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Wirtschaft: Bundesbankpräsident mahnt im Poker um den IWF zu Härte

Weber: Europa darf seine IWF-Anteile nicht vorschnell preisgeben - China, Mexiko und die Türkei sollen aufgewertet werden

Frankfurt - Bundesbankpräsident Axel Weber hat vor der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank die EU-Länder gewarnt, vorschnell auf Einfluss zugunsten von Schwellenländern zu verzichten. „Es muss ein Gesamtpaket für eine transparente und faire Repräsentanz aller IWF-Mitgliedsländer gefunden werden. Dabei sollten nicht schon im Vorfeld berechtigte eigene Positionen und Ansprüche der EU-Länder zur Disposition gestellt werden“, sagte Weber dem „Handelsblatt“. Deutschland sei bei seinem Anteil am Fonds von 6,1 Prozent derzeit um 0,9 Prozentpunkte deutlich unterrepräsentiert.

Quoten und Stimmrechte – das sind die wichtigsten Einflussgrößen auf den IWF – stehen im Zentrum der diesjährigen Herbsttagung, die Mitte September (15. bis 20.) in Singapur stattfinden wird. Der IWF entspricht damit dem Wunsch vieler seiner Mitglieder, die ihre Anteile am Fonds für zu niedrig halten. Eine hohe Quote ist erstrebenswert: Sie bestimmt nicht nur die Höhe der Kredite, die ein Land beim IWF ziehen kann. Sie entscheidet auch über die Stimmrechtsanteile und damit den Einfluss auf die Fondspolitik.

Die Schwellenländer mit hohem Wachstum sehen ihr Gewicht nicht mehr ausreichend repräsentiert – allen voran China mit einem Minus von 2,2 Prozentpunkten. Die ärmeren Entwicklungsländer sind unzufrieden, weil die Quotenberechnungen für sie seit Längerem sinkende Anteile ergeben. Weber ist zuversichtlich, dass in Singapur der erste Schritt der Reform, die Quotenerhöhung für die am stärksten unterrepräsentierten Länder – China, Mexiko, Südkorea und die Türkei – schnell über die Bühne gehen wird. Der Bundesbank-Chef geht davon aus, dass der IWF den Auftrag erhält, die zweite Stufe – in der die Quoten insgesamt neu bestimmt werden sollen – zügig anzugehen und bis 2008 umzusetzen.

Ob es da allerdings zu einer Einigung kommt, ist mehr als unsicher. Denn zurzeit gibt es nicht einmal einen Konsens darüber, nach welcher Formel die Quoten künftig berechnet werden sollen. Die Bundesbank hält das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – das ist der Wert aller in einem Jahr in einem Land produzierten Waren und Dienstleistungen – und den Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft für entscheidend. Dem Bestand an Währungsreserven misst sie dagegen gemeinsam mit anderen europäischen Notenbanken geringere Bedeutung bei.

Das sehen Länder wie China mit hohen Reservebeständen völlig anders. Die USA wiederum dringen auf eine vorwiegend am BIP orientierte Formel. Sie verlangen, dass vor allem die Europäer eine Verringerung ihrer Anteile hinnehmen müssten – obwohl neben Deutschland auch Spanien und Irland wie auch die EU insgesamt unterrepräsentiert sind. Schon jetzt zeichne sich ab, dass eine neue Quoten-Formel allein kaum Aussichten hat, beschlossen zu werden. „Das macht die Diskussion so schwierig. Ohne zusätzliche politische Komponenten wird es nicht gehen.“

Im Einklang mit der Bundesregierung lehnt die Bundesbank auch eine Reduzierung der europäischen Sitze im Exekutivrat des IWF ab. Vor allem die Amerikaner halten die Europäer in dem Gremium für überrepräsentiert. Die EU-Länder belegen dort sieben von 24 Sitzen. In der internationalen Diskussion wird eine Zusammenlegung der Sitze der EU-Länder gefordert.

Weber hält gegen: „Eine gemeinsame EU-Außenvertretung im IWF halten wir für verfrüht. Dafür müsste Europa viel stärker politisch integriert sein.“ Dies sei auch die Position des Rats der Europäischen Zentralbank. Zur Disposition dürfte indessen stehen, ob das bisherige Auswahlverfahren für IWF- und Weltbank-Spitzenpositionen beibehalten werden soll. Traditionell stellen die Europäer den Geschäftsführenden Direktor des IWF, die Amerikaner dessen Stellvertreter und den Weltbank-Präsidenten.

Mit Blick auf das zweite Kernthema der Herbsttagung, die Stärkung der Wirtschaftsberatung und -überwachung des Fonds durch die Einführung „multilateraler Konsultationen“, warnt Weber vor „überzogenen und falschen Erwartungen“. Das gelte insbesondere für die Hoffnung auf eine verstärkte währungspolitische Koordinierung als Ergebnis solcher Konsultationen. „Eine stärkere Kontroll- oder gar Schiedsrichterfunktion des IWF lehnen wir ab“, sagte der Bundesbankpräsident. )

Marietta Kurm-Engels (HB

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