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Freundlicher Druck. US-Senator John McCain sprach am Sonntag bei Präsident Rossen Plewneliew (rechts) vor.

© AFP

Koalition gegen Rohstoff-Lieferant Gazprom: Bulgarien gerät im Gasstreit zwischen die Fronten

EU und USA drängen das Land zum Baustopp an einer russischen Pipeline. Moskau reagiert empört - die Angst vor einer Blockade ist groß.

Kein Kommentar. Noch sei alles in der Schwebe. Knapp und barsch wie oft ließ sich der Pressechef des russischen Präsidenten Wladimir Putin nichts Verbindliches entlocken, als Journalisten ihn kürzlich nach möglichen Reaktionen auf Pläne Bulgariens fragten, die Arbeiten am Bau der Erdgaspipeline South Stream auf Eis zu legen. Bulgariens Regierungschef Plamen Orescharski hatte am Sonntag in Sofia das Projekt offiziell für beendet erklärt und damit auf den zuletzt extrem gestiegenen Druck aus Brüssel und sogar Washington reagiert.

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche Ermittlungen gegen die Regierung des ärmsten Mitgliedslandes angekündigt und dabei auf das europäische Vergaberecht verwiesen, das bei der Umsetzung des russisch dominierten Pipelineprojekts verletzt worden sein könnte. Zudem glaubt man in Brüssel, dass Bulgarien mit seiner Unterstützung der Pipeline gegen Beschlüsse des EU-Parlaments von 2009 verstößt. Das hatte damals unter dem Eindruck des russisch-ukrainischen Streits um Erdgaslieferungen, in dessen Folge weite Teile Osteuropas fast vierzehn Tage lang frieren mussten, ein Maßnahmenpaket verabschiedet, um die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren.

Die wichtigste Gas-Leitung nach Westeuropa

Das South-Stream-Projekt verfolgt offenkundig das gegenteilige Ziel. Daran sind zwar auf EU-Seite der italienische Staatskonzern Eni mit 20 Prozent und der französische Versorger EDF sowie die BASF-Tochter Wintershall jeweils mit fünfzehn Prozent beteiligt. Der russische Gasexportmonopolist Gazprom kontrolliert aber die restlichen 50 Prozent – darunter die Rohrleitungen in Bulgarien.

Der Balkanstaat hat für South Stream eine strategisch ähnlich wichtige Bedeutung wie derzeit die Ukraine: Über diese pumpt Moskau auch nach der Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream, mit der seit 2011 vor allem Deutschland versorgt wird, nach wie vor den Großteil seiner Lieferungen nach Westeuropa. Denn in Bulgarien erreicht die rund 2400 Kilometer lange Leitung, von der gut ein Drittel von Südrussland aus über den Boden des Schwarzen Meeres verlegt werden soll, wieder Festland und teilt sich dort in Nordwest- und Südwestroute. Über beide Zweige, die 2016 ans Netz gehen und schon zwei Jahre später ihre maximale Leistung von 63 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erreichen sollen, will Europa künftig etwa 35 Prozent seines Gesamtbedarfs an Erdgas decken.

Dieser Plan passt nicht mehr in die Zeit. Laut der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti soll EU-Energiekommissar Günther Oettinger den Russen sogar gedroht haben, man werde South Stream nur zustimmen, wenn Moskau die neue Führung in Kiew anerkennt. Mit klar politischen Motiven, so jedenfalls stellten es russische Medien dar, soll sich eine Gruppe ranghoher US-Senatoren in dieses Geschäft eingemischt haben. Die Delegation um den ehemalige Präsidentschaftskandidaten John McCain habe Bulgariens Premier Orescharski am Wochenende „bearbeitet“, hieß es. In der Tat gab dieser den South-Stream-Rückzieher gleich nach dem Treffen mit Washingtons Unterhändlern bekannt.

Duma-Vertreter spricht von "Erpressung"

Der Vizechef des außenpolitischen Duma-Ausschusses, Leonid Kalaschnikow, sprach von „Erpressung“. Mit der Blockade von South Stream habe der Westen einen Trumpf in der Hand, der stärker als alle Sanktionen wirke, räumte er ein.

Doch der Kreml könnte sich an anderer Stelle rächen, wird in Moskau spekuliert. Einen Hinweis, wie das gehen könnte, lieferte Putin höchstpersönlich. Vor seinem Frankreich-Besuch am vergangenen Wochenende hatte Russlands Präsident jene Warnungen wiederholt, die den inzwischen gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Ende November 2013 veranlasst hatten, das Abkommen mit der EU platzen zu lassen. Russland, machte der Kremlchef nun erneut klar, müsse nach Kiews Assoziierung mit Europa seine Wirtschaft schützen. Mit Einfuhrzöllen für ukrainische Waren, die dann in Russland nicht mehr konkurrenzfähig seien und mit dem Verzicht auf Regelungen, wonach Bürger der Ukraine 90 Tage lang keine Aufenthaltsgenehmigung für Russland brauchen und dort ungehindert arbeiten dürfen. Nach offiziellen Angaben machen davon derzeit fünf bis sechs Millionen Menschen Gebrauch: ein Drittel der ukrainischen Gesamtbevölkerung im arbeitsfähigen Alter.

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