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Wirtschaft: Bürger betrügen den Fiskus um fast 18 Milliarden Euro

Das Münchner Ifo-Institut zählt bei der Umsatzsteuer immer mehr Hinterziehungsfälle – und fordert einen Systemwechsel

München (asr/HB). Die Länder machen Druck im Kampf gegen den organisierten Umsatzsteuerbetrug. Anfang November wird der Umsatzsteuerbetrug Thema der Ministerpräsidentenkonferenz in München sein. Das kündigte der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) auf einer Steuertagung des Münchner IfoInstituts an.

„Die Erhöhung des politischen Drucks ist zwingend notwendig“, sagte Faltlhauser. „Es geht nicht an, dass angesichts leerer öffentlicher Kassen den Bürgern Einschnitte zugemutet werden und wir gleichzeitig Banditen, die Millionen erschwindeln, davonkommen lassen.“ Das Ifo-Institut schätzt, dass dieses Jahr 17,6 Milliarden Euro Umsatzsteuer hinterzogen werden. Das wäre fast doppelt so viel wie 1997, als das Betrugsvolumen noch 9,3 Milliarden Euro betrug. Deshalb solle das System geändert werden, schlug das Institut vor.

Wer als Unternehmer mehr Mehrwertsteuer bezahlt, als er einnimmt, bekommt die Differenz vom Finanzamt erstattet. Die Umsatzsteuerhinterziehungsquote beträgt laut Ifo 11,3 Prozent. Deshalb dürfte das Aufkommen aus der Mehrwertsteuer auch in diesem Jahr unter dem Wert bleiben, den der Arbeitskreis Steuerschätzung prognostiziert hatte. Während die amtliche Steuerschätzung für das Gesamtjahr ein Plus von 0,3 Prozent veranschlagt hatte, war das tatsächliche Aufkommen in den ersten acht Monaten des Jahres sogar um 0,9 Prozent geringer als im Vorjahreszeitraum.

Der rheinland-pfälzischen Finanzminister Gernot Mittler (SPD) sagte, die Umsatzsteuer sei von der einstigen Geldmaschine für den Fiskus nun zur „Achillesferse“ unseres Steuersystems und damit für die öffentlichen Haushalte geworden. Angesichts der Dimension des Schadens – rund dem fünffachen des gesamten Erbschaftsteueraufkommens – sei es merkwürdig, wie wenig intensiv das Bundesfinanzministerium dieses Problem behandele. „Es geht nur sehr, sehr mühsam voran“, sagte Mittler an Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gerichtet. Bereits vor zwei Jahren habe der Bundesrat den Bund aufgefordert, auf eine Systemmodifikation auf europäischer Ebene hinzuarbeiten – Mittler fordert einen Systemwechsel bei der Umsatzsteuer, so dass nur noch Leistungen an Private umsatzsteuerpflichtig sind.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks (SPD) wies den Vorwurf der Untätigkeit zurück. Allerdings habe die EU-Kommission das alleinige Vorschlagsrecht für Änderungen an EU-Richtlinien, und eine solche Änderung sein für die Umsetzung des Mittler-Vorschlages zwingend nötig.

Daher arbeite der Bund derzeit an einem eigenen Vorschlag, der möglicherweise ohne Zustimmung der EU-Kommission umsetzbar sei. Hendricks kündigte an, dass das System durch „cross-checks“ ergänzt werden sollte. Das würde bedeuteten, dass Unternehmen sämtliche Warenaus- und Eingänge elektronisch an eine zentrale Finanzbehörde melden müssten. Während Faltlhauser und die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel Zustimmung zu den Plänen signalisierten, warnte die Wirtschaft vor neuen Belastungen für ehrliche Unternehmen. Der Leiter der Steuerabteilung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Alfons Kühn, sagte, das „Kind dürfe nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden“.

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