2006 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen, sei im aktualisierten Programm der Bundesregierung allerdings nicht mehr die Rede. Stattdessen soll das Defizit bis 2007 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gedrückt werden. Unbefriedigend für Brüssel ist auch die Entwicklung der gesamten Schuldenlast in Deutschland, die sich über die Jahre aufgehäuft hat. Die Grenze des vom Stabilitätspakt Erlaubten liegt hier bei 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Doch in Deutschland wird die Schuldenquote ansteigen, anstatt abzunehmen: Bis zum Jahr 2005 wird sie bei 65,5 Prozent liegen, erwarten die Fachleute. Erst von 2007 an, so hofft Hans Eichel, wird der Schuldenberg wieder abnehmen.

Ein Sprecher von Eichel sagte, die Regierung gehe davon aus, das Defizitziel 2005 erreichen zu können. Die Bedingungen dafür seien allerdings schwierig. Den Vorwurf zu optimistischer Prognosen wies er zurück.

Solbes hob hervor, dass mittlerweile wieder „Normalität im Verhältnis mit den Mitgliedstaaten, auch mit Deutschland und Frankreich“ eingekehrt sei. Der Streit um die Auslegung des Euro-Stabilitätspaktes war Anfang des Jahres eskaliert, als die EU-Kommission den Rat der Finanzminister vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt hatte. Die Klage richtet sich gegen den Beschluss der Minister, die Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich auszusetzen.

Die Haushaltslage der Bundesländer hat sich unterdessen im vergangenen Jahr verschlechtert. Das Länderdefizit erreichte mit insgesamt 31,7 Milliarden Euro den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Dies geht aus vorläufigen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums hervor, die am Mittwoch in Berlin bekannt wurden. Danach sind die Ausgaben zwar deutlich schwächer als geplant gestiegen, die Einnahmen blieben aber weit unter den Erwartungen.

Bei den Steuereinnahmen im Januar haben die Länder im Gegensatz zum Bund deutlich zugelegt. Wie aus Steuerschätzerkreisen zu erfahren war, sanken die Einnahmen aus reinen Bundessteuern um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Dagegen erhöhte sich das Aufkommen der reinen Ländersteuern um 13,5 Prozent. Eichel forderte die Länder zu weiterem Sparen auf. „In den nächsten Jahren wird es unerlässlich sein, bei sich verbessernder Konjunkturlage den Ausgabenanstieg weiterhin eng zu begrenzen.“

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