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Pipeline-Partner. Wladimir Putin verbündet sich mit dem Nato-Mitglied Türkei respektive dessen Präsident Tayyip Recep Erdogan und verärgert damit das Nato-Mitglied Bulgarien. Auch die Griechen haben Nachteile, wenn South Stream nicht gebaut wird.

© picture alliance / dpa

Gaspipeline South Stream: Bündnis am Schwarzen Meer

Russland kooperiert mit der Türkei und brüskiert Bulgarien mit der Absage der Gaspipeline South Stream. Dem armen Balkanstaat könnten dadurch mehr als 400 Millionen Euro entgehen.

Gazprom Russkaya heißt das Gemeinschaftsunternehmen, das der russische Staatskonzern am Montag in St. Petersburg mit der Türkei gründete. Namensgeber ist eine Siedlung am Ostufer des Schwarzen Meeres, dort steht auch die gleichnamige Verdichterstation für eine Gasleitung, die über den Seeboden verlegt und Südosteuropa unter Umgehung der Ukraine stabil mit russischem Gas versorgen soll. Ursprünglich hieß das Projekt South Stream, in Bulgarien sollte die Pipeline das europäische Festland erreichen und sich dann nach Westen und Süden verzweigen.

Ungarn und Bulgarien wollen das Projekt dennoch realisieren

Doch dann meldeten sich Bedenkenträger in der EU zu Wort. Moskau vermutet politische Hintergründe, vor allem die Ukraine-Krise. Kremlchef Wladimir Putin zog daher bei seinem Türkei-Besuch Anfang letzter Woche die Reißleine: Der Seeabschnitt der Röhre, bei deren Bau Gazprom bereits in die Vorleistungen ging, werde in der Türkei enden, diese die Hauptmenge abgreifen und den Rest über Griechenland nach Europa weiterleiten. Das Ende von South Stream sei besiegelt, sagt auch Gazpromchef Alexei Miller. Ungarn und vor allem Bulgarien wollen dennoch auf der Realisierung bestehen. Allein an Transitgebühren, klagt Regierungschef Bojko Borissow, würden Sofia im Jahr weit mehr als 400 Millionen Euro entgehen. Den armen Balkanstaat wurmt dabei zusätzlich, dass der Rubel nun ausgerechnet beim Erbfeind Türkei rollen wird und dazu in Griechenland, zu dem Bulgarien ebenfalls ein historisch belastetes Verhältnis hat.

Moskau hat Bulgariens Flucht in die Nato bis heute nicht verwunden

Moskau, das die Flucht seines Ex-Vasallen Bulgarien Richtung Nato und EU bis heute nicht verwunden hat, genießt und schweigt. Und für die gestrige Diskussionsrunde in Brüssel zur Zukunft von South Stream hatte Gasmann Miller nur beißenden Spott übrig. Es sei, als ob die Verwandtschaft der Braut unverdrossen die Diskussion zu Details eines Ehevertrags fortsetzt, den der Bräutigam gerade gekündigt hat. Weil er, bevor er sich ewig band, noch etwas Besseres fand.

Die Umwidmung bringt Russland und der Türkei wirtschaftliche und politische Vorteile

Sogar aus Sicht kritischer Beobachter liegen die Vorteile der Umwidmung auf der Hand, wirtschaftliche und politische. Für Russland und die Türkei. Denn die Leitung wird erheblich kürzer, allein der Seeabschnitt um mehr als die Hälfte. Dadurch verringern sich die Baukosten um drei Milliarden Euro. Vor allem aber habe Moskau, wie sich ein Kolumnist ausdrückte, der Türkei die „Verfügungsgewalt über den Schieber“ am noch zu bauenden Hub an der griechischen Grenze überlassen. Präsident Tayyip Recep Erdogan werde sich die Möglichkeit zu massivem politischen Druck auf Europa nicht entgehen lassen.

Russland und die Türkei verbinden ähnliche politische Traditionen

Wohlwollend registrierte Moskau, wie das Nato-Mitglied Türkei schon beim Kampf gegen die Terror-Gruppe Islamischer Staat (IS) an der Grenze zu Syrien nationale Interessen – Schwächung kurdischer Separatisten – über die des Bündnisses stellte. Ebenso, dass die von Europa enttäuschte Türkei versucht, wieder Einfluss in ehemals türkischen Gebieten zu gewinnen: Auf dem Balkan und im Nahen Osten. Erdogans Neo-Osmanismus reibe sich zwar zum Teil mit russischen Interessen, glauben Diplomaten. Das Problem sei jedoch lösbar. Ähnliche politische Traditionen – Kult um Herrscher, Imperium und Staatsreligion – würden das begünstigen, heißt es in einem Kommentar der konservativen türkischen Tageszeitung „Zaman“. Für denkbar halten Experten sogar die Einbindung Irans, das mit der Türkei und mit Russland um den Status einer regionalen Großmacht im Südkaukasus und in Zentralasien konkurriert. Teheran habe die konstruktive Haltung Moskaus und Ankaras beim Streit um das iranische Atomprogramm nicht vergessen.

Kritische Beobachter in Russland glauben, dass Putin nur pokert

Einerseits. Andererseits glauben kritische Beobachter in Russland, dass Putin nur pokert. Moskau habe das Kündigungs-Procedere für South Stream bisher nicht eingeleitet, schreibt die Wirtschaftszeitung Wedomosti. Und Gazprom nur die Zusammenarbeit mit einer italienischen Firma eingestellt, die die Röhren für den ersten Abschnitt verlegen sollte. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hofft auf eine Rückkehr der Russen zu dem Projekt, „wenn sich die Lage zwischen Russland und der Ukraine beruhigt hat“.

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