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Wirtschaft: Bundesbank beklagt Rückschlag für die Aktienkultur Steuerpläne der Regierung verschärfen die Situation

Berlin (dr). Die Aktienkultur in Deutschland hat durch die Börsenkrise und die zahlreichen Unternehmensskandale einen nachhaltigen Rückschlag erlitten.

Berlin (dr). Die Aktienkultur in Deutschland hat durch die Börsenkrise und die zahlreichen Unternehmensskandale einen nachhaltigen Rückschlag erlitten. Dies sagte der Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Jürgen Stark, am Mittwoch auf dem FinanzmarktForum 2002 in Luxemburg. Die Aktienmärkte litten an einer ausgeprägten Vertrauenskrise, deren Überwindung einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte.

Die Skandale um Enron und Worldcom hätten nicht nur die professionellen Investoren vorsichtiger werden lassen. Auch die privaten Anleger seien stark verunsichert. Die Euphorie des „New-Economy-Zeitalters“ sei in Ernüchterung und eine ausgesprochene Risikoaversion umgeschlagen, die inzwischen auch andere Wirtschaftssektoren erfasst habe, so Stark weiter. Die in Deutschland mit viel Hoffnung verbundene neue Aktienkultur seit dem Börsengang der Deutschen Telekom habe damit einen nachhaltigen Rückschlag erlitten, der durch die Pläne der Bundesregierung zur Besteuerung von Kapitalerträgen noch verschärft zu werden droht. An die Adresse der Politik richtete Stark auch die Forderung nach einer auf Stetigkeit und Verlässlichkeit angelegten Geld- und Steuerpolitik. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sei eine wichtige Geschäftsgrundlage der Europäischen Union. Eine Lockerung dieses Paktes schaffe kein Vertrauen. Schlechte Politik dürfe nicht durch eine Änderung der Spielregeln nachträglich geduldet werden. Indirekt sprach sich der Bundesbank-Vizepräsident auch gegen eine Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank aus. Durch eine „Politik des leichten Geldes“ werde der Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion gefährdet. Das Vertrauen an den Märkten sei nur durch eine mittelfristige Kontrolle der Geld- und Kreditexpansion sowie eine Haushaltspolitik, die sich an die Regeln halte, zurückzugewinnen. Die Ausrichtung auf Konjunktursteuerung und „hektisches Gegensteuern wirkt langfristig destabilisierend“, warnte Stark.

Ermutigend sei aber, dass sich das europäische und globale Finanzsystem trotz der Belastungen aus Asien, Lateinamerika und Russland als erstaunlich robust erwiesen habe. Die gegenwärtige Situation an den Aktienmärkten hält Stark denn auch nicht für vergleichbar mit den Turbulenzen an den Finanzmärkten im Jahr 1998. Das Russland-Moratorium und die Krise des Hedge Long-Term Capital Management (LTCM) hätten damals zu einer dramatischen Zuspitzung und zu einer Flucht in die „sicheren Häfen“ Staatsanleihen geführt. Die Folge sei knappe Liquidität an den Märkten gewesen. Heute sei keine Liquiditätskrise erkennbar.

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