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Wirtschaft: China: Bald WTO-Mitglied

Fünfzehn Jahre hat China an die Tor der Welthandelsorganisation (WTO) geklopft, nun scheint es sich zu öffnen. Am Mittwoch räumten die Verhandlungsführer in Genf die letzten Hürden aus dem Weg.

Fünfzehn Jahre hat China an die Tor der Welthandelsorganisation (WTO) geklopft, nun scheint es sich zu öffnen. Am Mittwoch räumten die Verhandlungsführer in Genf die letzten Hürden aus dem Weg. Von einem "großen Durchbruch" sprach der Schweizer Diplomat und Verhandlungsführer Pierre-Louis Girard. Chinas Beitritt bis zur WTO-Ministerrunde im November in Qatar, den viele bis vor kurzem noch für unwahrscheinlich hielten, scheint nun machbar.

In den vergangenen Wochen hat Peking mit den USA und der EU wichtige Kompromisse erzielt. Ein Streitpunkt waren Chinas Subventionen für die Landwirtschaft. Während Peking auf seine Stellung als Entwicklungsland pochte und eine WTO-Regelung von Subventionen bis zu zehn Prozent in Anspruch nehmen wollte, hielt Washington dagegen. Beide Seiten einigten sich auf 8,5 Prozent. Allerdings haben nun Indien, Südkorea und Malaysia Bedenken angemeldet. Sie fürchten, dass diese Regelung zu einer generellen Verschärfung der Bedingungen für Entwicklungsländer führen könnten. Ein Zusatz im WTO-Protokoll soll nun deutlich machen, dass die 8,5-Prozent-Klausel ein spezielles Abkommen nur für China ist.

Probleme wie diese sorgten für immer neue Verzögerungen in den Verhandlungen. Nun sieht es jedoch so aus, als ob die wichtigsten Hindernisse überwunden sind. In der nächsten Woche sollen die Einigungen schriftlich festgelegt werden. Wenn alles klar geht, könnte die WTO-Arbeitsgruppe bei der Sitzung Mitte September die Aufnahme der Volksrepublik formal vorbereiten. Anschließend müssen die WTO-Staaten und China den Beitritt durch die Parlamente ratifizieren, ein Monat später wird China ordentliches Mitglied.

Kein Land hat so lange und so hart bei der Aufnahme zur WTO verhandelt wie China. Und für kein Land steht so viel auf dem Spiel. Nach zwei Jahrzehnten Experimenten mit der Marktwirtschaft setzt die Volksrepublik nun zum Sprung in den Kapitalismus an. Mit dem Beitritt zur WTO wird China seinen Markt öffnen und sich den Regeln der internationalen Wirtschaft anpassen müssen. Für viele wird das hart. Chinas Bauern, die rund die Hälfte der 1,3 Milliarden Chinesen ausmachen, sind im Vergleich zu europäischen oder US-amerikanischen Bauern wesentlich weniger produktiv und müssen deshalb Agrar-Billigimporte fürchten.

Auch für Chinas Staatsbetriebe, die noch immer rund die Hälfte der Wirtschaftskraft ausmachen, wird sich der Druck erhöhen. Bisher waren sie durch Schutzzölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt. Innerhalb von fünf Jahren nach dem WTO-Beitritt werden diese nun wegfallen. Viele Unternehmen, wie die Shanghai Automotive Industrie Corp. (SAIC), die mit VW und General Motors gemeinsam Fabriken betreibt, haben sich rechtzeitig mit ausländischen Partnern zusammengetan. Dennoch wird es zu Entlassungswellen kommen. 140 Millionen Angestellte der chinesischen Staatsbetriebe sind nach Schätzung der Weltbank überflüssig. Chinas Führung hofft darauf, dass Privatfirmen die entlassenen Arbeiter aufnehmen werden. Mit Auslandsinvestitionen von insgesamt 100 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2005 rechnet der chinesische Staatsrat. Bis 2010 erwartet Peking ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von insgesamt 34 Prozent. Chinesische Exportfirmen werden besseren Zugang zu den westlichen Märkten erhalten. Einer der größten Gewinner durch den WTO-Beitritt wird dieTextilindustrie sein. Eine Millionen Arbeitsplätze sollen in der Branche pro Jahr entstehen.

Langfristig wird der WTO-Beitritt sich für Chinas Wirtschaft positiv auswirken. Das Problem für die chinesische Führung wird jedoch sein, beim Übergang in die Marktwirtschaft soziale Unruhen zu vermeiden. Versuche der Regierung, mit Investitionen in Infrastruktur und neue Industrieparks die armen Westprovinzen anzuschieben, waren bisher kaum erfolgreich.

Harald Maass

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